Writers in Prison Day

Autoren hinter Gittern

15. November 2017
von Börsenblatt
Der „Writers in Prison Day“ am 15. November macht auf das Schicksal von zu Unrecht inhaftierten und verfolgten Schriftstellern, Journalisten, Verlegern und Bloggern in der ganzen Welt aufmerksam. Er erinnert an Menschen, die getötet wurden, weil sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen haben. Die Schriftstellervereinigung PEN international stellt fünf ausgewählte Fälle in den Fokus, die beispielhaft für die Repressionen stehen, denen Kollegen weltweit täglich ausgesetzt sind.

Am 12. Juni 2017 wurde die Journalistin und Künstlerin Zehra Doğan, die Mitarbeiterin der feministischen kurdischen Nachrichtenagentur Jinha war, verhaftet. Doğan hatte zahlreiche Auszeichnungen, darunter 2015 den prestigeträchtigen Metin-Göktepe-Journalismus-Preis für ihre Reportage „Die Schreie der Yezidi Frauen“ erhalten. Doğan ist im März zu 2 Jahren, 9 Monaten und 22 Tagen Gefängnis verurteilt worden, die sie im im Diyarbakır Gefängnis verbüßt. Doğans Verurteilung steht in Zusammenhang mit einer vorherigen Verhaftung im Juli 2016, nach der sie wegen angeblicher „Propaganda für eine terroristische Organisation“ und „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ angeklagt wurde. Die Anklagen gegen Doğan stützen sich auf ein Gemälde, einen Nachrichtenartikel und ihre Aktivitäten in den sozialen Medien. 

Das Gemälde Doğans, welches das Gericht zu Urteilsbegründung heranzieht, zeigt die weitflächige Zerstörung der mehrheitlich von Kurden bewohnten Stadt Nusaybin durch das türkische Militär. Aus dieser Stadt im Südosten der Türkei berichtete Doğan und malte Bilder der Verwüstung und des weiblichen Widerstandes. Doğan stellt in ihrem Gemälde ein Foto nach, das zuvor während einer fünfmonatigen Ausgangssperre in der Stadt aufgenommen worden war und in den sozialen Medien zirkulierte. Die Darstellung zerstörter Gebäude, an denen türkische Nationalflaggen hängen, weist auf die wahren Urheber der Verwüstung hin. Obwohl Doğan weder die Aufnahme selbst gemacht noch eigenmächtig die zerstörten Gebäude um türkische Fahnen ergänzt hatte, stützte sich das Urteil auf diese beiden Vorwürfe.

Ramón Esono Ebalé, alias Jamón y Queso, ist ein vielfach ausgezeichneter Karikaturist. Er schreibt und publiziert auf seinem Internetblog und hat mit La pesadilla de Obi (dt.: Obis Albtraum) eine Graphic Novel veröffentlicht. Ebalé wurde bekannt durch seine Kritik an Präsident Obiang und dessen Regierung, er macht auf soziale Ungerechtigkeiten innerhalb der äquatorialguineischen Zivilgesellschaft sowie Menschrechtrechtsverletzungen durch den Staat aufmerksam.

Ebalé begann Mitte der 2000er Jahre, seine Werke auszustellen. Er kritisierte und karikierte in seinem Satire-Blog Las Locuras de Jamón y Queso (dt.: Der Wahnsinn des Jamón y Queso) die Regierung, woraufhin die Behörden den Blog sperren ließen. Später verbreitete Ebalé seine Comiczeichnungen über soziale Medien. Als Reaktion auf die Forderung eines Ausstellungsveranstalters im Jahr 2007, die Dialoge in seinen Comics zu redigieren, entfernte er sämtliche Texte in den Sprechblasen. Dieser Methode bediente er sich fortan auch in einigen seiner späteren Comics, darunter auch ein Comicstrip über die Wahlen in Äquatorialguinea, woraufhin er Morddrohungen erhielt. 

2011 zog er nach Paraguay und war kurz vor seiner Verhaftung 2017 in sein Heimatland zurückgekehrt, um einen neuen Ausweis zu beantragen und zu seiner Ehefrau nach El Salvador ziehen zu können. Nachdem er mehrere Wochen vergeblich auf ein neues Ausweisdokument hatte warten müssen, wurde er am 16. September 2017 verhaftet.

Er wurde zunächst wegen seiner Karikaturen befragt, später berichteten Medien, dass wegen angeblicher Geldwäsche und Falschgeld gegen ihn ermittelt werde. Im Black Beach Gefängnis in Malabo wird er in Präventivhaft gehalten. Allerdings wurde er bisher noch wegen keiner Straftat angeklagt.  Nach Informationen des internationalen PEN muss gegen ihn jedoch noch offiziell Anklage erhoben werden. 

Am 7. Juni 2017 wurde Cesario Alejandro Félix Padilla Figueroa, Journalist, Menschenrechtsaktivist und Gründungsmitglied des PEN in Honduras, zusammen mit zwei anderen Studenten von einem Gericht schuldig gesprochen, da sie an Studierendenprotesten an der Nationalen Autonomen Universität Honduras (Universidad Nacional Autónoma de Honduras, UNAH) teilgenommen hatten. Sie demonstrierten für einen besseren Zugang zur staatlichen Bildung ebenso wie eine Beteiligung der Studierenden in der Verwaltung der Universität und forderten ein Ende der Privatisierung der UNAH.

Seit 2014 wurde Padilla mehrfach bedroht und überwacht. Unter anderem berichtete er, dass er von zwei unbekannten bewaffneten Männern in seiner Nachbarschaft beschattet und bedroht worden sei.

Im Juli 2015 hatte Padilla gemeinsam mit zwei Kollegen einen Verteidigungsausschuss für Menschenrechte an der UNAH geschaffen, um Menschenrechtsverletzungen im Rahmen der Proteste an der Universität zu dokumentieren. Das Urteil gegen Padilla Figueroa wurde nach einem langwierigen Prozess verkündet: Das angebliche Verbrechen wird mit einer Gefängnisstrafe von drei bis fünf Jahren bestraft. Der Prozess befindet sich in einem rechtlichen Schwebezustand, da eine schriftliche Bestätigung des Urteils noch aussteht, die jedoch zwingend notwendig ist, um dagegen Berufung einlegen zu können. Vorläufig ist es Padilla untersagt, ins Ausland zu reisen oder Universitätsgelände zu betreten. 

Der internationale PEN glaubt, dass Padilla und seine Kommilitonen lediglich für die Ausübung ihrer Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit gerichtlich verfolgt werden, obwohl diese in der honduranischen Verfassung verankert sind.

Als die Bloggerin und Regierungskritikerin Nguyen Ngoc Nhu Quynh, die unter ihrem Pseudonym Me Nâm („Mutter Pilz“) bekannt ist, den inhaftierten politischen Aktivisten Nguyen Huu Quoc Duy im Oktober 2016 in einem Gefängnis besuchen wollte, wurde sie festgenommen. Am 29. Juni 2017 wurde sie wegen angeblicher „Propaganda gegen die Sozialistische Republik Vietnams“ schuldig gesprochen und zu einer zehnjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Ihre Berufungsverhandlung, die im September hätte stattfinden sollen, wurde auf unbestimmte Zeit und ohne Angabe von Gründen verschoben.Der PEN ist überzeugt, dass Me Nâm allein wegen der friedlichen Ausübung ihres Rechts auf Meinungsfreiheit inhaftiert ist und fordert deshalb ihre sofortige und bedingungslose Freilassung.

Me Nâm ist bekannt für ihre Texte, die sie sowohl auf Facebook als auch auf anderen Internetplattformen publiziert und in denen sie sich zu sozialen, wirtschaftlichen, politischen und ökologischen Themen sowie zu Menschenrechtsfragen äußert. Sie machte in der Vergangenheit immer wieder auf soziale Ungerechtigkeiten und Umweltskandale aufmerksam. Außerdem ist sie Mitbegründerin des „Netzwerks vietnamesische Blogger", in dem sich unabhängige Schriftsteller organisieren. Für ihr Engagement wurde sie mehrfach ausgezeichnet. 2017 erhielt sie etwa in Abwesenheit den "International Woman of Courage Award" des US-Außenministeriums.

Im März 2017 äußerten sich fünf UN-Sonderberichterstatter in einer gemeinsamen Erklärung besorgt über ihren psychischen und körperlichen Gesundheitszustand. Insbesondere die Isolationshaft, der fehlende Rechtsbeistand sowie das Besuchsverbot kritisierten sie scharf.

Razan Zaitouneh ist eine syrische Menschenrechtsanwältin, Bloggerin und Schriftstellerin. Sie ist Mitbegründerin des Violations Documentation Center (VDC), wo sie die Menschenrechtsverletzungen und Gewaltanwendungen aller Kriegsparteien seit 2011 dokumentierte. Sie wurde unter anderem mit dem Menschenrechtspreis des Europäischen Parlaments und dem Petra-Kelly-Preis ausgezeichnet.

Am 9. Dezember 2013 wurden Zaitouneh, ihr Ehemann Wa’el Hamada sowie ihre Kollegen Samira al-Khalil und Nazem Hamadi während einer Razzia in den VDC-Geschäftsräumen in Douma, einem Vorort von Damaskus, von einer Gruppe bewaffneter Männer entführt. Seither gelten sie als vermisst und es wird angenommen, dass eine islamische Gruppierung, die Douma kontrolliert, sie gefangen hält.

Seit 2001 hatte Zaitouneh politische Gefangene in Syrien verteidigt und setzte sich als Anwältin, Aktivistin und Journalistin vehement für die Wahrung der Menschenrechte ein. Sie war ferner am Aufbau des Local Coordination Committees (LCC) beteiligt, das ein Netzwerk lokaler Gruppierungen koordiniert, die ihrerseits Menschenrechtsverletzungen protokollieren. Aufgrund ihres Engagements bedrohten die syrischen Behörden Zaitouneh und ihre Kollegen. Schließlich mussten sie nach Douma fliehen, einem von syrischen Rebellen kontrollierten Gebiet, bevor sie dort entführt wurden. 

Auch der Börsenverein engagiert sich mit Kampagnen für Autoren und Schriftsteller, deren freie Meinungsäußerung unterdrückt wird - zum Beispiel mit Aktionen unter den Mottos "Für das Wort und die Freiheit" oder "Free Words Turkey" und mit der Unterstützung des Raif-Badawi-Awards. "In immer mehr Regionen weltweit werden Autorinnen und Autoren, Journalisten, Verleger und Buchhändler verfolgt und inhaftiert. Damit wird die kritische Auseinandersetzung in der Gesellschaft weitgehend abgeschafft, der Meinungsbildungsprozess wird manipuliert oder gar unmöglich gemacht, selbst in solchen Ländern, die sich als demokratisch bezeichnen. Wir fordern die Machthaber auf, inhaftierte Kultur- und Medienschaffende umgehend frei zu lassen und alle Repressalien gegenüber kritischen Stimmen einzustellen. Auch die Bundesregierung sollte sich im Kontakt mit solchen Ländern noch konsequenter als bisher für freiheitlich, demokratische Werte einsetzen. Die Freiheit des Wortes ist ein Menschenrecht und nicht verhandelbar", so begründet Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, das Engagement.