Die neue PSD2-Richtlinie

Liest Amazon jetzt unsere Bankkonten aus?

15. Januar 2018
von Börsenblatt
Seit dem Wochenende gilt die neue Payment Service Directive 2 (kurz: PSD2) für Zahlungsdienste im Netz und die »Berliner Morgenpost« macht sich Sorgen, dass Internetkonzerne wie Amazon nun unsere Bankkonten auslesen. Die Hintergründe hierzu beleuchtet Volker Oppmann.

Worum geht es eigentlich? Zunächst einmal macht die Digitalisierung natürlich auch vor dem Bankenwesen nicht halt. Seit einigen Jahren drängen immer mehr FinTech-Unternehmen auf den Markt. Sie haben sich zum Ziel gesetzt, den Zahlungsverkehr im Internet zu revolutionieren und neue Zahlungsdienstleistungen anzubieten.

Dies können neue Online-Banken wie N26 sein, eine Verschmelzung von Girokonto und Buchhaltung wie Holvi, Programme zur bankübergreifenden Kontenverwaltung wie MoneyMoney, Dienstleister für Überweisungen ins Ausland wie TransferWise, Dienstleister für Micro-Payments wie SatoshiPay oder gar regelrechte »Digitalwährungen« (crypto currencies) wie BitCoin – nicht zu vergessen die (Groß-) Mutter aller FinTechs – PayPal.

Die neue Richtlinie regelt nun, wie diese neuen Zahlungsdienstleister in das bestehende Finanzwesen eingebunden werden. Es geht aber nicht nur um gemeinsame Standards sowie Sicherheit und Komfort für den Verbraucher, sondern auch um mehr Vergleichbarkeit und Wettbewerb. Das ärgert vor allem die etablierten Banken, da sie Drittanbietern nun auf Anfrage Zugriff auf die Kontodaten ihrer Kunden gewähren müssen. Habe ich als Kunde beispielsweise Konten bei verschiedenen Banken und möchte diese mit Hilfe eines Programmes für Kontenverwaltung wie MoneyMoney zusammenführen, muss meine App natürlich auf meine Konten zugreifen können.

Wer dies wie die EPOCH TIMES aber mit der Abschaffung des Bankgeheimnisses im vergangenen Jahr verquickt und suggeriert, dass Unternehmen fortan frei auf unser aller Kontodaten zugreifen dürften, liegt falsch.

Die Abschaffung des Bankgeheimnisses hat nichts mit Unternehmen zu tun, sondern erlaubt Finanzbehörden die Abfrage von Privatkonten »zur Prüfung von Steuerbetrug und Sozialmissbrauch«. Und angeblich hilft die Abschaffung des Bankgeheimnisses auch bei der Terrorismusbekämpfung. So fragwürdig das auch ist, hat es mit der neuen Richtlinie doch nichts zu tun – außer natürlich dem gemeinsamen Trend hin zum vollverglasten Bürger.

Ich zitiere den Focus, der seinerseits die dpa zitiert:

»Verbraucher müssen aber nicht fürchten, dass Firmen unkontrolliert auf ihre Daten zugreifen. Sie müssen ihnen die Weitergabe ausdrücklich erlauben, der Zugriff geschieht über die Hausbank und nur für den angefragten Zweck. Die EU hat das maschinengesteuerte Auslesen von Girokonten, das Auskunft über sämtliche Zahlungen und Gewohnheiten von Bankkunden gibt, verboten.«

Und was hat das nun mit Amazon zu tun?

Ein Grund für das oben genannte Missverständnis, dass Internetkonzerne ab sofort unsere Kontodaten auslesen könnten, rührt wahrscheinlich daher, dass insbesondere Unternehmen wie Amazon eben nicht nur im E-Commerce aktiv sind, sondern auch eigene Finanzdienstleistungen anbieten. Längst gibt es nicht nur die Amazon Kreditkarte, sondern auch Amazon Pay. (Apple spezialisiert sich mit Apple Pay auf mobiles Bezahlen und Google vereint verschiedene Dienste künftig unter der neuen Marke G Pay.)

Amazon Pay erfreut sich großer Beliebtheit bei Händlern, da es aus Kundensicht gleich doppelt komfortabel ist: Als Amazon-Kunde muss ich bei einem neuen Händler keinen neuen Account anlegen und auch keine Kontodaten hinterlegen, sondern kann einfach über mein bestehendes Amazon-Konto bezahlen. Schnell. Einfach. Zuverlässig. Gerade bei Spontankäufen.

Im Gegenzug weiß natürlich niemand so viel über Kunden und Konsumverhalten wie Amazon. Nicht nur, dass Amazon mit Abstand der größte Händler im Netz ist, es bündelt über seinen Marketplace allein in Deutschland über 60.000 Anbieter – und eben eine Menge weiterer Shops über seinen Bezahldienst.

Und wie weiter?

Je besser man seine Kunden kennt, desto mehr maßgeschneiderte Angebote kann man ihnen machen. Man kann ihnen für Verbrauchsartikel einen automatischen Nachbestell-Knopf namens Dash anbieten, auf dass ihnen nie wieder das Lieblings-Klopapier, das Waschmittel oder das Kaffeepulver ausgehe.

Man weiß, wofür die Leute ihr Geld ausgeben, was sie sich wünschen, wofür sie anfällig sind – wofür man ihnen in Zukunft ja vielleicht auch noch eine Finanzierung oder einen Kredit anbieten könnte.

Oder man macht es wie andere FinTechs, die einem automatisch die eigenen Kontoumsätze analysieren, nach Budgets gruppieren und Optimierung-Möglichkeiten für Versicherungen, Telekommunikation oder Engergiekosten vorschlagen.

Oder Preisvergleiche, da es die Lebensmittel bei einem anderen Händler günstiger gibt. (Hat man da nicht gerade für 13,7 Milliarden Dollar eine Lebensmittelkette gekauft?)

Wie gut, dass Alexa bereits bei einem wohnt, den Haushalt und seine Bewohner bestens kennt und einem gerne dabei hilft, das eigene Leben zu optimieren …

Natürlich alles ganz freiwillig. Niemand zwingt uns. Es ist einfach so furchtbar bequem. Es würde mich also nicht wundern, wenn wir uns nicht nur freiwillig Abhöranlagen im eigenen Haus installieren und uns auf Schritt und Tritt tracken und überwachen lassen, sondern auch unsere Kontodaten offenlegen. Es ist ja alles nur zu unserem Besten. Und sparen kann man bestimmt auch noch dabei.

Weitere Quellen:

Information der Deutschen Bundesbank

Artikel in der Berliner Morgenpost

Analyse im Deutschlandfunk