Warum man im Berufsleben öfter Nein sagen sollte

Büro-Egoisten fahren besser

27. Oktober 2016
von Börsenblatt
Ein aktuelles Phänomen des deutschen Buchmarkts ist, dass besonders Ratgeber erfolgreich sind, die eigentlich keine Ratgeber sein wollen. Zumindest nicht im klassischen Sinne. Sie karikieren das Genre und rufen zu mehr Individualismus auf. Am Ende ist ihre "Scheißegal"- statt "Ich muss noch ..."-Haltung aber auch wieder ein Stück Selbstoptimierung.

"Am Arsch vorbei geht auch ein Weg" (MVG, 192 S., 16,99 Euro) ist so ein Buch, und es wurde in kürzester Zeit zum Bestseller. Das liegt zum einen sicher am prägnanten Titel. Zum anderen an der Autorin Alexandra Reinwarth, die sich – leicht konsumierbar – immer wieder Selbstoptimierungsbaustellen des modernen Menschen vorknöpft: Glück, Sex, Fitness. Ihr neuestes Werk ist in diesem Sinne ein Rundumschlag in allen Lebensbereichen. Natürlich gehört auch die Arbeitswelt dazu, weil sie voll ist "mit Leuten und Situationen, die eine eigene Umgehungsspur am Arsch vorbei verdient hätten".

Sammelgeschenke für die Kollegen, After-Work-Treffen, überflüssige Brainstorming-Runden, Aufopfern für den Chef – die vielseitige Ratgeberautorin Alexandra Reinwarth plädiert dafür, sich diesen gemeinhin verbreiteten Ritualen und Zwängen im Joballtag so oft es geht zu entziehen. Entweder mit diplomatischem Geschick oder – wenn es nicht anders geht und man dazu fähig ist – auch mal mit deutlichen Worten. Wer das schafft, macht sich dadurch auf Dauer im Büro nicht unbeliebter, hat die Autorin selbst festgestellt. Im Gegenteil: Es winken produktivere Arbeitstage und mehr Freizeit, die man mit Menschen und Dingen verbringen kann, die einem wirklich wichtig sind.
Das etwas arg strapazierte Mantra, sich in Beruf, Familie, Freundeskreis und Partnerschaft viel öfter mal etwas "am Arsch vorbei" gehen zu lassen, nutzt sich beim Lesen leider relativ schnell ab. Abseits der wirklich witzigen Momente kippt das Buch leider zu oft in den Gestus der klassischen Frauenzeitschriftenkolumne. Die Quintessenz aber, dass es uns im Alltag viel zu oft schwerfällt, nein zu sagen, weil wir jedem gefallen wollen, kann man nicht oft genug hören.