Typografie

Schule des Sehens

13. Juli 2007
von Börsenblatt
Karin und Bertram Schmidt-Friderichs (Hermann Schmidt Verlag, Mainz) haben eine Stiftung in Gründung eingerichtet - mit dem Ziel, Buchkunde in den Lehrplänen der Grundschulen zu verankern. Die Verlegerin über ein Projekt, das sich verselbständigt hat.
Gemeinsam bringt das Verlegerpaar 20.000 Euro in die Stiftung ein. Weitere 5.000 Euro kommen von der Münchner Agentur Kochan & Partner - gleichzeitig Gastgeber des 4. Typotags, der gestern in München stattfand. Bei der Tagung stellte Karin Schmidt-Friderichs erste Buchkunde-Projekte mit Kindern vor, über die das Börsenblatt bereits berichtet hat. So konnten 100 Grundschüler in Mainz Kinderbücher bewerten und "Zeugnisse" für die Buchgestaltung ausstellen. Zum Typotag in München holte die Verlegerin zwei 3. Grundschulklassen in die Buchhandlung Hugendubel, wo der Lesenachwuchs Besonderheiten der Kinderbuchgestaltung erkundete und über Vor- und Nachteile unterschiedlicher Cover-, Schrift- und Seitengestaltung diskutierte. Schmidt-Friderichs hofft, dass sie noch weitere Mitstreiter für ihre Stiftung findet, die Kindern das Medium Buch, aber auch die Grundprinzipien guter Gestaltung näher bringen soll. Im Gespräch mit boersenblatt.net erläutert sie ihr Projekt genauer: Buchkunde-Unterricht an Grundschulen – wie ist diese Idee geboren worden? Schmidt-Friderichs: Am Anfang stand der Gedanke, den Nachwuchs selbst zum Thema Kinderbuchgestaltung zu befragen – weil die Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen mich um einen entsprechenden Vortrag gebeten hatte. Mittlerweile hat sich dieses Projekt an einer Mainzer Grundschule verselbständigt: Auf der Leipziger Buchmesse 2007 haben 100 Kinder mit mir zwei Stunden lang über Buchgestaltung diskutiert, wir planen ein „Train-the-Trainer“-Seminar für Lehrer – und eine frühere Praktikantin unseres Verlags entwickelt gerade Unterrichtsmaterialien für Buchkunde an Grundschulen, als Diplomarbeit an der Leipziger Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur. Wie viel Geld brauchen Sie, um Ihre Stiftung in Gang zu bringen? Schmidt-Friderichs: Etwa 60 000 Euro – wobei wir ja schon mit einem Grundstock von 25.000 Euro starten. Wir brauchen aber nicht nur Geld, sondern vor allen Dingen auch Idealisten, die uns mit ihrem Engagement unterstützen – beispielsweise einen Bücherwagendienst, der die Kinderbücher an die Schulen bringt. Wie groß sind die Chancen, dass Buchkunde tatsächlich den Sprung auf die Lehrpläne schafft? Schmidt-Friderichs: Es wird sicher nicht ganz leicht sein, diese Hürde bei den Kultusministerien zu nehmen. Privatinitiativen werden immer gern gesehen. Wenn das Engagement dann zum öffentlichen Programm werden soll, sieht alles ganz anders aus. Trotzdem bin ich optimistisch und denke sogar noch ein Stück weiter: Vielleicht steht am Ende eine Art „Führerschein für die Tastatur“ an den weiterführenden Schulen. Denn gute Gestaltung ist ja nicht nur für Bücher wichtig, sondern für alles, was schriftlich fixiert wird – on- oder offline, im Privat- wie im Arbeitsleben. Was haben Sie aus den Gesprächen mit den Kindern gelernt? Was sollten die Verlage beachten? Schmidt-Friderichs: Goldene Regeln für die Kinderbuchgestaltung gibt es nicht. Das wird ganz deutlich. Aber fest steht auch: Die Kinder schauen genau hin, filtern Unstimmigkeiten und Mogelpackungen sofort heraus. Verlage müssen auch bei der Gestaltung genau überlegen, wie sie sich als Marke profilieren können.