Weltbild

Kraftprobe in Augsburg

26. Mai 2015
von Börsenblatt
Mitte April protestierten Weltbild-Mitarbeiter vorm Arbeitsgericht Augsburg gegen Stellenabbau und für die Einhaltung der von Droege geschlossenen Verträge, die die Prüfung von Kurzarbeit und andere Instrumentarien vorsehe.

Vor sieben Monaten schien alles gut zu werden: Endlich hatte Weltbild-Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz in der Droege Group einen finanzstarken Investor gefunden. Die Mitarbeiter zeigten sich erleichtert, sollte doch der Konzern nach den Plänen von Geiwitz, für den der Betriebsrat viele lobende Worte fand, als Ganzes erhalten bleiben.

Ein halbes Jahr später ist von der Hoffnung auf Revitalisierung ebensowenig übrig geblieben wie von Geiwitz’ Konzept Weltbild 2.0. »Wir wurden von vorne bis hinten belogen«, donnerte der Betriebsrat schon im November, Droege plane gar keine langfristigen Investitionen, sondern 200 Entlassungen. Droege entgegnete, dass die Anpassungen der Pläne notwendig seien, weil die Istzahlen der Monate Juli bis September 2014 »signifikant« von den Plänen abgewichen seien. Die neue Weltbild-Geschäftsführung verkündete, dass konkrete Angaben zum Ausmaß der Personalkürzung aufgrund der laufenden Verhandlungen nicht möglich seien.

Seitdem hält sich die Geschäftsführung mit Informationen zum strategischen Umbau zurück – unter dem Hinweis auf  Vertraulichkeit. Auf Anfragen von außen reagiert sie mit schweigsamer Zurückhaltung, intern scheint es allerdings ähnlich auszusehen: »Die Geschäftsführung spricht ja nicht mit uns«, meint Timm Boßmann, Vorsitzender des Konzern­betriebsrats von Weltbild. Er sieht nach dem Abbau von rund 600 Stellen im Zuge der Insolvenz 300 weitere Stellen in der Also Logistik und der Augsburger Weltbild-Gruppe-Zentrale in Gefahr. Dass Stellen abgebaut werden, steht außer Frage, aber die interne Kommunikation scheint nicht zu funktionieren. Schon darüber, ob sich Geschäftsführer und Betriebsräte über die Sanierung austauschen oder ob sie bereits verhandeln, gibt es unterschiedliche Auffassungen.
Aus Sicht der Geschäftsführung gingen Verhandlungen am 9. und 10. März über Betriebsänderung und Personalabbau mit »nicht überbrückbaren Standpunkten« zu Ende – weshalb die Weltbild-Gruppe und Also Deutschland (die zu Droege International gehörende Also Deutschland GmbH hat im September die Weltbild-Logistikaktivitäten erworben) am 31. März beim Arbeitsgericht Augsburg die Einsetzung einer Einigungsstelle beantragt haben. Egal, wem Justizia Recht gibt: Die jeweils andere Seite wird beim Landesarbeitsgericht München als nächsthöherer Instanz in Berufung gehen.

»In zehn Informationsterminen seit Herbst 2014 hat die Geschäftsführung gemeinsam mit den Bereichsleitern ihr Zukunftskonzept, die Unternehmensstrategie und die Mittelfristplanung für Weltbild umfänglich und detailliert vorgestellt. Alle Fragen des Betriebsrats wurden umfassend beantwortet«, berichtet Weltbild-Sprecherin Eva Großkinsky. Das sieht die Arbeitnehmerseite anders: »Verhandlungen haben noch gar keine stattgefunden. Uns fehlt immer noch ein tragfähiges Konzept der Geschäftsführung zur Zukunft von Weltbild, egal ob es Weltbild 2.0 oder anders heißt«, widerspricht Weltbild-Betriebsratsvorsitzender Peter Fitz der Darstellung der Geschäftsführung: »Bisher sieht es leider so aus, dass erst über Entlassungen geredet wird und nicht über die Ausrichtung des Unternehmens und die Verzahnung der Abteilungen.« Was bedeuten würde, dass es formal noch keinen Anlass für eine Einigungsstelle gäbe. Offensichtlich ist die Ausgangssituation nicht einfach: Das Arbeitsgericht hat am 15. April beide Seiten angehört; eine Entscheidung soll nach Redaktionsschluss am 22. April bekannt gegeben werden (tagesaktuelle Details auf boersenblatt.net).

Weltbild-Gruppe unter Zugzwang 
»Jeder Tag ohne ­Einigung bremst die Neuausrichtung«, so die Geschäftsführung, die den Interessenausgleich via Schiedsspruch einer ­Einigungsstelle forciert. Rein rechnerisch sollen 593 Vollzeitstellen (ohne Also Logistik) erhalten bleiben, wie Weltbild mitteilt – das entspricht, wenn man die Teilzeitstellen berücksichtigt, 1 310 Mitarbeitern. Derzeit sind 1 372 Menschen bei Weltbild beschäftigt. Damit stehen unter dem Strich jetzt noch 60 Arbeitsplätze zur Disposition – weil sich manch weitere Kündigung offenbar durch Fluktuation erledigt hat. Nach Betriebsratsangaben sollen zahlreiche Weltbild-Mitarbeiter in andere Unternehmen gewechselt sein, da »der Kurs der Geschäftsführung wenig vertrauensfördernd sei«, so Peter Fitz.

Den Vorwurf des Betriebsrats, der Umsatz werde absichtlich nach unten gefahren, weist die Geschäftsführung von Weltbild »entschieden« zurück: »Das Ergebnis und nicht der Umsatz ist die entscheidende Größe für wirtschaftlich nachhaltigen Erfolg. Dass der eingeschlagene Kurs richtig und zukunftsfähig ist, bestätigen die aktuellen Ergebnisse, die über Plan liegen«, teilt Sprecherin Eva Großkinsky mit. Timm Boßmann vom Konzernbetriebsrat hatte die Kürzung des Werbebudgets um 37 Prozent seit Droeges Übernahme in Relation zu Umsatz­einbußen von 36 Prozent gestellt, und auch Betriebsratsvorsitzender Peter Fitz wunderte sich über den Plan, künftig weniger Umsatz erwirtschaften zu wollen: »Kaufmännisch kann ich das nicht verstehen.«

Euler Hermes kündigt 
Not amused soll Ex-Insolvenzverwalter und Minderheitsgesellschafter Arndt Geiwitz über solches Agieren sein, wie zu hören ist. Da er auf Mitarbeiterseite noch größeres Vertrauen genießt, versucht er, die Kontrahenten zu versöhnen. An Zahlungsprobleme bei der Weltbild-Gruppe oder Also glaubt er der »Süddeutschen Zeitung« zufolge nicht: »Als Minderheitsgesellschafter hätte ich davon erfahren.« Dass der Warenkreditversicherer Euler Hermes Mitte März seine Verträge mit Weltbild gekündigt hat, dürfte ihm jedoch nicht gefallen. Der Betriebsrat selbst hat von der Kündigung erst über Lieferanten erfahren. Während des gesamten Insolvenzverfahrens sei Euler Hermes von der Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit Weltbilds überzeugt und vor allem ein zuverlässiger Geschäftspartner gewesen, so die Arbeitnehmervertretung, die der Geschäftsführung ungeschicktes Agieren vorwirft.

Wenn die Versicherung nicht länger garantiere, dass Lieferanten auch bei finanziellen Engpässen ihr Geld bekommen, müsse Weltbild Ware künftig vor Lieferung bezahlen, befürchtet die Mitarbeitervertretung. Damit könnten bis zu vier Wochen ins Land gehen, bis Produkte wieder im Laden verfügbar seien. Weltbild-Sprecherin Großkinsky dagegen dementiert, »dass Weltbild Ware nur noch gegen Vorauskasse beziehen kann«, wobei die Betonung auf »nur« liegt. »Das Thema ist zwischen uns und unseren Geschäftspartnern sowie Lieferanten bekannt und bereits erfolgreich in Bearbeitung. Wir haben mit jedem Lieferanten eine gute Lösung gefunden, um diese Übergangsphase gemeinsam zu gestalten«, so Großkinsky.

Mindestens ebenso entscheidend wie die Belieferung scheint für den Neustart jedoch das Klima zu sein. Dass der Betriebsrat über seine Anwälte versucht, die Geschäftsführung zur Herausgabe von Konzepten zu zwingen, zeigt, dass das vor einem halben Jahr noch bestehende Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstört ist. Arndt Geiwitz dürfte alle Hände voll zu tun haben.