Blockchain – Teil (1)

Cryptocurrencies

26. Februar 2018
von Börsenblatt
Wenn Sie schon immer einen anschaulichen Artikel darüber lesen wollten, was es mit »Blockchain« und»Cryptocurrencies« auf sich hat (oder gar mit Kryptowährungen spekulieren möchten), dann sind Sie hier richtig angelangt. Und nach nur fünf Minuten im Bilde.

Blockchain und Cryptocurrency werden oft synonym gebraucht, sind es aber nicht. Vielmehr ist das Eine, die Blockchain, die Voraussetzung für das Andere, die Cryptocurrency.

Eine Blockchain lässt sich mit einem dezentralen System zur Buchführung vergleichen. Es gibt also keine zentrale Instanz, die eine korrekte Buchführung garantiert, vielmehr tun dies die Teilnehmer gegenzeitig, indem jeder Teilnehmer über eine identische Kopie des Buches verfügt, die zur Verifizierung jeweils gegenseitig abgeglichen und fortgeschrieben werden.

Um die einzelnen Einträge (»Blöcke« genannt) abzusichern, werden diese verschlüsselt und über eine so genannte »Hash-Funktion« miteinander verkettet (daher auch der Name) – d.h. aus dem jeweiligen vorherigen Eintrag (Block) wird ein Summenwert gebildet, der wiederum in die Berechnung des nächsten Blocks mit einfließt. (Die Berechnung der ISBN-Prüfziffer erfolgt ebenfalls über eine einfache Hash-Funktion.) Wird also an irgendeiner Stelle der Buchführung ein Eintrag geändert, verändert sich auch deren Summenwert und die gesamte Gleichung stimmt nicht mehr.

Würde eine einzelne Buchhaltung manipuliert, würde dies folglich schnell auffallen, da all die anderen Buchhaltungen innerhalb des Systems zu einem anderen Ergebnis kämen. Um einen Eintrag zu fälschen, müsste also nicht nur eine einzelne Buchführung manipuliert werden, sondern jedes einzelne Buch, was das Ganze nahezu unmöglich und damit äußerst fälschungssicher macht.

Ein beliebter Anwendungsfall der Blockchain-Technologie sind so genannte Kryptowährungen, bei denen das Vertrauen in die jeweilige Währung nicht durch eine staatliche Institution wie die Bundeszentralbank erzeugt wird, sondern durch ein fälschungssicheres kryptographische System, das der jeweiligen Währung zugrunde liegt – und das eben nicht zentralisiert ist, sondern auf sämtliche Teilnehmer verteilt.

Dahinter steht, wie Michael Seemann in seinem Blog darlegt, mehr eine Ideologie denn eine Technologie – denn in erster Linie geht es darum, sich von staatlichen Institutionen (wie Zentralbanken) unabhängig zu machen und sich den freien Markt selbst organisieren zu lassen. Man stelle sich vor: Eine Welt ohne Banken, in der jeder Nutzer selbst Teil einer globalen Weltbank ist!

Das Problem ist nur, dass diesen virtuell erzeugten »Werten« keine realen Werte entgegen stehen. Während reale Währungen an Goldreserven oder die Wirtschaftskraft eines Landes gebunden sind, haben so genannte Kryptowährungen keinen realen Tauschwert – sie sind wie Kunst oder Religion und leben allein von der Phantasie des Betrachters.

Sie eignen sich auch nicht als Zahlungsmittel, da eine wesentliche Eigenschaft von Zahlungsmitteln ja deren Wertbeständigkeit ist und ich insofern einen stabilen Umrechnungskurs habe – also z.B. weiß, wie viel Milch, Butter oder Big Macs ich für mein Geld bekomme. Kryptowährungen sind vielmehr Spekulationsobjekte – also eher vergleichbar mit Aktien oder Wertpapieren.

Anwendungsbeispiel: Wir basteln uns eine Kryptowährung

Spielen wir das Ganze doch einmal durch: Um ihren eigenen Bierkonsum zu finanzieren, beschließt eine Gruppe von Freunden in Köln Nippes beim abendlichen Monopoly, ihre eigene Währung herauszugeben, mit der fortan im Freundeskreis bezahlt werden kann. Dazu brauchen Sie:

  • Einen möglichst coolen Namen für ihre Währung
  • Etwas, was diese Währung symbolisiert
  • Kontenbücher
  • Eine Börse bzw. Tauschparty, auf der man echtes Geld in Spielgeld tauschen kann

Der Name ist schnell gefunden: BierCoin! Und weil Bierdeckel praktischerweise die Form von großen Münzen haben, ist auch das Symbol schnell gefunden. Also deckt man sich mit einem großen Vorrat an Bierdeckeln ein. Und damit andere nicht einfach mit ihren eigenen Bierdeckeln bezahlen können, denkt man sich – inspiriert von echten Geldscheinen – eine limitierte Anzahl von Seriennummern aus, die man auf die einzelnen Bierdeckel schreibt.

Jetzt braucht es noch die Kontenbücher. Ganz egal, ob man dazu die Poesiealben der kleinen Schwester oder Opas alte Sammelalben plündert (die Münzen und Briefmarken sind eh nichts mehr wert), beide erfüllen ihren Zweck. Wichtig ist nur, dass am Ende jeder eines hat. Nun ist alles bereit für die Party. Also schnell noch großflächig Einladungsflyer gestreut.

Der große Tag

Es ist soweit. Die Leute stehen Schlange. Die ganze Nachbarschaft will BierCoin kaufen. Ihr gebt 100 BierCoin aus und legt einen Abgabepreis von 1,– EUR pro BierCoin fest.

Jeder Nachbar, der BierCoin kauft, bekommt zu seinen BierCoin ein Sammelalbum, in dem genau verzeichnet wird, welchen BierCoin er wann gekauft hat. Der Clou dabei: Die gleiche Information wird auch in jedem der anderen Sammelalben verzeichnet und die Alben gegenseitig verglichen, ob auch alles passt.

Damit das Ganze auch nach der Party noch funktioniert, gründet ihr eine WhatsApp-Gruppe und jeder verpflichtet sich, die über die Gruppe geteilten Informationen in seinem Sammelalbum zu aktualisieren – z.B. den folgenden Eintrag:»Mark Zuckerberg hat am 11.11. um 11:11 Uhr in Kölle am Ring 1 BierCoin mit der Seriennummer 4711 gekauft. #NoKölsch«. Oder eine Woche später: »Der Larry von gegenüber hat Mark Zuckerberg am 19.11. um 08:15 Uhr den BierCoin mit der Seriennummer 4711 abgekauft. (Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart.)«.

Also zückt jeder in der Nachbarschaft sein Sammelalbum, trägt die oben genannte Änderung ein und postet anschließend ein Beweisfoto in die Gruppe. Sollte jetzt also Max Mustermann auf die Idee kommen, dem Larry seinen BierCoin zu klauen und einfach seinen eigenen Namen in das Album reinzuschreiben, glaubt ihm das leider niemand, weil in all den anderen Büchern etwas anderes steht. Max Mustermann müsste also jedes einzelne Buch fälschen, um sich als rechtmäßigen Eigentümer des BierCoin mit der Nummer 4711 auszugeben. Tendenziell also eher schwierig. Und ne super Sache, wenn es um Fälschungssicherheit geht.

Köln Nippes kommt zu Wohlstand

In den folgenden Wochen setzt ein regelrechter Boom ein. Jeder findet den BierCoin cool und möchte ihn unbedingt haben. Und da es nur 100 Stück davon gibt, steigen die Preise, die Nachbarn für BierCoin zu zahlen bereit sind in unermessliche. Erst gestern hat jemand aus Düsseldorf der Heidi aus Bergisch Gladbach im Suff 10.000 EUR für ihren BierCoin geboten. Und die Jungs, die den BierCoin erfunden haben, rechnen nach – dann wären ihre 100 ursprünglichen BierCoin inzwischen ja EUR 1.000.000 wert! Dumm nur, dass sich keine BierCoins mehr in ihrem Besitz befinden, denn sie haben die ursprünglichen EUR 100,– zwischenzeitlich in umgerechnet 2 Kästen Craft Beer eines benachbarten Brauerei-StartUps investiert und längst versoffen. (Leider ist den meisten Hobby-Anlegern der Unterschied zwischen Investition und Konsum immer noch nicht klar.)

Derweil tun sich in der neureichen Düsseldorfer Nachbarschaft andere Probleme auf. So nehmen leider weder die Tante Emma auf der Kö noch die 3 von der Tankstelle BierCoin als Zahlungsmittel an, sondern bestehen entweder auf Cash oder Kartenzahlung in EUR.

Aber egal! Wieso sollte ich auch mit BierCoin zahlen, wenn ich für meinen BierCoin, für den ich anfangs allenfalls den Gegenwert einer Flasche Bier bekommen hätte, inzwischen ein ganzes Auto haben kann – Sprit, Kippen und einen Kasten Bier inklusive? Ein Wertpapier (auch wenn es aus Pappe ist), das derart im Wert steigt, gibt man nicht aus, sondern behält es in der Hoffnung auf weitere Wertsteigerung.

Das Bier wird knapp

Wir entschließen uns also, unseren BierCoin erst einmal zu behalten und die weitere Wertsteigerung abzuwarten. Verkaufen können wir ihn später ja immer noch.

Aber dann geht den Jungs das Bier aus. Und sie planen eine weitere BierCoin-Party. Diesmal wollen sie gleich 1.000 BierCoin unters Volk bringen. Und selbst auch gleich noch ein paar behalten. Für schlechte Zeiten. Bier ist schließlich immer knapp.

Komischerweise kommt die Idee in der Nachbarschaft gar nicht so gut an. Denn niemand möchte für einen neuen BierCoin EUR 10.000 bezahlen. BierCoin für EUR 1,– kaufen, die man dann für ein mehrfaches an neureiche Jungs aus Düsseldorf oder Blondinen aus Bergisch Gladbach verkaufen kann, war schon ganz lustig. Aber selbst EUR 10.000 für ein Stück Presspappe bezahlen? Da hört der Spaß definitiv auf.

Also fragt man in Bergisch Gladbach, Leverkusen und Düsseldorf nach. Aber auch die Leute dort werden allmählich skeptisch. Dann versuchen die ersten, ihre BierCoin zu verkaufen. Und weil sie zu den Preisen keine Abnehmer finden, bieten sie sie billiger an. Das wiederum besorgt weitere Anleger, die sich überlegen, dass sie jetzt lieber verkaufen, solange sie noch etwas für ihre BierCoin bekommen. Die Preise fallen weiter, noch mehr Leute werden nervös und die Preise stürzen ins Bodenlose. Am Ende sind die Leute nicht einmal mehr bereit, den einen Euro zu geben, den man ursprünglich bezahlt hat.

The End

Also klingeln wir nun ziemlich sauer bei den Jungs an, die damals die Idee für diese BierCoins hatten und fordern unser Geld zurück. Insbesondere jene unter uns, die in der Zwischenzeit aberwitzige Summen für ihre BierCoin-Sammlung ausgegeben haben.

Das Problem: Die Jungs haften nicht. Stand damals auf dem mit »Whitepaper« überschriebenen Einladungsflyer. Und wer bei der Party mitgemacht hat, hatte damit automatisch auch die Party-Regeln akzeptiert (stand ebenfalls auf dem Flyer).

Sicherheiten? Keine. Und die Vespa in Papas Garage? Gibt es auch nicht. Da man um BierCoin auszugeben keinerlei Sicherheiten hinterlegen muss. Kein Haftkapital. Nichts.

Tja. Die Jungs haben ihre EUR 100,– versoffen. Andere haben ihre Oma versetzt um sich Presspappe zu kaufen, die jetzt nur noch Altpapier ist. Und wer hat das ganze echte Geld? Das, das die lieben Nachbarn in der Hoffnung auf weitere Wertsteigerung mit vollen Händen ausgegeben haben? Das haben die üblichen Steuerflüchtlinge – die Migranten des Neoliberalismus, die sich den Hype geschickt zunutze gemacht haben und nun Champagner auf einer hübschen Insel in der Karibik trinken. Nur das Bier, das ist alle.

Was wir aus dieser Episode lernen können:
  • Kryptowährungen sind keine Währungen, sondern funktionieren eher wie Wertpapiere.
  • Im Gegensatz zu Wertpapieren unterliegen sie allerdings weder der Banken- und Finanzaufsicht (BaFin), noch einer Prospektpflicht. Sie taugen noch nicht einmal als Schuldscheine, da die Herausgeber dieser »Zertifikate« diese nicht zurücknehmen, geschweige denn auszahlen.
  • Die Herausgeber dieser »Papiere« bieten keinerlei Sicherheiten und übernehmen keinerlei Haftung.
  • Man kann mit Kryptowährungen nicht bezahlen. Man muss zunächst einen Käufer finden, der einen die »Währung« in echtes Geld wie Euro oder Dollar umtauscht.
  • Kryptowährungen sind im Grunde ein Mischung aus Glücksspiel und Religion, ähnlich einem Schneeballsystem, wobei die Anzahl der Schneebälle limitiert ist. Je mehr an diesem Spiel teilnehmen wollen, desto höher der Wert der künstlich verknappten Schneebälle. Schmelzen die Schneebälle schneller als man sie verkaufen kann, kollabiert das System.

Heißt dass, dass es nicht auch sinnvolle Anwendungen für Blockhain gibt? Nein, das heißt es nicht. Doch das ist eine andere Geschichte und die wird hier bald auch erzählt werden …