Umfrage zur Preispolitik der Verlage

„Sind wir hier etwa bei Aldi?“

8. September 2011
von Börsenblatt
Die 99-Cent-Preise der Verlage polarisieren: Filialisten spenden Applaus – während unabhängige Buchhändler gegenüber ihren Kunden immer wieder in Erklärungsnot geraten. Warum? Und was Verlage dazu sagen? boersenblatt.net hat sich umgehört.

„Sind wir hier etwa bei Aldi?“ Viola Taube, Inhaberin der gleichnamigen Buchhandlung in Nordhorn, hört diese Frage nach wie vor, obwohl sich ihre Kunden an die 99er-Preise eigentlich längst hätten gewöhnen können: Verlage drucken sie immerhin schon seit zwei Jahren auf ihre Bücher (eine kleine Chronik: hier). Doch manche von Taubes Kunden stört das bis heute. Immer wieder mokieren sie sich über die Schnapszahl hinter dem Komma.

Die Buchhändlerin versucht dann so gut es geht, die Käufer zu beschwichtigen – auch wenn es ihr nicht leichtfällt. Taube: „99er-Preise suggerieren doch, dass es sich um ein Schnäppchen handelt – das passt einfach nicht zu uns als Fachgeschäft.“ Viele Kollegen aus dem inhabergeführten Buchhandel sehen das ähnlich, und doch bleibt es dabei: Die 99er-Preise für Bücher sind weiter auf dem Vormarsch – nachdem Bastei Lübbe 2009 den Anfang gemacht hatte.

Ein Verlag, der gerade dabei ist, sein Preisschema umzustellen, ist Aufbau. Der Grund: „Wir wollen dem Handel mehr Umsatz verschaffen“, argumentiert Geschäftsführer Tom Erben. „99er-Preise gibt es ja inzwischen nicht nur bei Discountern, das hat der Konsument längst gelernt. Dem passen wir uns an.“
 
Wie das andere Buchhändler und Verlage sehen?

 

Mirjam Berle, Thalia-Sprecherin 

„Wir befürworten die neuen Preise mit der 99-Cent-Endung. Sie sind unseren Kunden bereits aus anderen Handelssparten bekannt – das führt zu einer entsprechenden Akzeptanz.“
Hildegard George, Inhaberin der Litera Buchhandlung in Hannover
„Unsere Kunden fühlen sich veralbert von den Komma-Neunundneunzig-Preisen, und ich sehe mich teilweise gezwungen, mich dafür zu entschuldigen.“
Christian Riethmüller, Geschäftsführer der Osianderschen Buchhandlung
„Wir profitieren doch von den Preiserhöhungen – weil wir so mehr verdienen. Kunden gewöhnen sich schnell daran: Niemand kauft ein Buch weniger, weil es 8,99 Euro statt 8,95 Euro kostet.“
 
Viola Taube, Inhaberin der Buchhandlung Taube in Nordhorn
„Ich möchte gern reele Preise für Bücher. Außerdem stört mich der Wechselgeldaufwand. Bücher sind zu günstig. Wir haben mit Preisschwellen keine Probleme, höchstens mal beim Kinderbuch.“
 

Jochen Große Entrup, Vertriebs- und Marketingleiter, DuMont

„Psychologische Preise sind in ihrer neuesten Zuspitzung im Buchhandel noch ungewohnt, spiegeln aber keine Minderwertigkeit wider. Sie werden funktionieren – wenn wir gemeinsam daran arbeiten. Die Rückgabe des einen Cents wirkt lächerlich, aber Buchhändler könnten das ins Positive drehen und Kunden eine Ein-Cent-Spende für einen  Kindergarten anbieten. Davon profitieren dann alle.“

 

 

Markus Klose, Marketinggeschäftsführer, Hoffmann & Campe

„Wir halten gebrochene Preise auch beim Hardcover für die richtige Strategie. Preisästhetisch sind sie zwar nicht so beliebt, aber doch inzwischen etabliert. Nur bei höheren Preisen jenseits der 25 Euro halte ich die 99-Cent-Endungen für übertrieben.“
Klaus Kluge, Marketing-Geschäftsführer, Bastei Lübbe

„Das Thema Preispsychologie wird, wenn es nicht gerade um Luxusgüter geht, überschätzt. Relevant ist nach meinem Eindruck allein die vermaledeite Preisschwelle von zehn Euro im Taschenbuch. Hier schaffen wir es nicht, den Endverbraucher zu überzeugen, dass ein Buch locker einige Euro mehr wert ist. Aus welchem Grund auch immer fehlen uns hier die Argumente. Oder wir sind zu hasenfüßig.“
Christian Tesch, Marketinggeschäftsführer, Droemer Knaur
„Es bleibt mit den 99-Cent-Preisen bei uns – wie bei den Händlern – etwas mehr in der Kasse. In  Summe ist das natürlich kein weltbewegender Betrag. Aber wir hätten es nicht gewagt, wenn es sich nicht lohnen würde.“
 
Rainer Tretter, Geschäftsführer, BLV
„Die 99er-Preise haben nach meinem Gefühl etwas Abwertendes an sich. Wir haben deshalb im vergangenen Jahr unsere 90-Cent-Preise auf 95-Cent-Preise erhöht, das ist uns sympathischer. Und damit heben wir uns auch von der Masse ab.“