Umfrage

Buchhai & Co. – wer verfügt im Online-Handel über die Datenhoheit?

12. März 2010
von Börsenblatt
Wie wichtig ist dieses Thema? Welche Rolle spielen die Verwendung von Software und die Stärke von Plattformen dabei? Was können Antiquare tun, um ihre Unabhängigkeit zu bewahren – oder wiederzuerlangen? Vier Antworten.

Roman Heuberger (Antiquariat Roman Heuberger), Köln
Ich weiß zu wenig über die Verflechtungen von ZVAB und anderen Plattformen mit "Buchhai" resp. w+h, auch habe ich wenig Kenntnisse darüber, wo die endlichen Ziele von Wiesler & Co. liegen. Eines weiß ich aber genau: ich möchte über mein Angebot antiquarischer Bücher, das auch ich via Internet anbiete, weitestgehend selbst bestimmen. Natürlich weiß ich auch, dass ich, sobald ich das Internet betrete, eine Transparenz biete, gegen die ein Nacktscanner am Flughafen harmlos ist. Dennoch, wenn ich die Möglichkeit habe, einzuschreiten, sobald ich rauskriege, dass mein komplettes Internet-Warenangebot schlicht und einfach ungefragt übernommen wird von einer Plattform, die mich vorher nicht gefragt hat, ob sie das tun darf, dann tu ich das. Ich gehe davon aus, dass beispielsweise zwischen ZVAB und "Buchhai" ein Agreement besteht, in dem Geld fließt oder fließen könnte. Für wen auch immer. Jedenfalls steht für mich im Focus, dass das durch meine Arbeit dargebotene Angebot antiquarischer Bücher vogelfrei geworden ist und offenbar jeder damit machen kann, was er will. Bisher war ich der Auffassung, dass meine Daten da veröffentlicht werden, wo ich das übersehen kann und vor allem auch will. In meinem Fall bei ZVAB, Antiquariat.de, Booklooker und auf meiner eigenen Seite. Eurobuch als Metasuchmaschine akzeptiere ich. Ob ich meine Daten auch auf der ILAB-Metasuche haben will, entscheide ich selbst, die übernimmt die ILAB nicht automatisch, sondern nur auf Antrag hin, gut so.Der Markt ist in Bewegung. Nicht mehr das Angebot antiquarischer und gebrauchter Bücher selbst bringt das Geld. Viele von uns sind von den Plattformen wirtschaftlich abhängig, die Plattformen wissen das genau und wollen uns immer mehr an sich binden. Nicht mehr die mittlerweile viel zu vielen und immer noch herbeiströmenden Goldschürfer verdienen in den weitestgehend ausgebeuteten Minen das Geld, aber weiterhin noch die, die Schaufeln und Hacken verkaufen.
Weil die Anbieter von Schaufeln und Hacken, spricht Software, auch immer noch zunehmen, werden Zusammenschlüsse angestrebt. Was den tausenden und abertausenden Anbietern antiquarischer und gebrauchter Bücher niemals gelingen wird (im Ansatz allerdings der GIAQ), nämlich sich zu bündeln, machen die Plattformen vor. Sie schließen sich in sog. "Kooperationspartnerschaften" zusammen oder kaufen sich gleich selbst gegenseitig auf.
Der Markt, nämlich wir, wird unter den Plattformen aufgeteilt, ohne dass wir selbst noch ein Mitspracherecht haben. Bei der willkürlichen Weitergabe unserer Daten, also den Früchten unserer Arbeit, wird unsere stillschweigende Zustimmung vorausgesetzt. Die momentane Diskussion um "Buchhai" zeigt allerdings, dass dem nicht so ist. Viele Anbieter beugen sich mittlerweile allen möglichen Vorgaben und Maßregeln der Plattformen, man hat mitunter den Eindruck, nicht die sind unsere Dienstleister, sondern wir deren und müssen auch noch dafür bezahlen.
Eines der bedeutendsten Kriterien, die den Antiquar beschreiben, ist die geistige Freiheit. Diese hat er in der Regel auch immer mit in seinen Alltag hinübergetragen. Davon ist allerdings in den Zeiten des Internets nicht mehr viel übriggeblieben. So mag also jeder selbst bestimmen, inwieweit er sein Geschäft in immer weiterer Abhängigkeit von anderen und zunehmender Fremdbestimmung betreiben will. Der Buchhai selbst ist glaube ich gar nicht so wichtig, eher ein kleiner Fisch, ihm sollte aber schon klargemacht werden, dass er nicht alles fressen kann, was er gern möchte. Und dass seine Beute nicht immer freiwillig in sein Maul schwimmt.


Rainer Friedrich Meyer (Antiquariat Rainer Friedrich Meyer), Berlin
Eigene Datenbank auf dem Computer. Eigene Homepage, keine von der Stange. Den Plattformen nie alles übermitteln. Selbständig sein.


Hans Joachim Schulz, Haren/Ems
Das Kopieren, Plagiieren und ungefragte Nutzen von Inhalten ist integraler Bestandteil des Internet. Diese Einstellung ist derartig Mainstream geworden, dass hier ein Unrechtsbewusstsein nur am Rande aufflackert, wenn überhaupt. Das Verhalten von Google gegenüber dem Copyright ist Hinweis für diese Haltung. Sie hat sich durchgesetzt. So wenig wie die Manufakturarbeiter sich gegen die Einführung der Maschine in den Produktionsprozess auf Dauer zur Wehr setzen konnten, so wenig wird Urheberrecht und Copyright eine Zukunft haben. Die Zeiten geistigen Eigentums sind vorbei. Was jetzt noch folgt sind Rückzugsgefechte.


Ingo Stadler (Antiquariat im Kloster), Weilheim

Mit großer Verwunderung musste ich in den letzten Tagen in der AQ-Runde [Anm. der Redaktion: gemeint ist eine E-Mail-Runde von Antiquaren] die aufgeregten Diskussionsbeiträge einzelner Kollegen zur Kenntnis nehmen. Ich möchte mich ganz ausdrücklich von den negativen Beiträgen distanzieren! Welcher Kollege hat in den vielen letzten Jahren sich aufgeregt, dass immer mehr Meta-Suchmaschinen ganz selbstverständlich und natürlich ohne zu fragen auf die eigenen Datensätze zugreifen? Im Gegenteil profitieren wir doch alle davon, dass ein Käufer über viele Quellen auf das eigene Buchangebot stößt. - Im Gegensatz zu anderen Plattformen kann ich z. B. bei meinen Umsätzen bei Prolibri intern genau sehen, über welche Quelle ein Besteller auf mein Angebot gestoßen ist.
Mir scheint, dass die negativen Äußerungen wohl meist auf persönliche Animositäten gegen die Firma w&h bzw. deren Mitarbeiter zurückzuführen sind!
Ich denke, dass vor allem die Zahl der Kollegen, die sich negativ in der AQ-Runde - dieses Mal über Buchhai & Co - geäußert haben, doch recht klein ist zu der großen Teilnehmerzahl an der AQ-Runde. Viele davon sind die bereits bei zahlreichen anderen Anlässen als Vielschreiber bekannt.
Auch erscheint mir der Sturm der Entrüstung - wogegen auch immer - besonders leicht entfachbar zu sein, wenn Kollegen wenig zu tun und damit viel Zeit und Anlass haben, ihren Frust abzubauen.
Auch ist es leider so, dass in der AQ-Runde Äußerungen schnell abqualifiziert werden, ja nicht wenige Kollegen sogar z. T. unflätig beschimpft werden. Das veranlasst viele Teilnehmer, sich mit "abweichenden" Meinungen zurückzuhalten bzw. hat in Einzelfällen dazu geführt, dass sich jemand aus der Runde abgemeldet hat.