Werner Tiki Küstenmacher über die Freuden der Provinz

"Großstädte sind furchtbar schwierig"

16. Juli 2015
von Börsenblatt
"Limbi"-Autor Werner Tiki Küstenmacher ist "Coverboy" der Campus-Herbstvorschau. Wie ihm das gefällt, was er an der Provinz liebt und warum es ihn immer wieder auf die Buchhandelsbühne treibt: boersenblatt.net traf den Autor zum Gespräch.

Sie haben schon mehr als 100 Bücher veröffentlicht, sind überall bekannt – und gehen mit „Limbi“ trotzdem wieder auf Lesereise.
Ich bin eigentlich permanent auf Lesereise, weil es, Gott sei Dank, immer Buchhandlungen gibt, die mich wollen. Bei „Limbi“ ist es sogar so, dass das Buch, die Idee dazu, bei meinen „Simplify your Life“-Vorträgen entstanden ist. Und ich habe den „Limbi“ auch schon in den vergangenen zwei Jahren bei Lesungen praktisch ausprobiert.

Ihre Reiseroute führt Sie diesmal in auffällig viele kleinere Orte. Ein Zufall?
Nein, ich liebe das. Es gibt unglaublich engagierte Buchhandlungen, wo ich dann jedes Mal staune: Das sind tatsächlich Kulturzentren. Die erste offizielle Lesung, bei der das „Limbi“-Buch auch verkauft wurde, fand in einem kleinen Ort an der Grenze zur Schweiz statt – mit 200 Leuten! Ich glaube, jeder Dritte hat ein Buch gekauft. Dann war ich in Alzenau, in der Nähe von Frankfurt. Da kamen 120 oder 130 Leute, und am Ende hatten wir 60 Bücher verkauft. Das ist sensationell!

Und in Großstädten anders?
Wenn man als Autor zum Beispiel in Berlin eine Lesung hat, kann man sich bedanken, wenn 40 oder 50 Leute kommen. Großstädte sind furchtbar schwierig.

Ist das der Grund, warum es Sie so oft in die kleineren Läden zieht?
Dass ich eine so große Liebe zum Buchhandel habe, liegt auch daran, dass mein Großvater Buchhändler war – am Gendarmenmarkt in Berlin. Er hatte seine Buchhandlung in der Lotterie gewonnen.

Gewonnen?
Naja, ja. Mein Großvater, 1850 geboren, war Buchhändler in Berlin. Und konnte, als er etwa 40 war, eine Buchhandlung kaufen – weil seine Schwester im Lotto gewonnen hatte und sie ihm anbot: Gustav, ich gebe dir das Geld, dann kannst Du Dich selbstständig machen, aber dafür musst Du mich beherbergen. Tante Augusta hat immer bei Gustav gewohnt.

Gibt es die Buchhandlung noch?
Bis vor fünf oder sechs Jahren gab es tatsächlich eine Buchhandlung in dem Haus.

Wie lange gehen Sie mit „Limbi“ auf Tour?
Mit Campus habe ich abgemacht, dass ich 40 Buchhandlungen besuche.  Ich bin aber sicher, wenn ich die 40 abgehakt habe, geht es trotzdem weiter. Es ist wunderschön, auch weil die Leute, die zu Lesungen in Buchhandlungen kommen, immer interessiert sind. Von allen Vortragsarten, die ich kenne, sind Lesungen in Buchhandlungen das Beste.

Buchhändler kennen das Limbische System von Marktforschern und Marketingberatern. Werden auch Sie von ihnen jetzt manchmal um Rat gefragt?
Das machen leider nur wenige. Manchmal gebe ich aber ungefragt Ratschläge. Was mir in Buchhandlungen immer wieder auffällt, ist zum Beispiel das Licht. Kleinere Buchhandlungen sind oft zu funzlig, dabei gibt es LED-Lampen. Da muss man einfach investieren, sagen: Ich kaufe die stärksten LED-Lampen, die es gibt, damit Bücher gut beleuchtet werden. Wenn man als Buchhändler trübe Neonfunzeln hat … das turnt Kunden furchtbar ab.

Campus muss sparen und umstrukturieren. Freut es Sie, mit „Limbi“  vielleicht dazu beitragen zu können, dass der Verlag wieder flott wird?
Riesig. Absolut. Das freut mich riesig.

In der Buchbranche ist viel in Bewegung. Beobachten Sie die Veränderungen?
Im Limbischen System sitzt auch die Amygdala, die für unser Angst verantwortlich ist. Und Angst ist etwas Furchtbares, kann lähmen. Das heißt: Sobald eine Branche zu viel Schiss bekommt, blockiert sie sich selbst. Aber das beobachte ich in der deutschen Buchszene nicht. Manchmal spricht man sich ein bisschen sehr bewusst Mut zu. Die Verkaufszahlen gehen aber schon zurück: Man landet heute mit deutlich weniger Auflage in der Bestsellerliste. Insgesamt habe ich dennoch nicht den Eindruck, dass Krise ist. Das Medium Buch wird in jedem Fall bleiben, auch weil es eben so schön limbisch ist, weil es duftet, weil man es anfassen kann. Und dann werden andere, digitale Formen dazukommen. Das wird sich gut ergänzen, wenn man ein kluges Miteinander findet. 

Wie sehen Sie Ihre Zukunft als Autor?
Autoren wir mir geht es wie Musikern: Wir müssen live spielen. Ich merke, wenn ich keine Vorträge halte, wenn ich nicht zu den Menschen gehe, dann würde es sehr schnell zurückgehen. Und da ist der aktive Buchhandel, der Veranstaltungen macht, ein ganz ganz wichtiger Faktor. Ein Verlag ohne Buchhandel, ein Verlag ohne Autoren – das funktioniert nicht.