Wie Fachbuchhändler das nötige Spezialwissen erwerben

Wege zur Kompetenz

28. Juli 2016
von Börsenblatt
Ohne geschultes Personal sind juristische und wirtschaftliche Themen im Fachsortiment nicht zu vermitteln. Das nötige Spezialwissen erwerben angehende Buchhändler in Schulungen vor Ort, in Webinaren und – durch Learning by Doing.

Eine Buchhändlerausbildung ist umfassend, sie setzt Schwerpunkte im kaufmännischen Bereich, im Vertrieb und in der Präsentation. Tief gehende Kenntnisse zu komplexen Themen wie Steuern oder gar zur fortschreitenden Digitalisierung hingegen werden den zukünftigen Akteuren im Bucheinzelhandel naturgemäß nicht in die Wiege gelegt.

Das sieht auch Barbara Mahlke, Programmleiterin Recht und Beratung der Schweitzer Fachinformationen, so: "RWS ist ein beratungsintensives Segment. Sicherlich ist eine kaufmännische Ausbildung oder Buchhandelsausbildung von Vorteil, die Spezialisierung auf die juristischen Fachinformationen erfolgt dann im Alltag." Darüber hinaus sind "sämtliche sozialen Kompetenzen, die einen guten und aktiven Verkäufer auszeichnen" relevant: "Wichtig ist ein gewisses Interesse, bestenfalls eine Begeisterung, für das logische und systematische Arbeiten der Zielgruppe. Ein allgemeines Interesse an gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen bildet ja ohnehin die Grundvoraussetzung, um im Buchhandel zu arbeiten."

Für Michael Kozinowski, Inhaber der Buchhandlung Klaus v. Mackensen in Wuppertal-Elberfeld, erfordern die Fachbereiche Recht, Wirtschaft und Steuern so gründliche Beratung wie jede Fachbuchwarengruppe: "Gutes bibliografisches Können, rechtliche und steuerrechtliche Grundkenntnisse sowie Wissbegier sind hierbei nötige Kompetenzen."

Vom Buchhändler zum Dienstleister
Einen Schritt weiter denkt Hans Jürgen Richters, Geschäftsführer der Sack Mediengruppe in Köln: "Gerade bei RWS setzt ein Wandel ein – die Buchhändler werden zu Dienstleistern, ich sehe hier einen Strukturwandel hin zu deutlich mehr Beratungsintensität und Service."

Bei Mitarbeiterschulungen geht der Buchhandel unterschiedliche Wege. Viele Fachsortimente nutzen, wie die Buchhandlung v. Mackensen in Wuppertal, die Angebote der Fachverlage zur Weiterbildung. Die Mitarbeiterausbildung bei Schweitzer Fachinformationen dagegen erfolgt dezentral an den Standorten. Dazu Barbara Mahlke: "Wir unterstützen die Kollegen mit regelmäßig und immer wieder stattfindenden Onlineseminaren – beispielsweise zum Umgang mit und zur Präsentation neuer Onlinedatenbanken oder eigener Produkte, wie das Schweitzer Mediacenter." Standortübergreifende Workshops mit Kollegen aus den Fachabteilungen dienten dem Austausch und der Definition von Best Practice, so Mahlke. Auch bietet Schweitzer Fachinformationen regelmäßig Telefon- und Verkaufsschulungen. Die Auszubildenden werden einmal jährlich zur Azubi-Woche nach Berlin geladen.

"Die Titelkenntnis und die Bedeutung einzelner Werke lernen die Kollegen größtenteils an den Standorten, in den Ladengeschäften. Dort vor Ort wird der Unterschied zwischen Formularbuch, Handbuch und Kommentar immer noch am besten am 'lebenden Objekt' gelehrt und verstanden", erläutert Mahlke. Außerdem könnten dadurch regionale Schwerpunkte berücksichtigt werden, und das unmittelbare Kundenfeedback lehre wiederum, den Nutzen eines Buchs besser einzuschätzen. Bei Schweitzer glaubt man, dass so die beste Basis für eine verlagsunabhängige Beratung der Kunden entsteht.

Allerdings finden nach Mahlkes Aussage über 90 Prozent des Umsatzes nicht mehr in den Läden statt: "Das Geschäft hat sich in die Fachabteilungen Aboservice / Kundenservice, digitale Dienste sowie Vertrieb und Vertriebsinnendienst verlagert. Hier sind neben dem selbstverständlichen Umgang mit sämtlichen Office-Produkten eine hohe Kommunikationsfreudigkeit gegenüber unseren Kunden und eine verkaufsstarke Argumentation gefragt."

Lernen über Webinare – da ist die Schulungsstruktur der Sack Mediengruppe gar nicht so weit weg. Hans Jürgen Richters erläutert das Vorgehen des Fachmedienhändlers: "Zum Themenbereich Datenbanken haben wir beispielsweise in Köln im zentralen Datenbankteam Juristen eingestellt, die Webseminare für Mitarbeiter anbieten – einmal in der Woche für eine Stunde. Das geschieht praxisorientiert mit Lernbeispielen, auch mit aktuellen Themen." Die Sack Mediengruppe legt Wert darauf, dass die Mitarbeiter im Buchhandel vor Ort mit Kunden kompetent über Datenbankthemen sprechen können. "Man kann nicht erwarten, dass sie von jetzt auf sofort Kompetenzträger werden. Das ist eher ein konstantes und permanentes Learning by Doing", so Richters. Ziel sei es, dass die Mitarbeiter lernen, über die Produktpalette zu informieren, die Kunden aktiv auf Themen anzusprechen und ins Agieren zu kommen.

Digitale Kompetenz
Die Kenntnis neuer Medien und digitaler Produkte ist heute für jeden angehenden Fachbuchhändler unerlässlich: "Der alltägliche und spielerische Umgang mit digitalen Informationen, mit Social Networks und mobilen Endgeräten ist eine Voraussetzung, um in der zunehmend digitalisierten Welt der Fachinformationen Erfolg zu haben", weiß Barbara Mahlke. Dabei habe die Beratung der Kunden durchaus schon mal "First-Level-Support"-Qualität: Relevante Stichwörter seien hier Nutzerdaten-Anlage, Freischaltung oder Handhabung eines Tablets – all dies sollte gut von der Hand gehen. Die dafür erforderliche praktische Intelligenz werde zunehmend gefragt, so Mahlke. "Und es macht Freude zu sehen, wie nicht nur unsere Nachwuchsbuchhändler auf diesen Zug aufspringen." Sie sieht eine prinzipielle Strukturveränderung mit interessanten Chancen: "Neue Aufgaben werden an uns herangetragen: Wir mutieren vom einstigen Logistiker zum digitalen Dienstleister. Mit Onlineseminaren informieren wir regelmäßig über neue Angebote, und in gemeinsamen Vertriebs-Meetings werden die besten Herangehensweisen abgestimmt."

Die Relevanz der digitalen Kompetenz steht auch für Michael Kozinowski fest, er sieht aber zugleich die problematischen Aspekte: "Das ist ein weites Feld! Natürlich wird digitale Kompetenz nachgefragt, ist aber bei den vielfältigen Angeboten schwierig. Grundkenntnisse sind dabei bei den Mitarbeitern vorhanden." Die Buchhändler in Wuppertal wissen jedoch, wo sie sich Unterstützung holen können: "In den Verlagen kennen wir glücklicherweise Mitarbeitende, die uns bei Kundenanfragen schnell kundig machen." Fazit: Spezielles Fachwissen für RWS und herausragende digitale Kompetenz ist Buchhändlern nicht unbedingt von Beginn an mitgegeben, mittlerweile aber zwingend notwendig.