Veranstaltungen

Thunfisch im Buchhandel

23. Januar 2008
von Börsenblatt
Steht die Entwertung des Berufs Buchhändlers bevor? Dieser Frage ging eine hochkarätig besetzte Diskussionsrunde der Inititative Pro Buch München gestern Abend in der Münchner Seidlvilla nach.
Der Titel der Veranstaltung sollte Programm sein: "Die Buchhändler sterben aus? Und verkaufen Thunfischdosen!" Dass ein solches Thema genau so viele Zuhörer anlocken kann wie die Lesung eines prominenten Autors, verwunderte sogar die Veranstalter. Rund 100 Menschen strömten in den Vortragssaal der Seidlvilla. Und alle wollten hören, was es zu der Malaise im vertreibenden Buchhandel zu sagen gäbe. Auf dem Podium saßen der dtv-Chef Wolfgang Balk, "BuchMarkt"-Chefkommentator Gerhard Beckmann, Perlentaucher-Redakteur Rüdiger Dingemann, der Schriftsteller Gert Heidenreich, Hermann-Arndt Riethmüller von der Osianderschen Buchhandlung in Tübingen und Christian Röhrl, Inhaber der Regensburger Buchhandlung Bücherwurm. Dieter Heß, Leiter der Abteilung Kulturkritik und Literatur im Bayerischen Rundfunk, leitete die Diskussion. Fällt der Anspruch auf solide Ausbildung bei den Buchhändlern, dann ist auch das Kulturgut Buch in Gefahr, lautete die These des Abends. Denn wer sonst soll beraten, betreuen, anregen? "Stapelware ist per se kein wertvolles Buch", so Gert Heidenreich. Buchhandlungen seien ein Marktplatz, auf dem nur zum Teil geistig hochwertige Produkte verkauft werden. Wolfgang Balk gestand ein, dass das Spitzentitelmarketing durch die Konzentration am Buchmarkt rasant zugenommen habe. Verlage machten schon seit längerem mit einigen wenige Titeln den Löwenanteil des Gesamtumsatzes. Aber benötigt man für maximal 100 Spitzentitel pro Halbjahr ausgebildete Buchhändler? Andererseits: Es gibt sie noch, die Buchkäufer, die beraten werden wollen und ein freundliches Gesicht zu schätzen wissen. Dass solche Qualitäten per se in Inhaber geführten Buchhandlungen zu finden seien, entlarvte Hermann-Arndt Riethmüller als Ammenmärchen. Eine Qualitätskontrolle seiner Buchhandlungen durch ein Unternehmen von außerhalb hätte gravierende Mängel gezeigt. Riethmüllers Plädoyer lautete: Nicht immer nur über die Ketten meckern, sondern das, was sie zweifellos gut machen übernehmen - um es selbst noch besser zu machen. In diesem Sinne riet Rüdiger Dingemann zu einem stärkeren Einsatz der Buchhändler im Online-Bereich. Gerade in ländlichen Gebieten sei hier noch einiges zu holen. Gerhard Beckmann riet zu etwas mehr Gelassenheit. Im Vergleich zu anderen Ländern sei Deutschland mit unabhängigen Buchhandlungen und gut ausgebildeten Buchhändlern noch gut bestückt. Noch! Daher lautete sein Appell: "Wir müssen kämpfen. Wir benötigen ein schnelles Handeln aller Beteiligter." Es gehe nicht zuletzt um bessere Konditionen für kleine und mittlere Buchhändler, sagte Christian Röhrl, Regensburger Sortimenter mit Engagement in der AUB, der Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Buchhandlungen, in München.