Zum Fall Weltbild: Interview mit Fachanwalt Frank Kebekus

"Kein Insolvenzverwalter reißt sich um ein solches Modell"

29. Juli 2015
von Sabine Cronau
Welchen Einfluss hat Arndt Geiwitz noch auf die Zukunft von Weltbild? Und wie groß ist die Chance, dass sich für Lesensart nach der Pleite ein Geldgeber findet? Fragen an Frank Kebekus, Fachanwalt für Insolvenzrecht in Düsseldorf und in der Branche durch die Begleitung der Suhrkamp-Insolvenz bekannt. Wie erst nach dem Interview bekannt wurde, ist Frank Kebekus zum vorläufigen Sachwalter für das Insolvenzverfahren von Also Logistics Services (der ehemaligen Weltbild-Logistiksparte) bestellt worden.

Folgt der Fall Weltbild einem bestimmten Muster, einem Drehbuch, das typisch ist für die Zerschlagung insolventer Unternehmen?
Das lässt sich von außen natürlich schlecht beurteilen. Aber zumindest beim ersten und beim letzten Schritt – also beim Weltbild-Verkauf an die Droege Group und bei der Insolvenz von Lesensart – würde ich ausschließen, dass es sich um ein festes Drehbuch gehandelt hat, bei dem alle Beteiligten schon vorher gewusst haben, worauf die Sache hinausläuft.

Warum?
Weil Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz beim Weltbild-Verkauf aus meiner Sicht eigentlich alles richtig gemacht hat. Mit dem Finanzinvestor Paragon Partners hatte er damals ja schon einen Übernahmekandidaten an der Angel, der kurzfristig wieder abgesprungen ist. Dann noch einen  weiteren namhaften Interessenten aufzutun, das ist in einer solchen Situation gar nicht so einfach, erst recht nicht mit dem katholischen Umfeld von Weltbild. Geiwitz hat es geschafft und das Baby nach dem Insolvenzverfahren ordnungsgemäß aus dem Arm gegeben.

Droege scheint es allerdings nicht besonders gut weitergepflegt zu haben…
Diese Frage steht auf einem anderen Blatt. Da will ich mir kein Urteil anmaßen. Fraglich ist allerdings auch, ob das Filialgeschäft von Weltbild in der alten Größenordnung überhaupt eine Zukunft hatte. Natürlich kann die Droege Group von Anfang an gewusst haben, dass sie 67 Standorte weiterverkaufen will, weil sie sich einfach nicht rechnen. Aber das ist rein ökonomisch betrachtet auch nicht verwerflich. Auf internationaler Ebene gibt es ganze Unternehmen, die sich ausschließlich auf das Kaufen, Zerschlagen und Verwerten von Firmen spezialisiert haben.

Die Käufe und Weiterverkäufe im Fall Weltbild erinnern an ein Kaskadensystem. Verdient am Ende jemand daran? Oder hat sich Rüdiger Wenk mit Lesensart schlichtweg verspekuliert?
Es spricht vieles dafür, dass er sich verspekuliert hat. Um von einer Insolvenz zu profitieren, hätte Rüdiger Wenk eine Zweckgesellschaft gründen müssen – nur für die übernommenen Weltbild-Filialen. Das hat er aber nach meinem Kenntnisstand nicht getan. Stattdessen ist er mit seiner eigenen Firma in die Zahlungsunfähigkeit gerutscht. Das kann so nicht geplant gewesen sein.

Die Miete für die Lesensart-Läden ist aber nach wie vor von Weltbild / Droege gezahlt worden. Spricht das nicht für eine "Strohmann"-Lösung?
Nicht unbedingt. Es spricht viel mehr dafür, dass die Vermieter auf Einhaltung ihrer Verträge gepocht haben – denn natürlich muss ihnen klar gewesen sein, dass hinter der Droege Group ein solventes Unternehmen steht, während das Ausfallrisiko bei Lesensart viel größer ist. Und damit haben sie die Lage ja auch genau richtig eingeschätzt.

Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz hält nach wie vor 40 Prozent der Anteile an Weltbild. Ist das in dieser Größenordnung üblich?
Grundsätzlich ist so ein Modell keine Lösung, um die sich ein Insolvenzverwalter reißt. Ich habe das allerdings selbst schon einmal gemacht, bei einer großen Textileinzelhandelskette mit 1.500 Mitarbeitern. Damals wollte der Investor ausdrücklich, dass der Insolvenzverwalter mit im Boot bleibt. Weil als Alternative nur die Liquidation blieb, haben wir uns am Ende darauf eingelassen - nach langer Diskussion im Gläubigerausschuss.

Wie groß ist in einem solchen Fall der Einfluss auf die Politik des Investors?
Wenn Arndt Geiwitz im Namen der Gläubiger nach wie vor 40 Prozent der Weltbild-Anteile hält, dann hört sich das natürlich erst einmal viel an. Aber: Wenn die Droege Group unliebsame Maßnahmen umsetzen will, dann kann sie bei Weltbild durchsteuern  - ohne dass sich das vom Minderheitsgesellschafter verhindern ließe.

Halten Sie es für realistisch, dass sich für Lesensart jetzt noch ein Geldgeber findet? Oder stempelt eine doppelte Insolvenz wie diese die Filialen zwangsläufig zum "Bad Deal" ab?
Objektiv betrachtet wird es durch eine zweite Insolvenz natürlich nicht gerade leichter, für die betroffenen Filialen einen Käufer zu gewinnen. Aber es ist auch nicht ausgeschlossen. Es gibt Unternehmen, die gehen innerhalb weniger Jahre zwei oder sogar drei Mal in die Insolvenz. Und selbst beim dritten Verfahren findet sich noch jemand, der die Firma kauft, wenn der Deal ein echtes Schnäppchen und finanziell attraktiv genug ist.

Lesen Sie mehr zum Fall Weltbild / Droege / Lesensart in der nächsten Printausgabe des Börsenblatts, die am Donnerstag erscheint. Aufschlussreich: Eine ausführliche Spurensuche im Handelsregister.