Wolfgang Hanstein über Vermarktungspotenziale

Lückenlos durchziehen

29. November 2016
von Börsenblatt
Bücher brauchen das Rampenlicht, die meisten aber bleiben unentdeckt im Schatten. Fachverlage sollten deshalb unbedingt ihre Vermarktungsstrategien überdenken, meint Onlinebuchhändler Wolfgang Hanfstein.

Dafür, dass "das Buch" seit Jahren regelmäßig für tot erklärt wird, ist es erstaunlich munter. Das liegt vor allem an den Lesern, die ihre Lust an zusammenhängenden Texten offensichtlich nicht verloren haben. Und es liegt daran, dass die Verlage es immer wieder verstehen, das Medium Buch so zu gestalten, dass die Leser darin einen Mehrwert gegenüber der kleinskalierten und teilautomatisierten Informationsaggregation im Internet sehen. Dennoch hat sich einiges verändert (und wird sich auch noch viel verändern).

Wer heute etwas wissen will, will es sofort wissen. Alles, was zählt, ist der "Moment of Need" – das gilt besonders für den beruflichen Kontext: Auf Informationen warten zu müssen, wird heute nicht mehr akzeptiert. Hier haben viele Verlage längst reagiert, indem sie ihren Firmenkunden Wissensdatenbanken und komplexe zielgruppenorientierte Informationssysteme anbieten. Buchhandlungen, die diese Entwicklung rechtzeitig erkannt und die nötigen Kontakte haben, bieten ihren Firmenkunden gebündelte Zugänge zu den Datenbanken der einzelnen Fachverlage an. Ganz klar ist hier die Entwicklung weg vom Buch, hin zur Information und zwar im besten Wortsinn multimedial.

Ist das Buch also doch tot? Offensichtlich nicht. Denn noch immer gilt das Buch als Ausweis für Expertise. Und noch immer hat das, was in einem Buch steht, Gewicht: Kaum eine Talkshow kommt ohne den Verweis auf ein Buch aus. Ein gutes Buch schafft es nach wie vor, neue Themen auf die gesellschaftspolitischen Agenden zu setzen und breite Diskussionen anzuregen. Allerdings schafft es nur ein Bruchteil dieser Bücher ins Rampenlicht – viele landen zu Unrecht viel zu schnell in der Versenkung. Deshalb gehört zur guten Buchidee heute auch die Buchvermarktungsidee. Mit ein paar Anzeigen in den einschlägigen Zeitungen ist es nicht mehr getan: Es gilt, das Netz als Verbündeten und nicht als Konkurrenten zu sehen.

Zwar betreiben immer mehr Verlage Influencer Marketing in sozialen Netzwerken, aber Standard ist das noch lange nicht. Vielleicht lohnt hier ein Blick auf die Strategien der Discounter, die mit YouTubern wie Bibi Heinicke (von Bibis Beauty Palace) Umsatzerfolge feiern. Dazu muss man Bibi natürlich erst mal kennen. Wo das Buch als unantastbares Leitmedium verehrt wird, ist diese Offenheit nicht immer da. Gleichzeitig verpasst man die Chance, das Internet für den Erfolg in der gedruckten Welt zu nutzen. 

Ein erfolgreiches Wirtschaftsbuch ist "Entdecken Sie Ihre Stärken jetzt" von Buckingham und Clifton (Campus) – es kann auch zur Strategieentwicklung im Bereich RWS dienen. Hintergrund des Buchs ist eine Studie, derzufolge es wesentlich effektiver ist, die Stärken von Mitarbeitern zu entwickeln, als deren Schwächen zu "bearbeiten". Für Verlage könnte das bedeuten, sich noch stärker auf die großen Themen zu konzentrieren, auf Megatrends statt auf Trends – und diese sauber auf hohem Niveau zu bearbeiten. Es bedeutet auch, von Anfang an die Vermarktung mitzudenken (falls es noch irgendwo Gräben zwischen Lektorat und Marketing gibt: bitte zuschütten, sofort). Für Buchhandlungen, auch stationäre, heißt das, den Kunden als Stöberer ernst zu nehmen. Wer gezielt ein Buch sucht, kauft online. Wer im Laden unterwegs ist, will ent­decken – dazu muss er aber die Buchhandlung kennen (hallo Twitter, hallo Facebook, hallo YouTube, hallo Instagram) – und er muss Angebote mit Mehrwert finden. Angebote, die ihm neue Welten eröffnen.