Welttag des Buches

Joerg Pfuhl: "Viele schlaue Details"

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Der Welttag des Buches schlägt neue Seiten auf: Die Schenk-Aktion "Lesefreunde" macht den 23. April auch zu einem Fest für Erwachsene. Joerg Pfuhl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Lesen, über eine britische Idee, die jetzt Deutschland erobern soll.

Bei den "Lesefreunden" steht die World Book Night aus Großbritannien Pate. Was macht den Charme des Modells aus?

Pfuhl: Ich gestehe, wir kopieren die britische Idee ziemlich schamlos - aber mit Genehmigung. Wir haben schon lange nach einer bundesweiten Kampagne gesucht, die erwachsene Leser anspricht, und dazu ist unseren britischen Kollegen mit der World Book Night ein geniales Empfehlungs-Konzept mit sehr schlauen Details eingefallen. 

Die da wären?

Pfuhl: Dazu gehört, dass die Bücher von den Lesern selbst verschenkt werden, die ihre Begeisterung mit Freunden und Unbekannten, bevorzugt mit Nichtlesern, teilen wollen. In Deutschland werden die ersten 33.333 Leser, die sich für die Aktion registrieren, aus 25 attraktiven Büchern auswählen können - und 30 kostenlose Exemplare von einem Buch in ihrem Umkreis verteilen. Abgeholt werden die Buchpakete im Buchhandel und in Bibliotheken.

Soviele Bücher zu verschenken statt zu verkaufen: Kann die Branche das wollen?

Pfuhl: Wir alle wollen natürlich am liebsten Bücher verkaufen. Im Mittelpunkt des Welttags steht die Leseförderung, die Aufmerksamkeit für das Buch. Und die ist, wie die Premiere in Großbritannien 2011 gezeigt hat, mit einem solchen Projekt zu bekommen. Netter Nebeneffekt: Die verschenkten Titel und Autoren konnten ihren Absatz nach der World Book Night durch die hohe öffentliche Aufmerksamkeit z.T. deutlich steigern. Auch die USA greifen die World Book Night in diesem Jahr auf - und für 2013 sind weitere Länder an dem Konzept interessiert. Dieser internationale Ansatz macht die Sache natürlich noch spannender.

Welche Rolle spielt der Buchhandel?

Pfuhl: Zum einen holen die 33.333 registrierten Lesefreunde ihre Buchpakete hier ab, in der Buchhandlung ihrer Wahl. Zum anderen kann der Buchhandel, für den die gesamte Aktion kostenlos ist, mit Büchertischen und eigenen Ideen nachlegen. Die Geschenk-Edition selbst ist limitiert - aber die Titel der Liste sind ja allesamt lieferbar. Wir hoffen, dass die Aktion zum Multiplikator für die Titel und Autoren wird, die auf der Auswahlliste stehen  und für das Buch und das Lesen insgesamt. Verlage, Autoren, Buchhandel: Letztlich profitieren alle von dem Konzept.

20 Verlage sitzen beim Start mit im Boot und nehmen fünfstellige Summen in die Hand. Wie haben Sie das geschafft?

Pfuhl: Für Brancheninsider ist das in der Tat eine kleine Sensation. Viele haben sich von der Idee begeistern lassen, auch die Autoren, die auf ihr Honorar verzichten. Gemeinsam wollen wir das ganz große Rad drehen. Die Kosten für die Verlage bewegen sich dabei immer noch weit unter dem Marketingetat für einen Bestseller.

Wie ist die Auswahl der 25 Bücher zustande gekommen?

Pfuhl: Das Ziel ist ja, für jeden Lesefreund ein passendes Buch anzubieten. Das heißt, der Mix muss stimmen: Krimis, Romane, internationale und deutsche Autoren. Wir haben dazu die Bestseller- und Bestenlisten der letzten Jahre konsultiert und Vorschläge von den Verlagen eingeholt. Die Koordination hat Rowohlt-Verleger Alexander Fest übernommen. Für 2013 könnten wir uns das britische Auswahlverfahren vorstellen: Da werden auch die Leser am Auswahlverfahren beteiligt; das war uns diesmal aus Zeitgründen nicht möglich.

Neben den Verlagen, die zwei Drittel der Kosten tragen, haben Sie weitere Sponsoren gewonnen - darunter die Deutsche Post, aber auch Thalia. Wird das den unabhängigen Buchhandel nicht verschrecken?

Pfuhl: Gerade die kleinen und mittleren Buchhandlungen haben in den vergangenen Jahren unglaublich viel für den Welttag getan. Das wissen alle Beteiligten. Aber für bundesweite, aufmerksamkeitsstarke Aktionen braucht man starke Partner, und ich freue mich sehr, dass Thalia diese Aktion mit hohem Engagement unterstützt. Dass ein führender Filialist die Aktion unterstützt, ist auch nicht ungewöhnlich: In Großbritannien und den USA gehören Waterstones und Barnes & Noble zu den Partnern. Deshalb nehmen sie anderen Buchhandlungen nichts weg, ermöglichen aber überhaupt das Zustandekommen einer solchen Aktion. Auf Verlagsseite ziehen bei dieser Initiative alle an einem Strang - das würde ich mir nun auch auf Handelsseite wünschen, damit wir gemeinsam einen maximalen Erfolg für das Lesen erzielen

Wer stemmt die Logistik?

Pfuhl: Mit Arvato haben wir einen starken Partner gefunden. Die Verlagsauslieferung VVA und der Druckdienstleister GGP Media in Pößneck haben ein innovatives Logistikkonzept unter dem Arvato-Dach erarbeitet. Es werden ja nicht nur Buchhandlungen, sondern auch Bibliotheken beliefert.


Was sagen Sie Verlagen, die diesmal nicht dabei sind - es im nächsten Jahr aber gerne wären?

Pfuhl: Wir sind offen für jeden. Idealerweise haben wir mehr Anwärter unter den Verlagen als Plätze auf der Liste. Und je größer der Erfolg in diesem Jahr ist - desto leichter wird der Funke im nächsten Jahr auf weitere Partner überspringen. Im Moment stecken auf allen Seiten viel unbezahlte Arbeit, viel freiwilliger Einsatz in dem Projekt. Für 2013 brauchen wir dann klare Strukturen, um das Konzept auf eine dauerhafte Basis zu heben.


Sie stellen das Paket am Donnerstag auf der AG Publikumsverlage vor. Was ist Ihre Kernbotschaft an die Verleger?

Pfuhl: Dass Leseförderung nicht Kür, sondern Pflicht ist. 45 Prozent der Deutschen kaufen keine Bücher, 25 Prozent lesen nicht. Unser Potenzial ist noch lange nicht erschöpft. Aber bis Donnerstag denke ich im Moment ehrlich gesagt noch gar nicht: Beim Welttag des Buches arbeiten wir alle im Moment nach dem Feuerwehrprinzip: Das größte Feuer zuerst. Von der Idee bis zum offiziellen Start haben wir gerade mal acht Wochen Zeit gehabt.

Was ist der größte Einsatz, der im Moment ansteht?

Pfuhl: Jetzt müssen wir Kommunikations- und Aufbauarbeit bei den Lesern leisten. Wir werden die Aktion über die Medien, über Twitter und Facebook bekannt machen - schließlich müssen die Menschen davon erfahren, dass es 33.333 Buchpakete und eine Million Bücher zu verschenken gibt. Und dass sie sich ab sofort dafür registrieren können. Jeder Link, den Verlage oder Buchhandlungen auf ihrer Website und ihren Social-Media Auftritten setzen, hilft uns da ein Stück weiter. Wir hoffen auf viel Unterstützung!

Die Aktion "Lesefreunde"

  • Konzept: Ab sofort können sich Leser online für die Aktion registrieren. Die ersten 33.333 "Lesefreunde" wählen aus 25 Titeln ein Buch aus, das sie verschenken möchten - und holen ab Mitte April ein kostenloses Buchpaket mit 30 Exemplaren in der Buchhandlung oder Bibliothek ihrer Wahl ab.
  • Zielgruppe: Erwachsene Leser
  • Partner: Stiftung Lesen, Börsenverein und 20 beteiligte Verlage, darunter Aufbau, Heyne, S. Fischer, Hanser, Piper, Suhrkamp und Kunstmann.
  • Buchhandel: Das Sortiment kann sich online als "Abholort" registrieren - und die Aktion mit Büchertischen und eigenen Ideen begleiten.
  • Finale: Eine "Weltnacht des Buches" am 23. April in Hamburg, mit viel Prominenz und unter dem Motto "Fest der Lesefreunde".
  • Vorbild: Die World Book Night in Großbritannien, die 2011 zum ersten Mal stattgefunden hat und in diesem Jahr nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA aufgegriffen wird. Alle drei Länder feiern am 23. April ihr großes Abschlussfest - obwohl die Briten den Tag des Buches traditionell in der ersten Märzwoche begehen.