Marketing in Zeiten des direkten Leser-Kontakts

Was bedeutet Marketing Automation für Verlage?

29. Mai 2018
von Börsenblatt
Viele Verlage fragen sich, wie sie zusätzlich das Thema „Endkunden-/Leserbeziehung“ sinnvoll betreiben können bei begrenzten Budgets und Ressourcen. Zumal die Ansprache des einzelnen Lesers mit seinen individuellen Wünschen, Fragen und Bedürfnissen, also eine 1:1-Kommunikation, eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit ist. Gleichzeitig möchte man das Wissen um diesen Leser kontinuierlich vergrößern, dem man heutzutage an vielen (digitalen wie physischen) Kontaktpunkten begegnet. Eine Möglichkeit ist die Automatisierung der Marketing- und Kommunikationsbereiche unter dem Schlagwort „Marketing Automation“. Was aber genau verbirgt sich dahinter?
Drei Kernbereiche der Marketing Automation

Andreas Wagener, Professor für Digitales Marketing an der Hochschule Hof, unterteilt Marketing Automation in drei Bereiche:

  • Marketing Workflow Management,
  • Marketing Intelligence und 
  • Marketing Dialogue Processing

Marketing Workflow Management bezieht sich auf die Automatisierung der internen Marketingprozesse. Dazu gehört beispielsweise die Projektsteuerung im Marketing- und Vertriebsumfeld. Marketing Intelligence beschreibt das automatisierte Sammeln und die Auswertung von Userdaten. Darunter fallen sämtliche „im Hintergrund“ ablaufende Tracking- und Targetingmaßnahmen, die Auswertung der Surfhistorie von Nutzern, die Erfassung und Aufbereitung von Öffnungsraten, die Analyse von Stamm- und Kundendaten sowie letztlich die Verknüpfung aller dieser Informationen zu aussagekräftigen Kennzahlen und Reportings. Und Marketing Dialogue Processing erfasst hingegen das automatisiertes Abwickeln und/oder Steuern des Kundendialogs. Dieser Bereich kann also als eine Automatisierung des Kundenbeziehungsmanagements verstanden werden.

Marketing Automation ist nicht nur Software

Alex Schöpf, Marketing Automation Experte, sieht aus der Vogelperspektive das Thema als „Steuerzentrale für viele Prozesse“ und zieht eine klare Abgrenzung zum Thema „Customer Relationship Management“: „CRM verfügen nicht über die breit gefächerte Lösungen zu Kommunikations- und Nachrichtenoptionen von Marketing Automation: Sie kommen nicht über E-Mail und Telefon hinaus, während Marketing Automation Kampagnen hier noch deutlich mehr zu bieten hat“. Insofern sind CRM-Systeme die Basis für Marketing Automation, nicht mehr, nicht weniger.
Alex Schöpf weiter: „Tatsächlich umfasst Marketing Automation aber mehr als lediglich automatisierte Marketingaufgaben durchzuführen. Konsequent umgesetzt nehmen diese Software-Systeme auch Einfluss auf den Verkauf, Service, den Finanzbereich sowie die interne Kommunikation. Das gesamte Unternehmen profitiert also von der Automation.“ Damit ist Marketing Automation auch ein Organisations- und Change-Management-Thema. Und wie immer eine Frage der Strategie: Wer sich nicht darüber im Klaren ist, WARUM er oder sie Marketing Automation (und die nötigen Investitionen) einsetzen möchte, was die Zielsetzung ist, wird in jedem Fall Geld verbrennen.

Und wie machen wir das jetzt?

Ganz grundsätzlich ist es also nötig, sich zu überlegen, was man erreichen möchte – und zwar idealerweise zunächst auf der Basis einer Kontaktpunkte-Landschaft („An welche Stelle bekomme ich Informationen von meinem Leser oder wo und wie will ich diesen ansprechen“). Banalstes Beispiel: Wenn ein neuer Reihenband erscheint will ich die bisherigen Leser (Data Mining) weitgehend automatisiert ansprechen, zB auf der Website und per E-Mail-Marketing.
Danach folgt eine Betrachtung der technischen Voraussetzungen: was ist da an Infrastruktur und kann genutzt werden? Welche neuen Systeme müssen eingesetzt werden oder sollen Altsysteme abgelöst werden? Welche Schnittstellen werden benötigt?
Im nächsten Schritt wird es kaufmännisch: Was können wir uns leisten? Muss alles auf einmal implementiert werden oder geht dies auch schrittweise? Und lassen Sie die Finger von vermeintlichen „eierlegenden Wollmilchsäuen“, beschäftigen Sie sich lieber mit dem Schnittstellenmanagement. Wichtig sind auch die Unternehmensorganisation und die internen Prozesse. Wo und wie verändern sich Abläufe? Braucht es an bestimmten Stellen neues KnowHow?
Im letzten Schritt, in der praktischen Umsetzung und Einsatz, gilt wie immer die Regel: „low hanging fruits“ zuerst. Also Marketing Automation Projekte, die mit wenig Aufwand erste Erfolge, vor allem aber Erfahrung im Einsatz und im Umgang mit den Lesern zeitigen.

Mehr zum Thema Marketing Automation findet sich auch in der aktuellen Ausgabe des digital publishing report. Dieser kann hier kostenlos abonniert werden:
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Das Thema wird ebenfalls auf der Jahrestagung der IG Digital 2018, die am Vortag der Buchtage Berlin stattfindet, behandelt: "Marketing ohne Manager? Kunden gezielt ansprechen mit Marketing Automation: Best Practices aus der Modebranche". Mehr dazu hier:
https://www.igdigital.de/jahrestagung-2018-programm-und-ablauf/