Was gute Managementratgeber ausmacht

Lieber klug zweifeln

1. März 2018
von Börsenblatt
Heinz Jiranek kann vielen Managementratgebern nichts abgewinnen, weil sie zu einfach gestrickt sind. Der Diplom-Psychologe plädiert für kritische Lektüre.

Es war harter Tobak, den das Magazin "managerSeminare" seinen Lesern in der Januar-Ausgabe servierte. Unter dem Titel "Schlauer lesen" knöpft sich der Diplom-Psychologe Heinz Jiranek die "inhaltlichen Unzulänglichkeiten" der gängigen Managementliteratur vor. "Virtuosität in der Darbietung ist kein Garant für Seriosität des Dargebotenen", stellt Jiranek bei vielen klug klingenden, schneidig formulierten Business-Büchern fest.

Seine Problemliste ist lang. Angefangen bei der Stichprobe ("Wenn man Unternehmenserfolg untersucht, darf man nicht nur erfolgreiche Unternehmen untersuchen"), arbeitet er sich zu den "Sein-Sollen-Fehlschlüssen" vor, die vielen Best-Practice-Beispielen innewohnen: Aus zwei scheinbar kausalen Tatsachen wird eine falsche Regel fürs Unternehmen abgeleitet. Anekdoten findet er als gute Unterhaltung völlig in Ordnung, allerdings mag er es nicht, wenn die Geschichten als "Blaupausen für Erfolg verkauft werden".

"Man muss die Metapher am Ende wieder aus der Anekdote herausholen", sagt er im Gespräch mit dem Börsenblatt. Ein gelungenes Beispiel für ihn: Platon. Der hat bei seinem Höhlengleichnis die Bedeutung für unser aller Leben gleich mitgeliefert. "So eine Seriosität braucht es", erklärt Jiranek.

Das Wort taucht bei ihm immer wieder auf. Viele Management- und Business-Ratgeber sind für ihn in dieser Hinsicht unseriös. "Sie biedern sich in unlauterer Weise den Lesern an." Sie überhöhen mit extremen Lösungen und "machen Hoffnung und Versprechen, wo es nichts zu hoffen und zu versprechen gibt". Sie vermitteln einfache Kausalitäten ohne Erklärungen, wie man von A nach B kommt. Nach dem Motto: "Wenn Sie Hürdenläufer werden wollen, springen Sie doch einfach über die Hürden. Mich ärgert so etwas." So schreibt es Jiranek in seinem eigenen Buch "Klug zweifeln. Weil der zweite Gedanke oft der bessere ist" (BusinessVillage, 342 S., 24,95 Euro). Ein Management-Ratgeber? Das macht ihn zum Verdächtigen ...

Er lacht. Er will doch nur konstruktiv sein – und wünscht sich weniger "Häppchen-Haltung" von den Autoren, weniger "intellektuelles Fast Food". Dass mit steigender Seriosität mitunter die Lesbarkeit leidet, ist ihm bewusst. "Wenn man sehr seriös ist, kann es sehr schnell langweilig werden, anstrengend, abtörnend." Trotzdem ist er der Meinung, dass sich Gedanken nur bedingt vereinfachen lassen. Man müsse als Leser Geduld mitbringen. Doch die sei gerade bei Managern oft nicht vorhanden: Eingespannt von früh bis spät, gebe es bei vielen die "Sehnsucht nach einer einfachen Lösung".

Wie fundiert ein Managementratgeber ist, lässt sich aus ­Jiraneks Sicht anhand von fünf Kriterien erkennen:

  • Beschreibungen werden nicht als Lösungen verkauft.
  • Die Frage der Umsetzung wird von vornherein diskutiert.
  • Umsetzungswege werden aufgezeigt.
  • Die logische Herleitung der Schlussfolgerungen wird transparent gemacht – also, unter welchen Bedingungen diese oder jene Handlung von Führungskräften sinnvoll sein kann.
  • Die Belastbarkeit der Daten wird deutlich gemacht.


"Lesen entbindet nicht vom Selberdenken", schließt Jiranek seinen Beitrag. Er empfiehlt den kritischen Konsum der Ratgeber, von denen jährlich Tausende neu erscheinen. Mit Zweifeln und Abgrenzung gewinne man Sicherheit und Wissen. Auf diese Weise könne "selbst ein drittklassiges Buch erstklassige Gedanken auslösen".