Blockchain-Bibliothek



Wie man den Weiterverkauf von E-Books (vernünftig) organisieren könnte

21. Februar 2016
von Börsenblatt
Wer gegen Digital Rights Management (DRM) ist, muss auch gegen den Weiterverkauf von E-Books sein. Oder doch nicht? Eine neue Technologie bietet prinzipiell einen Ausweg aus dem Digitalbuchdilemma.




Die Facebook-Gruppe Onliner in Verlagen und einige andere Foren diskutieren regelmäßig über die langfristige Vermarktungsstrategie von E-Books. Dass DRM – vor allem hartes – ein Auslaufmodell ist, scheint dabei niemand mehr ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Die Produktionsabteilungen verhalten sich entsprechend kundenfreundlich bzw. klug und entfernen zunehmend nervige wie sinnlose Kopierschutzmechanismen.

Das mittelfristige Ende von DRM hat jedoch neue Diskussionen entfacht, die um ein verwandtes Thema kreisen: Die Möglich- bzw. Unmöglichkeit, digitale Bücher »richtig« zu besitzen und damit weiterverkaufen zu können. Ein lesenswerter, ausführlicher Post von Publishing Hurts beschäftigte sich damit zu Beginn des Jahres. Ich möchte an dieser Stelle nicht genauer auf die juristischen, technischen und ökonomischen Details eingehen, sondern nur die Quintessenz des Beitrags wiedergeben: Entweder kehrt man im Falle der Einführung eines Weiterverkaufsrechts für E-Books zu DRM zurück – was ja eigentlich keiner will. Oder es droht eines der folgenden Szenarios:

Erstens ein völlig ungehegter Markt, der Verlagen, Autoren und ultimativ auch Lesern schadet.
Zweitens ein technisch-administrativer Overkill mit unzähligen Verwaltungsplattformen, deren Tücken kein bisschen besser als DRM sind.

Daraus folgt schlussendlich: Wer gegen DRM ist, muss auch gegen die Option der privaten oder kommerziellen Wiederveräußerung digitaler Bücher sein. Und so stand es dann auch (zum wiederholten Mal) beim Börsenverein bzw. in der Facebook-Gruppe.

Wie es aussieht, haben die Diskussionsteilnehmer ihre Rechnung aber ohne die Blockchain gemacht. Die bietet nämlich prinzipiell einen Ausweg aus dem Digitalbuchdilemma. Nicht zuletzt, weil ich zu diesem Gedanken bislang kein vernünftiges Feedback bekommen habe, schreibe ich diesen Beitrag. Der entscheidende Grund aber lautet: Bei einem Interview mit dem Blockchain-Startup ascribe.io wurde mir kürzlich versichert, dass sich DRM-freie und registrierte (also weiterverkaufbare) Ebooks mittlerweile tatsächlich ohne größeren Aufwand realisieren lassen.

Vielleicht sollte ich spätestens jetzt noch einmal kurz erklären, was die Blockchain ist. Wikipedia hält eine griffige Definition bereit: »A block chain or blockchain is a permissionless distributed database based on the bitcoin protocol that maintains a continuously growing list of data records hardened against tampering and revision, even by its operators.«

Wir haben es also mit einer öffentlichen, dezentralen, sehr sicheren Datenbank zu tun – in der man eben auch den Besitz (und damit die Erlaubnis zum einmaligen Verkauf) von E-Books erfassen könnte.

Nun gibt es noch den Einwand, dass die im Zuge der Bitcoin-Technologie bekannt gewordene Blockchain einige Macken aufweist, und die Entwickler-Community zerstritten ist. Dazu gab es im Januar einen umfassenden Post bei Medium (den man als Publisher nicht unbedingt lesen muss). Um etwaigen Problemen aus dem Weg zu gehen, sollte die E-Book-Erfassung deshalb in jedem Fall mittels einer alternativen, skalierbaren Blockchain realsiert werden, wie sie erst diesen Monat – ebenfalls bei Medium – vom CEO des bereits erwähnten Startups vorgestellt wurde.

Eine neue Chain in Kombination mit einer modernen, userfreundlichen Webplattform à la ascribe würde es Verlagen bzw. Autoren ohne weiteres gestatten, eine bestimmte Anzahl von offiziellen Digitalexemplaren eines Buchs anzubieten (1.000, 10.000, 100.000, völlig egal), deren Verkauf und Weiterverkauf ähnlich wie bei Bitcoins transpartent und sicher getrackt werden könnte – wohlgemerkt ohne, dass die Käufer ihre Identität preisgeben müssten. Mit Überwachung im klassischen Sinne hat das also nichts zu tun. Und mit DRM auch nicht.

Im deutschsprachigen Raum scheint die Idee Blockchain-Buch momentan ausschließlich von der Schweizer Firma lyrx Books verfolgt zu werden. Deren Website wirkt allerdings noch sehr spartanisch und bietet weder weiterführende Informationen noch elektronische Kontaktadressen – von einem fertigen Interface ganz zu schweigen. Ich bin gespannt, ob und wann sich da etwas entwickelt.

Die Blockchain kann natürlich keine E-Book-Piraterie verhindern. Aber darum geht es ja auch gar nicht. In Digitalien wird immer jemand etwas klauen und ohne Erlaubnis verbreiten. Mit DRM-freien, weiterverkäuflichen Blockchain-Büchern könnte die digitale Buchbranche jedoch einen offiziellen 2nd-Hand- und Sammlermarkt etablieren, besonders schöne und limitierte Editionen inklusive. Das wäre doch was.