Herstellung

“Unternehmen werden künftig daran gemessen, ob sie Verantwortung für die Umwelt übernehmen wollen”

26. Juli 2007
von Börsenblatt
Das BÖRSENBLATT fragte Wolfgang Michael Hanke, Gesamtherstellungsleiter der Verlagsgruppe Random House und Umweltbeauftragter von Random House Deutschland, zur ökologischen Buchproduktion. Einen Artikel zu dieser Thematik können Sie heute in der aktuellen Ausgabe des BÖRSENBLATTs lesen. Das Interview im Wortlaut:
Seit drei Jahren drucken Sie einen Großteil Ihrer Bücher auf FSC-zertifiziertem Papier. Haben Ihre Käufer FSC-zertifiziertes Papier gefordert? Oder war es die Überzeugung des Verlags, etwas für die umweltgerechte Buchherstellung zu tun? Hanke: Wir drucken mittlerweile sämtliche Schwarz-Weiß-Hardcover und Taschenbücher ausnahmslos auf FSC-zertifizierten Papieren. Für unsere Farbbücher wächst das Angebot an zertifizierten Bilderdruckpapieren, und bei Substituten setzen wir bevorzugt zertifizierte Qualitäten ein. Der „durchschnittliche“ Buchkäufer klagt in der Regel sicherlich kein Umweltlogo im Impressum der Bücher ein. Anders sieht das natürlich bei Verlagen aus, die sich programmatisch mit Umweltthemen beschäftigen, wie der Riemann Verlag, dessen Bücher wir komplett auf 100% Recyclingpapier drucken. Ganz allgemein sind Umweltthemen derzeit hoch im Kurs, nicht zuletzt ausgelöst durch das Engagement von Al Gore; aber auch die Sensibilität der Buchkäufer wächst. Wir wollten nicht erst reagieren, wenn der Druck von außen uns zum Handeln zwingt, sondern wir wollen aus eigenem Antrieb Verantwortung übernehmen und Umweltpolitik im Rahmen unserer Möglichkeiten aktiv mitgestalten. Wie viel Prozent Ihrer aufgelegten Bücher machen denn die Schwarz-Weiß-Bücher aus? Hanke: Etwa 80 Prozent. Bei Random House existiert seit drei Jahren eine Umweltleitlinie und bei Bertelsmann eine so genannte „Environment Taskforce“, darüber hinaus wurden Sie zum Umweltbeauftragten des Verlags ernannt. Was genau verbirgt sich hinter der Leitlinie, der Taskforce und Ihrem Auftrag? Hanke: Der Umgang mit unserer Umwelt und unseren Ressourcen hat für Bertelsmann hohe Priorität. Ein wichtiges Forum dazu ist die „Bertelsmann Environment Taskforce“. In dieser bereichsübergreifend internationalen Arbeitsgruppe treffen sich regelmäßig Umweltexperten, Produktionsleiter und Papiereinkäufer, um sich über ökologische Themen auszutauschen und Best-Practice-Beispiele vorzustellen. Als ein Ergebnis der Taskforce wurde im Herbst 2004 erstmals eine unternehmensübergreifende Umweltpolitik verabschiedet und 2005 eine „Paper Policy“ erarbeitet. Arvato, die Verlagsgruppe Random House und andere Bereiche haben darüber hinaus eigene Umweltleitlinien verabschiedet, die auf die jeweiligen Aktivitäten der Geschäftsfelder abgestimmt sind. Papier spielt in einem Buchverlag nun mal eine zentrale Rolle. Nun ist ja das FSC-Papier nur ein Teilaspekt bei der Buchherstellung. Achten Sie auch bei der Produktion auf umweltgerechte Methoden? Hanke: Naturgemäß steht bei uns als Buchverlagsgruppe Papier im Zentrum unserer Anstrengungen, aber FSC steht ja u.a. auch für die Berücksichtigung sozialer Belange wie beispielsweise Arbeitssicherheit in den Forsten. Natürlich sind wir im Gespräch mit unseren konzerneigenen Druckereien bezüglich Schadstoffreduzierung, Energieeffizienz, Unfall- und Lärmschutz und anderen Umweltthemen. Sind FSC-Papiere teurer als normales Papier? Hanke: Die Zertifizierung selbst kostet die Betriebe einen (geringen) Jahresbetrag, sie müssen ihre Stoffkreisläufe separieren, entsprechende Mengenströme nach­weisen und transparent machen. Zudem sind FSC-zertifzierte Zellstoffe bzw. Hölzer in der Regel etwas teurer. Wir versuchen, mit den Papiermühlen zusammen durch Synergien, Effizienz- und Produktivitätsvorteile die Mehrkosten wieder einzufangen, was uns meist auch gelingt. Wenn nicht, akzeptieren wir in Ausnahmefällen auch geringfügig höhere Preise. Wir können den Spieß aber auch herumdrehen: Ohne Zertifizierung sinken die Chancen, von uns Aufträge zu erhalten. Wie fließt das in die Verlagskalkulation ein? Hanke: Wir verkaufen durch das FSC-Logo im Impressum kein Buch mehr und können leider auch den Ladenpreis nicht erhöhen, nehmen den geringen Mehrpreis einfach hin. Was sagen Sie zu Kleinverlagen, die aufgrund von angeblich höheren Herstellungskosten nach wie vor kein FSC-Papier benutzen? Hanke: Sie werden nicht viele – große oder kleine - Verlage finden, welche die angeblichen oder tatsächlichen Mehrkosten tatsächlich durchkalkuliert haben. Ich fürchte, da herrscht vielerorts noch viel Halbwissen. Die häufigste Reaktion ist: „Mich hat noch keiner danach gefragt.“ Ich denke, Unternehmen werden künftig zunehmend daran gemessen, ob sie Verantwortung für unsere Umwelt übernehmen wollen oder nicht. Das ist keine Frage von Größe, und der monetäre Aspekt ist meist doch nur vorgeschoben. Kann Ihr umweltgerechtes Engagement für Marketingzwecke eingesetzt werden oder wird das inzwischen vom Kunden als Selbstverständlichkeit hingenommen? Hanke: Kunden kaufen ein Buch wegen des Inhalts und des Autors. Aber unsere Kunden sollen voraussetzen dürfen, dass wir verantwortungsbewusst mit natürlichen Ressourcen umgehen. Den Umsatz steigern wir durch unsere Umweltaktivitäten eher nicht. In England beispielsweise ist der öffentliche Druck auf die Verlagshäuser enorm gewachsen, immer mehr Autoren wie Joanne K. Rowling verlangen für Ihre Bücher den Einsatz zertifizierter Papierqualitäten. Von Kundenseite ist noch wenig Druck zu spüren. Gerade haben die weltweiten „Live Earth“-Konzerte sieben Kontinente bewegt. Klimaschutz, globale Erwärmung und Kohlendioxid sind inzwischen Begriffe, die jedes Kind kennt. Es herrscht eine Aufbruchsstimmung in Sachen Umweltschutz. In welcher Hinsicht will oder könnte Random House das hauseigene Engagement für die Umwelt in der nahen Zukunft noch verbessern? Hanke: Ich denke, wir haben schon einiges erreicht, werden deshalb aber nicht die Hände in den Schoß legen. Recycling ist ein großes Thema, dem wir im Bereich Papier aus Qualitätsgründen bisher eher verhalten begegneten. Aber wie bei der chlorfreien Bleiche gibt es vielleicht auch hier einmal praktikable Lösungen. Energieeinsparung, ressourcen­schonende Produktionsmethoden, verantwortungsvoller Umgang mit Wasser im Produktionskreislauf … die Themen werden uns nicht ausgehen. Ich kann nur ganz persönlich sagen: es macht mehr Spaß, für ein Unternehmen zu arbeiten, das sich Umweltverantwortung auf die Fahnen schreibt. Und wenn man selbst ein Mosaiksteinchen aktiv zum Umweltschutz beitragen kann, umso besser. DOI: 10.1391/BBL-Online.20070726-oekologische_buchproduktion