Instant Articles & Co.

Warum On-Platform-Content eine schlechte Idee ist

13. Januar 2016
von Börsenblatt
Kurzfristige, kaum zwingende Vorteile. Langfristige, äußerst unangenehme Nachteile. Auf On-Platform-Content sollte man als kleiner oder mittelgroßer Publisher lieber verzichten – und stattdessen auf andere Marketing-Strategien setzen.

Was haben so unterschiedliche Publikationen bzw. Medienhäuser wie Bento, Berliner Morgenpost, BILD, Bravo, Bunte, Chip, Cosmopolitan, Elle, Express, Focus, Handelsblatt, Huffington Post Germany, MOPO24, N-TV, Promiflash, RP-Online, Spiegel, Sport1, Stern, Tagesschau, Tagesspiegel, WAZ, WELT, Wired, ze.tt und Zeit gemeinsam? Sie mischen inzwischen alle bei Facebooks »Instant-Articles«-Projekt mit. Seit Dezember 2015 ist der Mobile-Dienst auch für Android-Nutzer verfügbar – die wiederum ein sehr großes Stück vom Mobile-Web-Kuchen ausmachen.

Die Technologie-Seite t3n konstatierte dann auch am Neujahrstag, dass On-Platform-Content einer der wichtigsten Social-Media-Trends für 2016 wird. Und wie zur Bestätigung verbreitete sich kurz darauf die Nachricht, dass Twitter seine Begrenzung auf 140-Zeichen kippen und durch ein großzügiges 10.000-Character-Limit ersetzen will (was beim blauen Vögelchen viel Platz für redaktionelle Inhalte schaffen würde).

On-Platform-Content, das klingt doch ganz ungefährlich. Außerdem: Ist das überhaupt etwas Neues? Die Zeit der spartanischen, unregelmäßigen Status-Updates ist doch längst vorbei. Fanpage-Admins laden täglich tonnenweise Kommentare, Fotos und Grafiken hoch. Und wenn die Inhalte auf den Servern der großen Plattformen liegen, wird alles schick-interaktiv-social, oder? Die Performance verbessert sich ebenfalls – Instant Articles erreichen das Smartphone wie ein geölter Blitz.

Mag alles sein, jedoch: Ein wichtiger Aspekt wird gerne ausgeblendet. On-Platform-Content in seiner »Idealform« - wir sprechen also von vollständigen, redaktionellen Beiträgen, die in kurzen Abständen auf Social-Media-Pages geschoben werden – führt zu noch größerer Abhängigkeit von ohnehin schon viel zu mächtigen Playern wie Facebook. Bereits vor vier Jahren warnte Sascha Lobo in einem ähnlichen Kontext von einem Web, das »nur geborgt« ist. Ich würde sagen: Instant Articles sind der ultimative Deal zugunsten des Verleihers. Und dann war da vergangenen Herbst der Artikel von Matthew Ingram über den Tod des Links. Der wird durch Instant Articles (und das vergleichsweise harmlose Twitter Moments) massiv vorangetrieben. Verlinkte URLs – war das nicht mal etwas ganz Essentielles?

Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: On-Platform-Content ist eine verdammt schlechte Idee. Es mag kurzfristige Vorteile geben. Die langfristigen Nachteile könnten aber fatal sein. Da wären zum einen die (schweren) Traffic-Verluste, weil die Leser den »walled garden« nicht mehr verlassen. Und zum anderen die zensierten, gelöschten bzw. wegen mangelnder Zahlungsbereitschaft einfach schlecht sichtbaren Inhalte auf der »Platform«.

Ich mag da ein bisschen altmodisch sein, aber für mich ist Social-Media ein Satellitensystem, kein Mutterschiff. Wenn Sie – gerade als kleiner oder mittelgroßer  Publisher – Ihren Lesern entgegenkommen wollen, basteln sie an einer schicken, leichtgewichtigen Responsive-Website mit exklusiven Inhalten. Und sorgen sie durch kanalübergreifende Kommunikation, interessante Teaser und solides Inbound-Marketing dafür, dass sie regelmäßig besucht wird. Das dürfte langfristig besser funktionieren als On-Platform-Content.