Der schöne Schein?

Location based Services im Einzelhandel

15. März 2015
von Börsenblatt
Shopkick, Shopnow & Co.

Die Grenzen zwischen physischer und digitaler Welt verschwimmen im Alltag zusehends. Um sich gegen den Online-Handel durchzusetzen und die Kunden weiterhin in die Läden zu bekommen, braucht der stationäre Handel Innovationen: Das Einkaufen muss zum Erlebnis werden. Manche Einzelhändler setzen dabei auf sogenannte »Location based Services«. Dieser technologische Service wird durch energiesparende Bluetooth-Sender, auch »Beacons« genannt, und Apps ermöglicht, die von verschiedenen Plattformen angeboten werden. Die Apps registrieren in den Geschäften die Standortdaten des Kunden. Nun erhält der Nutzer per Push-Benachrichtigung individuelle Angebote, Coupons oder Zusatzinformationen zu Produkten, sobald er sich im Laden oder in dessen Nähe aufhält. Die jeweilige App muss dafür entweder im Hintergrund oder vollständig geöffnet sein.
Zu bedenken ist, welchen Preis die Kunden für diese Services zahlen. Standortdaten sind sensibel, aus ihnen lässt sich spielend leicht ein Personenprofil erstellen. Für den Händler ist das ein lukratives Geschäft. Kunden lassen sich tracken, die gewonnenen Daten bis ins Detail auswerten. Einkaufsgewohnheiten können gefiltert und individuelle Shopping-Interessen herausgefunden und bedient werden..

Die Prämien, die den Kunden zum Betreten eines Geschäfts oder zum Scannen bestimmter Produkte bewegen sollen, sind jedoch recht minderwertig. Der international agierende Anbieter Shopkick, der beispielsweise mit Penny, Saturn, Media Markt oder Douglas kooperiert, bietet den Nutzern für 1250 Kicks einen Gutschein der kooperierenden Partner im Wert von 5 Euro. Um die überhaupt zu erreichen, muss der Nutzer jedoch zahlreiche Läden betreten oder Produkte scannen, da sich die Kicks für diese erbrachten Leistungen im unteren bis mittleren zweistelligen Bereich bewegen. Der US-Marktführer bekommt allerdings gerade Konkurrenz aus dem Haus Springer, deren App Shopnow auf dem gleichen Prinzip beruht.
Bisher richten sich die Anbieter solcher Apps vorrangig an große Einzelhandelsketten. Peter Thulson, Managing Director Germany des internationalen Anbieters Shopkick, schließt die Zusammenarbeit mit dem inhabergeführten Einzelhandel zunächst aus: „Unser noch kleines Team konzentriert sich darauf, möglichst viel aus jeder einzelnen Partnerschaft für unsere User herauszuholen. Wir werden natürlich immer versuchen, Wege zu finden, mit Einzelhändlern jeder Größe zusammenzuarbeiten. Vor dem Hintergrund, dass sich unser Geschäft und unser Team in Deutschland noch im Aufbau befinden, müssen wir hierbei aber Prioritäten setzen.“
Doch mittlerweile tummeln sich neben Shopkick und Shopnow immer mehr Anbieter wie 1 eEurope auf dem Markt, die auch auf eine Zusammenarbeit mit kleinen Einzelhändlern setzen. Ob und inwieweit dieser von den neuen Entwicklungen profitiert ist jedoch fraglich. Bereits die Ausrüstungskosten der »Location based Services«-Technologie bewegen sich im Bereich mehrerer Tausend Euro pro Ladenlokal und sind somit für die meisten Händler kaum finanzierbar.
In der Buchbranche verhindert die Buchpreisbindung die Bereitstellung individueller Prämien und Nachlässe. Auch Rabattangebote im Non-Book-Bereich scheinen nicht besonders realistisch. Für Buchhandlungen sind solche Entwicklungen somit nicht mehr als schöner Schein – und damit geht es ihnen ähnlich wie dem Kunden, der durch die Einkaufsstraße läuft und für das Betreten eines Ladens lediglich Prämienpunkte im Wert weniger Cents sammelt. Die Informationen, die er dem Händler gleichzeitig übermittelt, sind jedoch Gold wert.