Ullstein-Veranstaltung im "Resonanzraum"

Von Menschen und Computern

24. Februar 2016
von Holger Heimann
Ein Roboter kann über Gefühle reden, aber er hat keine, sagt der Yale-Professor David Gelernter. Auch deshalb wird künstliche Intelligenz dem menschlichen Geist immer unterlegen sein. Eindrücke aus dem Ullstein-Resonanzraum in Berlin.

Der Berliner Ullstein Verlag hat sich viel Zeit gelassen mit der Fortsetzung seiner Veranstaltungsreihe Resonanzraum. Nach dem Start im vergangenen Mai mit einer Diskussion über die Veränderungen im Verlagsgeschäft war nun das neue Buch von David Gelernter („Gezeiten des Geistes" erscheint am Freitag bei Ullstein) willkommener Anlass, um mit dem amerikanischen Informatik-Professor über „Herausforderungen der digitalen Entwicklung: Rolle und Selbstverständnis des Menschen in der digitalen Welt" zu sprechen. Die Rolle des Fragenstellers übernahm dabei Christoph Kucklick, Chefredakteur von „GEO", vor allem aber Autor eines lesenswerten Buches zur Digitalisierung („Die granulare Gesellschaft: Wie das Digitale unser Wirklichkeit auflöst", ebenfalls bei Ullstein erschienen).


IT-Rockstar mit verschlungenen Denkwegen

Die „New York Times" hat Gelernter als „Rockstar der Computerwissenschaften" gefeiert – was immer das heißen mag. Im alten Musiksaal des Ullstein-Verlagshauses saß sicht- und hörbar ein Gelehrter, der den Grundgedanken seines neuen Buches wortreich illustrierte, dass die Einzigartigkeit des menschlichen Geistes von keiner Computersoftware je erreicht werden könne – und dabei die Bibel, Bach, Homer, Goethe, den Wahlkampf zwischen Kennedy und Nixon, das Bauhausdesign und vieles andere streifte. So wurde es ein anregender Abend, wenngleich es manchmal nicht leicht war, den verschlungenen Wegen von Gelernters Geist zu folgen.

Warum aber ist sich der Yale-Professor so sicher, dass künstliche Intelligenz die Kapazitäten und das Leistungsvermögen des menschlichen Geistes nicht doch überflügelt? So hat doch schon 1997 das Programm „Deep Blue" die Schachweltmeisterschaft gegen den seinerzeit amtierenden Weltmeister gewonnen. Gelernters Antwort ist einleuchtend: Wir Menschen könnten weit mehr als kalkulieren und rechnen (das kann der Computer besser). Zu uns gehörten aber auch unsere Träume, Phantasien, Gefühle. „Der Roboter hingegen", so erklärt Gelernter, „ist leer. Er kann über Gefühle reden, aber er hat keine. Es ist alles nur Show."


Europa schaut zu, den Takt gibt das Silicon Valley vor

Doch Gelernter ist alles andere als ein Technikfeind, der Mann ist immerhin Professor für Computerwissenschaften. Technologie mache nicht notwendig glücklich oder unglücklich. Entscheidend sei unser Umgang mit ihr. Gelernter warnte vor einer „Dehumanisierung der Gesellschaft" und plädierte dafür, die Entwicklung digitaler Technologie kritisch zu beobachten. „Was mich besorgt, das ist, wie wenig viele Menschen besorgt sind", so Gelernter – wobei dem Amerikaner in Berlin dann doch eher ein nachdenkliches, skeptisches Publikum begegnete. Gelernter sah darin wiederum einen Spiegel der Rolle des alten Kontinents: „Europa begnügt sich damit, Kritiker einer Entwicklung zu sein, anstatt die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Ich begreife nicht, warum man sich hier abhängig von einer Suchfunktion namens Google und Computern macht, die Apple heißen." Die gefeierte Apple-Formgebung sei nichts anderes als eine Fortführung des Bauhaus-Designs. Mit Ironie gepaartes Verständnis für die Zurückhaltung Europas hatte Gelernter trotzdem: "Ich würde auch lieber Bach hören und Goethe lesen, als mich mit Software zu beschäftigen; aber andererseits, es ist notwendig."

Was die Digitalisierung für unser Leben konkret bedeutet, was uns zu tun bleibt, wenn Computer viele Aufgaben übernehmen, womit wir dann unser Geld verdienen – die Antworten auf solche Fragen des Publikums kamen leider zu kurz gestern Abend. Gelernter bestand darauf, dass Künstlertum und menschliche Kreativität durch keine noch so komplexe Technologie nachgebildet werden könnten. Was aber wird aus denen, die keine Künstler sind?