Workshop der Unabhängigen

Wo drückt der Schuh?

4. März 2017
von Stefan Hauck
40 Buchhändler und Verleger waren der Einladung von IGuS und IGuV gefolgt: Bei der „Ideenfabrik der Unabhängigen“ tauschten sie sich heute in Frankfurt höchst produktiv aus über den sinnvollen Einsatz von Werbung und über Missverständnisse zwischen den Sparten.

Einen ähnlichen Workshop hatten Sortimenter und Verleger bereits vor zwei Jahren auf dem Mediacampus in Seckbach gehalten und waren zu teils überraschenden Ergebnissen gekommen. Beim heutigen Treffen im Haus des Buches hatten Vertreter der Sprecherkreise der IG unabhängige Sortimente und der IG unabhängige Verlage zwar gezielt Themenkreise vorbereitet, die Teilnehmer sprachen aber spontan die Situationen an, wo der Schuh des öfteren drückt. „Genau das ist das Ziel dieses Tages“, hatte IGuS-Sprecherin Katrin Lutz zuvor umrissen, „den Alltag des anderen besser kennenlernen, mehr voneinander zu wissen – dann findet man für viele Probleme einfache Lösungen.“ Folgende Themen wurden letztlich näher beleuchtet:

Leseproben

Sie werden zwar gerne gesehen – „aber nicht 30 Seiten für ein Buch und nicht gleich 50 Exemplare. Da wandert bei uns die Hälfte in den Müll, so viel brauchen wir nicht“, machte nicht nur Hella Terjung von der Kölner Buchhandlung Baudach unmissverständlich klar. Nach den Erfahrungen der anwesenden Sortimenter werden die Leseproben fast nur im Kassenthekenbereich mitgenommen, wo der Platz naturgemäß sehr begrenzt ist. Wünschenswert wären Displays, in denen man Leseproben verschiedener Verlage anbieten könnte, damit sie nicht wild am Tresen herumliegen und „billig“ wirken. Seit kaum noch Tüten zum Einsatz kommen, gehen auch die Leseproben nicht mehr so gut weg, war sich Ursula Schüller von der Buchhandlung Sommer in Niedernhausen mit den Kolleginnen ebenso einig wie dass die Leseproben unbedingt ein Stempeleindruckeinfeld für die Buchhandlung haben müssen.

Auch wenn es letztlich schwer eruierbar ist: Die Meinung von Lisa Stöhr von der Büchergilde-Buchhandlung „Die Leseproben führen nicht dazu, dass gerade diese Titel gekauft werden“ teilten viele. Stöhr plädierte dafür, eher Heftchen mit Leseproben aus mehreren Büchern zu drucken. Zudem wunderten sich die Sortimenter, dass Leseproben vorwiegend zu just den Titeln produziert würden, die sowieso schon als Stapeltitel ausgewiesen seien – sprich: Bevor der Kunde die Leseprobe wahrnimmt, hat er bereits im Buch geblättert und es gekauft.

Sarah Reul vom Buchladen am Freiheitsplatz in Hanau wies auf eine Idee im facebook-Buchhandelstreff hin: „Leseproben zu einem Überraschungspaketchen zu bündeln und beim Bezahlen den Kunden zu fragen, ob er Lust auf die Überraschung hat – das läuft gut.“ Jochen Grieving von Transfer Bücher und Medien in Dortmund regte an, digitale Leseproben mit dem Marketing zu verknüpfen und sie mit gezielten Newslettern zu versenden.

Plakate

Immer noch werden die geknickten Plakate gebügelt, daran hat sich nichts geändert. Die Mehrheit der Buchhändler war jedoch der Ansicht, dass die wenigsten überhaupt für den Einsatz in der Buchhandlung brauchbar sind, was bereits beim übergroßen Format anfängt – die wenigsten Buchhandlungen haben große freie Wandflächen.

Über die Plakatmotive lässt sich immer streiten, aber Plakate, auf denen nur der Autor zu sehen ist, fanden wenig Zustimmung: „Sagen wir es mal vorsichtig so: Viele sind dem Verkauf nicht gerade förderlich“, formulierte Carina Hilbrandt unter kräftigem Kopfnicken der Kollegen. Derweil die Verleger schon bezifferten, wie viel Geld sie hier womöglich jährlich aus dem Fenster werfen, stand die Frage im Raum: Was tun mit den vielen Plakaten, die unaufgefordert in der Wanne liegen und nie zum Einsatz kommen? Sarah Reul wusste Abhilfe: „Bibliotheken sind da dankbare Abnehmer, die freuen sich immer.“

Werbebausteine online zur Verfügung stellen

Abhilfe aus der Kosten-Nutzen-Misere würde die Möglichkeit bieten, online einen Pool an Bildern zur Verfügung zu stellen, Cover, Autorenfotos, Presserezensionen etc., wie Jochen Grieving anregte. „Der Buchhändler könnte sich Entsprechendes von dort herunterladen, um ein Plakat oder eine Einladung zu gestalten und dann auszudrucken.“ Mindestens ebenso wichtig seien bewegte Bilder, forderte Sarah Reul, die auch als Bloggerin unterwegs ist. Uwe Sigismund vom Bendorfer Buchladen wollte die Homepages einbezogen wissen: „Für uns wären elektronische Banner in drei Größen hilfreich, die für den Online-Auftritt der Buchhandlungen verwendet werden können.“

Ein solcher Pool wäre Hella Terjung zu riesig: „Meine Erfahrung ist, ich rufe beim Verlag an und bekomme die gewünschten Fotos usw., da habe ich noch nie Probleme gehabt.“ Auch Jochen Grieving urteilte, dass gerade die Zusammenarbeit mit kleinen Verlagen ziemlich gut laufe.

Beginnen könnte jeder Verlag aber schon einmal selbst: Wie wäre es, wenn es auf der Verlagswebsite einen Button mit den Angeboten an Werbemitteln gäbe? fragte Patrizia Grab, Herstellerin im Rotpunktverlag. Ideal, befanden die Sortimenter, aber: Dieser Service sollte unbedingt in der Vorschau bekannt gemacht werden – von selbst suche man erst einmal nicht danach.

Was die Sortimenter im Zusammenhang mit den Werbemitteln durchgängig nervt: Wenn sie kein Interesse an einem Titel haben, weil es nicht ins Sortiment passt, weil sie nicht die Kunden dafür haben, möchten sie auch keine Werbemittel dazu unaufgefordert bekommen – an dieser Stelle wird Geld verbrannt.

Pressetexte und Lesungen

Eine Stelle, an der sich Sortimenter Unterstützung wünschen, ist das Formulieren von Pressetexten. Zum einen liegt es nicht jedem, zum anderen kostet es viel Zeit, wurde deutlich. Fertige Pressetexte für die Ankündigung von Lesungen oder Bausteine für solche Texte wären wünschenswert – „denn auch wenn es Spaß macht, dauert es schon, bis ein einigermaßen ansprechender Pressetext entsteht“, meinte nicht nur Katrin Schmidt von der Kirchzartener Bücherstube.

Auch über die Lesungen selbst wurde diskutiert. „Die Kunden wollen den Menschen hinter dem Text kennenlernen“, brachte es Rosemarie Reif-Ruppert von der Gostenhofer Buchhandlung in Nürnberg auf den Punkt – deswegen kommen sie.“ Immer weniger attraktiv seien Autoren, die nur vorlesen – das können die Kunden selber, so das Urteil der anwesenden Sortimenter. Was sich viele der kleineren unabhängigen Buchhändler wünschten: einen größeren Vorlauf bei der Bekanntgabe der Lesungstermine. Denn bis der Vertreter kommt und Termine nennt, sind die größeren Autorennamen schon ausgebucht – schade.

„Das Buch gibt’s nicht“

Kleinere Verlage kämpfen mit der Wahrnehmung und der Sichtbarkeit ihrer Bücher. „Wir bekommen von den Mitgliedern der IG unabhängige Verlage immer wieder gespiegelt, dass Buchhandlungen lediglich in ihre angeschlossenen Barsortimentskataloge gehen und dann dem Kunden sagen: Nein, das Buch gibt’s nicht – obwohl das Buch sehr wohl lieferbar ist“, sagte Sandra Thoms, Dyras-Verlegerin und IGuV-Sprecherin. „Das sind dann äußerst schlechte Buchhandlungen“, runzelte Michael Riethmüller von RavensBuch in Friedrichhafen und Ravensburg die Stirn. Selbst betriebswirtschaftlich unattraktive Titel für den Kunden zu besorgen, gehöre nunmal zum Selbstverständnis einer Buchhandlung, „das verbuchen wir eben unter Service“, fügte Katrin Lutz von BuchMeyer in Reinheim an. Verlegerin Ulrike Helmer merkte an, dass sich die Zwischenbuchhändler im Moment wieder verstärkt darum bemühen, ihre Titeltiefe zu vergrößern: „Die Barsortimente nehmen jetzt wieder alte Backlist-Ttel von uns auf, die auch wieder gut abfließen.“

Entgegen den Vorstellungen der Verleger bekräftigten die Buchhändler, dass Kleinsendungen beim Verlag für sie keine Option seien; sie lohnen nicht und werden übers Barsortiment bestellt. "Viele kleine Verlage verstehen auch nicht, dass sie eine anständige Auslieferung brauchen. Wenn wir keine 45 % Rabatt beim Verlag bekommen, fahren wir bei Barsortimenten mit Rückvergütung besser und die Titel sind am nächsten Tag da", konstatierte Michael Riethmüller.

Er machte auch darauf aufmerksam, dass nicht nur kleinere Verlage regelmäßig unreflektiert behaupteten, sie seien deshalb bei Amazon, weil sie ihre Titel dort sichtbar seien. „Sichtbar sind die Bücher aber doch erst ab dem Moment, in dem sie gesucht werden – vorher sind sie eben nicht auf dem Bildschirm. Und genau dasselbe leisten wir unabhängigen Buchhandlungen auch und das Buch ist einen Tag später im Laden.“ In diesem Punkt, nämlich diese Zusammenhänge den Kunden zu erklären, seien aber auch viele Buchläden noch träge, merkte Riethmüller kritisch an. „Da schimpfen dann einige nur, statt aktiv zu werden, ihre Kunden zu informieren, ihre Mitarbeiter zu schulen, den buy local-Gedanken zu stärken usw.“

Glatte Preise

Klar positionierten sich die Teilnehmer bei der Preisgestaltung. Einhellige Meinung der Sortimenter war, die Centpreise abzuschaffen – „wir verkaufen kein Joghurt“, sagte Katrin Schmidt von der Kirchzartener Bücherstube unter Zustimmung des Auditoriums. Die Kunden seien bereit, höhere Preise zu zahlen, erläuterte Rosemarie Reif-Ruppert, „sie wollen das Buch haben, da spielen ein, zwei Euro keine Rolle.“ Riethmüller ergänzte, dass die Tendenz zunehmend zu hochwertig ausgestatteten Bücher gehe: „Die Kunden schätzen das und kaufen entsprechend ein.“

Im Dialog bleiben

Weitere Themen wie After-Work-Angebote in Buchhandlungen, Indie-Book-Tische, verkaufte Regale, die Rolle der Vertreter und die Woche der unabhängigen Buchhandlungen wurden angerissen – die Zeit war zu kurz, wurde bald klar. Im Feedback am Ende äußerten alle den Wunsch nach einer Wiederholung. „Wichtig ist, dass sich hier Leute aus zwei Sparten getroffen haben“, meinte Michael Riethmüller, und Sandra Thoms appellierte: „Mailen Sie uns einfach – wir antworten gerne“. IGuV-Sprecher Armin Gmeiner ergänzte „im Notfall mailen Sie direkt an den Verleger, der antwortet auch!“ Gmeiners Fazit: Im ständigen Dialog zu bleiben, bringe schon viel; „wer weiß, wie die andere Seite im Alltag arbeitet, hat viel mehr Verständnis füreinander, traut sich Probleme anzusprechen und nach unkonventionellen Lösungen zu suchen.“