Was die Branche für den Nachwuchs tut

Lehrjahre

19. Mai 2016
von Börsenblatt
Wer von Zukunft redet, muss bei der Ausbildung anfangen – doch das ist leicht gesagt. Was tut die Branche für den Nachwuchs? Acht Fragen, acht Antworten.

Sind die Anforderungen an die ausbildenden Unternehmen gestiegen, Herr Oechtering?

 Im Fachbuchhandel, in dem es in erster Linie um das B2B-Geschäft geht, sind die Anforderungen an Ausbildung und Auszubildende deutlich gestiegen. Dafür ist zum einen der Medienwandel verantwortlich, zum anderen sind die Kundenanforderungen an ein Fachbuchhandelsunternehmen wie Schweitzer Fachinformationen wesentlich komplexer geworden. Leider finden sich viele dieser Anforderungen nur unzureichend oder gar nicht im Ausbildungsrahmenplan wieder. Die Auszu­bildenden im Fachsortiment werden heute mit Themen konfrontiert, die sie bei ihrer Berufswahl nicht im Buch­handel erwarten: technische Shop-­Anbindungen, komplexe Beschaffungslösungen für Unternehmen und Bibliotheken oder Datenbankberatungen.

Für das Unternehmen selbst bedeutet dies, intern die nötigen Kompetenzen und Kapazitäten zu schaffen, um die Auszubildenden in alle Bereiche ein­zubinden. Erfreulich ist, dass wir bei der Ausschreibung von Ausbildungsplätzen weiterhin ausreichend viele Bewerbungen und qualitativ gute Kandidaten bekommen – zumeist Abiturienten oder Studierende, die sich beruflich umorientieren wollen. Den erfolgreichen Bewerbern machen wir von vornherein klar, dass ihr Arbeitsplatz nicht mit einer traditionellen Buchhandlung vergleichbar ist. Deshalb lassen wir sie im Bewerbungsverfahren für einige Tage in allen Abteilungen hos­pitieren, damit sie sich eine Vorstellung von ihrem künftigen Arbeitsfeld machen können. Mit den Hospitatio­nen fahren wir sehr gut.

Stellen Auszubildende andere, höhere Ansprüche, Frau Schölzel?

Ich denke schon, dass Azubis heute höhere Ansprüche an ihren Ausbildungsplatz stellen, schon allein deshalb, weil man heute an fast alles höhere Ansprüche hat. Früher haben die Eltern oft für ihre Kinder eine Stelle gesucht und bei Problemen hieß es dann: "Der Meister wird schon wissen, was er tut." Jetzt ist man besser vernetzt, kennt seine Rechte in der Ausbildung und weiß viel besser, was man erwarten kann. Als Azubi hat man ja auch eine viele größere Auswahl an Stellenangeboten, gute Azubis werden wirklich gesucht. Erst zu studieren, um dann als Praktikant und Volontärin im Verlag weitergereicht zu werden – diese Endlosschleife hätte mir Angst gemacht. Trotzdem ist es mir un­begreiflich, dass Verlage nicht die Chance nutzen, sich den Nachwuchs heranzuziehen. Zum Teil gibt es noch nicht einmal Ausbildungspläne, das ist peinlich. Ein Wermutstropfen im Buchhandel: Die Berufsschulklassen werden, nach allem was man so hört, oft mit den Einzelhändlern zusammengeführt, der buchhandelsspezifische Teil fällt dann hinten runter.

Wie läuft das Recruiting in einer kleinen Buchhandlung, Frau Lambeck? 

In einer kleinen Buchhandlung ist es extrem wichtig, dass die Chemie stimmt und die Mitarbeiter zueinanderpassen. Ich muss mir also vorher ein Bild von meinen zukünftigen Auszubildenden machen können. Wir nehmen sehr gern Schülerpraktikanten und manchmal ergibt sich etwas daraus – tatsächlich hat unsere jetzige Auszubildende ein Praktikum bei uns gemacht, eine andere Praktikantin beschäftigen wir mittlerweile als Aushilfe. Fürs Recruiting sind die Praktika also gar nicht schlecht. Das Arbeitsamt kann ich schon mal nicht fragen, die schicken mir nicht die richtigen Leute. In meiner kleinen Buchhandlung brauche ich Menschen, die sehr selbstständig arbeiten. Wenn Sie mich fragen, was in der buchhändlerischen Ausbildung besser werden muss, hätte ich die Antwort: die Berufsschulsituation. Überall schließen Fachklassen. Und der mediacampus frankfurt ist ja nicht für jeden die Lösung.

Wie gelingt Ausbildung heute, Herr Riethmüller?

Ausbildung gelingt in keinem Fall nur so nebenbei. Der größte Knackpunkt ist, dass die meisten Bewerber ein falsches Bild vom Beruf Buchhändler haben: Dass es im Buchhandel sehr stark ums Ver­kaufen geht und es auch ein körperlich anstrengender Beruf ist, das sehen zu diesem Zeitpunkt noch die wenigsten. Generell: Unsere Auszubildenden sind für uns ein großer Gewinn. Sie bringen mit ihrem Know-how und ihren Interessen neue Dynamik ins Unternehmen. Davon profitieren wir und versuchen deshalb umgekehrt, ihnen so viel wie möglich auch wieder zurückzugeben – indem wir sie vom ersten Tag an als Kollegen betrachten und, vor allem, intensiv betreuen. Allein in den ersten vier Monaten, also in der Probezeit, führen wir mit jedem drei Entwicklungsgespräche. Diese Maßnahme ist sehr wirksam: Wir haben kaum Abbrecher. Von den 20 Auszubildenden, die 2015 angefangen haben, sind noch alle da. Insgesamt haben wir im Moment 71 Auszubildende, von denen die meisten auch bleiben werden: In den vergangenen Jahren lag die Übernahmequote immer bei etwa 75 Prozent. Wichtig ist dafür sicher auch, dass ich mich mit den Ausbildern in den Filialen regelmäßig austausche und es, in der Regel jährlich, zentral einen Ausbildertag für alle gibt.

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Woran erkennen Sie, wer für welche Aufgaben besonders geeignet ist, Herr Liebsch?

Unsere anderthalbjährigen Volontariate verlaufen nach dreistufigen Ausbildungsplänen, die es ermöglichen, die besonderen Neigungen, Kenntnisse und Fähigkeiten der Volontäre zu erfahren und sie so bestmöglich einzusetzen. In der Einführungsphase im ersten Halbjahr lernen unsere Volontäre die ein­zelnen Aufgabenbereiche der Stelle kennen und werden in der Ausführung aller anfallenden Auf­gaben unterwiesen, sodass sie die erworbenen Kenntnisse unter Anleitung unmittelbar selbst in der Praxis umsetzen können. In der folgenden Erfahrungsphase im zwiten Halbjahr führen die Volontäre selbst­ständig alle Aufgaben der Stelle aus und erwerben so berufsspezifische Erfahrungen. In der abschließenden Spezialisierungsphase werden unsere Volontäre mit der eigenverantwortlichen Ausfüh­rung spezifischer Aufgaben be­traut und erwerben so tiefere Kenntnisse und fundierte Erfah­rungen in einem oder mehreren Aufgabenbereichen der Stelle.

(Frank Liebsch ist kaufmännischer Leiter und Personalverantwortlicher des Gmeiner Verlags)

Braucht es besondere Maßnahmen, um geeignete Auszubildende für einen Verlag auszuwählen – oder reicht ein Gespräch, Frau Timm? 

Wir sind in der komfortablen Situation, dass wir unsere Ausbildungsstellen nicht ausschreiben müssen, wir bekommen viele Initiativ­bewerbungen. Eigentlich bewerben sich bei uns fast nur Abiturienten, wenn sich doch einmal ein Bewerber mit Realschul­abschluss meldet, sind die Noten in Deutsch und Mathe meistens zu schlecht. Sechs bis sieben Bewerber laden wir zu einem eintägigen Assessment Center ein. Früher haben wir nur einstündige Gespräche geführt, aber die jungen Menschen, die gerade erst von der Schule kommen, sind oft schüchtern, im Assessment Center haben sie mehr Zeit, sich zu zeigen. Die Aufgaben, die wir ihnen stellen, sind nah an der Arbeitsrealität: Sie wählen zum Beispiel per Gruppendiskussion ein Cover aus und begründen die Entscheidung, beziehen nach der Lektüre eines Artikels Stellung zu aktuellen Themen und schreiben einen Klappentext. Am Nachmittag finden Einzelgespräche statt, während die anderen Teilnehmer in der Gruppe arbeiten. Zeitweilig nehmen auch unsere Auszubildenden teil, beim Mittagessen zum Beispiel, die Bewerber werden dann lockerer. Mit diesem Verfahren haben wir gute Erfahrungen gemacht: Wir erkennen Teamdynamiken und "Alphatiere" schnell, sehen, wer welche Rolle einnimmt. Und wer zu uns passt. Vielleicht haben wir wegen dieser Art der Auswahl auch keine Ausbildungs­abbrecher bei uns.

Wonach suchen Sie ihre Auszubildenden aus, Frau Rosso?

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(Anna Rosso, Personal- und Organisationsentwicklung der Ullstein Buchverlage in Berlin)

Warum bilden Sie gern ältere Quereinsteiger aus, Frau Kiesecker?
 
Quereinsteiger stehen selbstbewusst im Leben, haben oft schon gearbeitet und dem Kunden gegen­über ein anderes Auftreten. Wenn sie ihre Erfahrungen einbringen dürfen, sind sie eine echte Bereicherung. Als gelernte Köchin bin ich selbst eine Seiteneinsteigerin im Buchhandel und deshalb vielleicht offener für Menschen mit "gebrochenen" Lebensläufen – zumal sich bei uns selten Abiturienten frisch von der Schulbank bewerben. Unsere aktuelle Auszubildende hat ihr Studium abgebrochen, danach gejobbt und ist jetzt sehr glücklich mit ihrer Buchhändlerlehre. Bevor wir uns für einen Azubi ent­scheiden, kommt er zum Probearbeiten, bis ihn alle Kollegen einmal kennen­gelernt haben. Wir achten auf die Stärken und Schwächen im Team und können unsere Azubis durch das familiäre Klima auch bei einem Motivationstief bei der Stange halten. Und ganz ehrlich: Berufswechsel werden unser aller Zukunft sein. Wer macht heute noch sein Leben lang denselben Job?