Ulrich Störiko-Blume über Kundenwünsche

Wer etwas zu sagen hat ...

1. März 2018
von Börsenblatt
Sind Verlage nur Erfüllungsgehilfen von Kundenwünschen? Ulrich Störiko-Blume plädiert dafür, sich mehr Gedanken über Inhalt und Qualität von Büchern zu machen – ohne bildungselitär zu sein.

Mit Blick auf aktuelle Verlagsstrategien zeichnet sich ein zunehmender Populismus ab: Als höchstes Ziel des Verlags wird die Befriedigung von Kundenwünschen ausge­geben. Ja, was denn sonst?, wird sich mancher fragen. "Focus on the user and all else will follow" sagt Google, und sehr viele stimmen zu. Aber: Entsteht so Literatur? Entstehen so Sachbücher, die unter die Oberfläche unserer komplexen Welt schauen? Entstehen so Bücher, die auch morgen noch eine Bedeutung haben?

Im qualitativen Teil der Studie "Buchkäufer – quo vadis?" werden Äußerungen von Befragten zitiert wie "Bücher sind weder hip noch kommunikativ!" und "Bücher sind kein Hot Topic, worüber man spricht". Das klingt wie eine Aufforderung, darauf hinzuarbeiten, dass Bücher diese Eigenschaften wieder zugesprochen bekommen. Ja, man kann hippe (also ­vorübergehend gefragte, weil sie "alle" haben wollen) und trendige Bücher (so lange der Trend anhält) verlegen. Doch das kann nicht die zentrale Antwort in der gegenwärtigen Situa­tion sein. Und auch wer meint, dieser "Kundenfreundlichkeit" solle die schlechte alte Hochnäsigkeit der Bildungselite vorgezogen werden, liegt schief.
Es mag Autoren geben, die sich nicht darum scheren, ob ihr Buch verstanden wird, ob es überhaupt verstanden werden kann und ob es den Lesern etwas bringt. Aber es ist eigentlich selbstverständlich, dass Schriftsteller, Dichter, Essayisten, Wissenschaftler und Fachleute Bücher schreiben, weil sie etwas erkannt und in Form gebracht haben, das sie ihrem Publikum mitteilen wollen. Es ist ihnen keineswegs egal, ob irgendjemand und ob bestimmte Menschen sie lesen. Aber sie schreiben doch nicht, um ihrem Publikum zu gefallen. Sie schreiben etwas, für das sie eine gelungene Einheit von Inhalt und Form gefunden haben. Und Verlage verlegen das und Buchhändler verkaufen das, weil sie diese Qualität erkannt haben – und versuchen, ihre Kunden darauf aufmerksam zu machen.

In der Politik ist der Populismus ein altes Phänomen, das derzeit neue gefährliche Formen annimmt. Die Demokratie muss mit demokratischen Mitteln damit fertigwerden. In der Buchbranche gibt es den uralten (und belebenden) Widerspruch von Kunst und Kommerz, der nicht mit dem Über­gewicht einer Seite gelöst werden kann. Mit hochtrabenden moralischen Beschwörungen schon gar nicht.

Manche versuchen es mit kühlem bildungstechnischem Kalkül. Gejammer? Die Schuld anderen zuschieben? Zynisch mit den Schultern zucken? Bücher und Demokratie gehören zusammen, und für beide ist der Populismus eine Herausforderung und nicht die Lösung. "Keine diskursive Erörterung eines Phänomens kann ersetzen, was die Lektüre eines Buchs auslöst", so hat es S. Fischer-Verleger Jörg Bong jüngst in der "FAZ" formuliert. Das bedeutet nicht, Bücher allein der Ratio zuzuordnen; die emotionale Dimension von "Büchern als ­Brücke aus der Hektik des Alltags in die Oase des Lesens", wie Börsenvereinshauptgeschäftsführer Alexander Skipis auf der Tagung der IG Belletristik und Sachbuch sagte, ist ebenso wesentlich.

Könnten wir bitte ernsthaft darüber nachdenken, was wir selber falsch machen, wenn wir das Geschäft mit Büchern als Erfüllen von erfragbaren Kundenwünschen verstehen? Das ist nicht mit einer Polemik getan – aber könnten wir anfangen, nach den tiefer liegenden Gründen zu suchen?

Ulrich Störiko-Blume ist Inhaber der Münchner ProjektAgentur und war zuvor über vier Jahrzehnte Leiter in sieben Verlagen.