Eine Branche mit Umsatzwachstum

Gamescom 2015: Ade Klischee

9. August 2015
von Börsenblatt
Es ist noch gar nicht lange her, da galt die Bezeichnung Zocker ab einem bestimmten Alter als uncool. Naja, so richtig hip waren die Spieler – die lange Zeit mit dem Klischee der computerblassen, untrainierten Kellerkindern zu kämpfen hatten – ja ohnehin nicht. Wer sich 2015 auf der Gamescom umschaut, stellt schnell fest, dass das Zocken mittlerweile gesellschaftsfähig ist –und die Branche boomt.

Fans der Gamescom, die von den Größenverhältnissen und den Besucherzahlen locker mit der Frankfurter Buchmesse mithält, jedoch nur ein Zehntel der Aussteller hat, nehmen sich Zeit für den Besuch – gerne bis in die Abendstunden hinein. Wer die neusten Spiele schon vor Veröffentlichung wenige Minuten ausprobieren will, muss mit Wartezeiten von mehreren Stunden rechnen. Die Gamescom hat reagiert: Dauerkarten wurden abgeschafft, Tagestickets wurden beschränkt. Die Messe ist ausverkauft. Wer Glück hat, bekommt vor Ort noch ein Nachmittagsticket, falls bereits genügend Besucher die Messe wieder verlassen haben. Das Bild der Fans ist bunt gemischt, doch nur die Cosplayer, die sogar ihr eigenes Dorf auf dem Gelände haben, fallen hier so richtig auf. Ansonsten ist von jung bis alt alles vertreten und auch bei den Frauen scheint das Gaming immer mehr in Mode zu kommen. Bereits ein gutes Viertel der Besucher ist weiblich. Um bei den Massen das Big Business nicht zu gefährden, gibt es deshalb die für die Öffentlichkeit zugängliche Consumer Hallen sowie den abgegrenzten Business Bereich, wo den Ausstellern auch noch einmal eigene Stände und Besprechungsräume zur Verfügung stehen.

Der Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) gibt an, dass mit dem Verkauf von Spielen für PC, Konsole, Handheld sowie Smartphones und Tablet Computer im der ersten Jahreshälfte 534 Millionen Euro umgesetzt wurden, drei Prozent Steigerung zum Vorjahreszeitraum. Darin sind weder Umsätze mit virtuellen Gütern und Zusatzinhalten noch Abonnement-Gebühren oder kürzlich erschienene Spiele-Hardware inbegriffen. Laut Expertenbefragung des BIU in Kooperation mit der GfK sieht die Prognose bei optimalem Verlauf rosig aus. Das Wachstum von elf Prozent aus dem Vorjahr könnte durchaus übertroffen werden.

Doch was passiert tatsächlich gerade in dieser Branche, die solche Summen umsetzt? Die Spielewelt wird noch immer von den großen globalen Playern aus Japan und der USA dominiert. Die haben mittlerweile auch das Potenzial des europäischen Markts für sich entdeckt, was den starken Zuwachs an Vertriebsniederlassungen und die immer zahlreicheren Übersetzungen erklärt. Mittlerweile müssen Fans auch nicht mehr darauf warten, dass Spiele und Konsolen irgendwann endlich auf unserem Markt erhältlich sind, nachdem sie in anderen Ländern längst gelauncht wurden. International entwickelt wird hier von den großen Firmen wie Electronic Arts jedoch noch nicht.

Trotzdem brauchen sich auf der Messe auch die deutschen Entwickler nicht verstecken. Astragon zum Beispiel, bekannt durch unzählige Simulatoren wie den Landwirtschaftssimulator oder den Bausimulator, hat den Nerv unseres planungswütigen Völkchens getroffen. Das Geschäft boomt. Anders hingegen sieht es auf der internationalen Ebene bei Blizzard aus. Obwohl »World of Warcraft« bei den Fans noch immer als Kult gilt, laufen Blizzard Entertainment die monatlich zahlenden Abonnenten weg. Ob die neue Erweiterung »Legion« daran etwas ändern kann, ist fraglich. So wie das Aboformat ins Abseits gerät, freut sich das Free-to-play-Modell immer größerer Beliebtheit. Hier wird das Spiel, wie zum Beispiel das Echtzeit-Online-Strategiespiel »Dota 2«, kostenlos abgegeben und durch zahlungspflichtige Erweiterungen wie neue Welten oder Items  finanziert. Auch Games, die ursprünglich als Abo geplant waren, wurden mittlerweile auf free-to-play umgestellt.

Regionale und internationale Turniere sind ein weiterer Trend, der sich natürlich auch auf der Gamescom widerspiegelt. Die Preisgelder gehen dabei in sechststellige Dimensionen. Auch das Zuschauen wird immer beliebter. Was in Asien bereits gang und gäbe ist, kommt langsam auch in Deutschland an. Zwar gibt es hier noch keine Liveübertragungen auf speziellen Fernsehsendern wie in Korea, doch das Interesse ist da. Im Juni fanden sich zum Beispiel Tausende Zuschauer auf dem E-Sport-Turnier ESL One in der Commerzbank Arena in Frankfurt am Main ein. Tendenz steigend. Mittlerweile gibt es sogar offizielle Ligaspiele. Spätestens jetzt wird deutlich, dass das Gaming gesellschaftsfähig ist.