Wie Buchmessen mit rechten Verlagen umgehen

Buchmesse-Positionen

7. Dezember 2017
von Holger Heimann
Für den Umgang mit rechten Ausstellern gibt es kein Patentrezept. Tolerieren, aber zugleich Haltung zeigen will Oliver Zille in Leipzig. Maria Källsson in Göteborg erlebte den Worst Case: Messeboykott und Triumph der Rechten. Update: Richtigstellung zum Compact Verlag / Compact Magazin Verlag

Ende November hat sich der Chef der Leipziger Buchmesse, Oliver Zille, mit zwei Berliner Verlegern der Initiative #verlagegegenrechts getroffen. Zoë Beck von Culturbooks und Jörg Sundermeier vom Verbrecher Verlag waren eigens nach Leipzig gereist, um mit Zille zu besprechen, wie sich dem Auftritt rechter Verlage auf der kommenden Buchmesse begegnen lässt. Die Messeorganisatoren arbeiten längst an entsprechenden Konzepten, und Unterstützer sind da willkommen. Das Verlagsbündnis will eine ganze Reihe von Veranstaltungen auf die Beine stellen, die für Weltoffenheit und Vielfalt werben.

Noch ist zwar offen, welche und wie viele Verlage, die dem rechten Spektrum zuzuordnen sind, sich in Leipzig präsentieren wollen. Aber für Zille ist klar, dass die Messe auch unliebsamen Ausstellern Platz bieten muss: "Buchmessen sind ein Spiegelbild der Gesellschaft. Wenn sich in der Gesellschaft Positionen zuspitzen, dann wird man das, und dann muss man das auf der Messe spüren. Das mag unbequem sein, aber ich halte es auch für eine große Chance, unterschiedliche Haltungen sichtbar zu machen und sich damit auseinanderzusetzen", meint Zille: "Wir haben nicht die letzte Antwort, wohin sich eine Gesellschaft entwickelt. Wir haben nur eine Antwort darauf, welche Richtungen von Menschen favorisiert werden."

Die Veränderung hat einen Namen: AfD. Der Erfolg der Partei bei den jüngsten Bundestagswahlen hat die Kräfteverhältnisse im Land verändert. Die Rechtsnationalen sind zu einem maßgeblichen politischen Akteur geworden. Das politische Klima ist ein anderes.

In Leipzig wird schon seit einigen Wochen eine hitzige Diskussion darüber geführt, ob das rechtsgerichtete Magazin "Compact" des Querfront-Manns Jürgen Elsässer abermals zur Messe zugelassen werden soll. Zille ist entschieden dafür. Er sagt: "Auf der Buchmesse kann jeder seine Meinung im Rahmen der Gesetze äußern. Wir werden auch in Zukunft mit Provokationen leben müssen und auch mit Reaktionen auf Provokationen."

Das sieht nicht jeder so. Die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat hat bereits im Oktober beantragt, dass die Stadtverwaltung als Gesellschafter der Leipziger Messe GmbH darauf hinwirken soll, "dass extrem rechten und rechtspopulistischen Verlagen bei der jährlich stattfindenden Buchmesse keine Teilnahme als Aussteller und Veranstalter mehr ermöglicht wird. Dies betrifft insbesondere die Compact Magazin GmbH*. Es gehe dabei nicht um Zensur und die Verhinderung von Meinungsvielfalt, sondern im Gegenteil "um die Bewahrung eines Raums, in dem Meinungen frei – ohne Hass, Bedrohung und Gewalt – ausgetauscht werden können", sagt Juliana Nagel, Politikerin der Linken.

* Richtigstellung: Fälschlicherweise war hier vom Compact-Verlag die Rede. Der Text bezieht sich aber auf die Compact Magazin GmbH. Der Compact Verlag ist ein Sprachen und Kinderbuchverlag aus München ist, der mit dem Compact Magazin der Compact Magazin GmbH nichts zu tun hat. "Wir distanzieren uns von den Publikationen und Machenschaften der Compact Magazin GmbH und verstehen uns als weltoffener Bildungsverlag", teilte die Geschäftsführerin Imke Junack mit.

Doch Zille hält dagegen: "Die Messe ist ein öffentlicher Raum. Wir müssen aushalten, dass Meinungen hart an der Grenze der Gesetze sind und diese manchmal überschreiten. Es werden Veranstaltungen stattfinden, die nicht jedem Besucher gefallen, und es wird Proteste geben." Störungen im Messeablauf sind mithin einkalkuliert. "Das ist eine sehr herausfordernde Aufgabe. Wir werden sie nie ganz bewältigen, uns einer Lösung immer nur annähern können", meint Oliver Zille.

Es gibt aber auch ein Szenario, das der Schrecken jeder Messe ist: eine Konfrontation, die dazu führt, dass die Besucher wegbleiben. Bei der Buchmesse Göteborg wurde dieses Szenario im September Wirklichkeit. Stein des Anstoßes war die rechte Zeitschrift "Nya Tider" ("Neue Zeiten"), die enge Verbindungen zur Nordischen Widerstandsbewegung unterhält – derzeit die aktivste skandinavische Neonazigruppe. Rund 300 Autoren, darunter der Schriftsteller Aris Fioretos und der Historiker Peter Englund, boykottierten die größte skandinavische Buchmesse, weil "Nya Tider" dort ausstellen durfte.

Doch das war erst der Anfang: Rund um das Göteborger Literaturhaus wurde ein alternatives Veranstaltungsprogramm etabliert. Ein Viertel der sonst üblichen 100.000 Besucher blieb der Messe fern – ein dramatischer Einbruch. So wenige Besucher waren es zuletzt Anfang der 90er Jahre.

Die zweitgrößte Stadt Schwedens wiederum wurde während der Buchmesse zum Aufmarschgebiet für Extremisten. Zwar konnte die Polizei größere Zusammenstöße zwischen Mitgliedern der Nordischen Widerstandsbewegung und linken Gegendemonstranten verhindern. Das Bild der gewaltbereiten Meute prägte sich trotzdem ein. "Die Stadt rund um die Messe sah aus wie ein Kriegsgebiet", sagt Maria Källsson.

Die Göteborger Buchmessedirektorin wurde vehement für ­einen "naiven Umgang mit Nazis" kritisiert. Källsson verteidigt ihre Entscheidung allerdings bis heute: "Wir können rechts­extreme Austeller von der Messe ausschließen, aber wir können sie nicht aus der Gesellschaft verbannen. Es sind Stimmen, die hörbar sind, egal, ob uns das gefällt oder nicht."

Doch Källsson sagt auch: "Die Entwicklungen, die das nach sich gezogen hat, den Aufmarsch der Nordischen Widerstandsbewegung – das konnten wir nicht mehr kontrollieren. Die Extremisten haben eine öffentliche Veranstaltung zu ihrem Vorteil genutzt. Das ist schlimm, aber es war nicht vorherzusehen."

Die Debatte darüber, ob die Entscheidung der Messeleitung richtig war, wurde in Schweden hart und immer unversöhnlicher geführt. Sie habe sich sehr einsam gefühlt, sagt Källsson: "Niemand vom Autoren- oder Verlegerverband ist aufgestanden, um die Buchmesse zu verteidigen. Ich habe getan, was ich tun konnte. Ich bin erschöpft." Maria Källsson hat Konsequenzen gezogen und ihren Abschied von der Buchmesse angekündigt, Mitte Dezember ist ihr letzter Arbeitstag.

"Diese traurigen Ereignisse wurden immer mehr komplett mit meiner Person verbunden. Wenn ich geblieben wäre, hätte das die Messe beschädigt", begründet sie ihren Entschluss. "Ohne mich kann die Buchmesse hoffentlich wieder das sein, was sie sein soll: eine Plattform für Aussteller und Autoren."

Sechseinhalb Jahre stand Källsson an der Spitze der Messe. Ab Ende des Jahres wird sie sich als CEO um die Entwicklung des Wirtschaftsklimas in Westschweden kümmern. Mit ­Büchern hat der neue Job nichts mehr zu tun. Zur nächsten Buchmesse in Göteborg will Maria Källsson trotzdem kommen. Sie wird dann lediglich Besucherin sein.

Börsenblatt Heft 49: Wie soll man mit rechtsextremen, antidemokratischen Meinungen umgehen, die einem im Berufsalltag begegnen? Die Meinungen in der Buchbranche darüber gehen auseinander. Grundsatzfragen müssen diskutiert werden: Was ist erlaubt? Was nicht? Eine faktenbasierte Orientierungshilfe bei der Suche nach Antworten und ein Stimmungsbild abseits der lautstark vorgetragenen Parolen bietet das aktuelle Börsenblatt mit dem Themenschwerpunkt "Rechts".