Presseschau

Konzentration im Buchhandel, Kleist-Biografien

8. Oktober 2007
von Börsenblatt
"Verlage verscherbeln immer mehr Bücher zu Sonderkonditionen. Das nützt zwar zunächst den Lesern, doch der Machtkampf zerstört nicht nur die Existenzen der kleinen Händler", schreibt Steffen Fründt in der
"Das Karstadt-Manöver zeigt, dass eine weitere Eskalationsstufe in einem Verdrängungswettbewerb erreicht ist, der den Buchmarkt derzeit mit Gewalt in die Gegenwart der Marktwirtschaft katapultiert. Jahrzehntelang wurde die Szene von kleinen, Inhaber geführten Buchläden dominiert, in denen hinter den Schaufensterscheiben die Staubkörner tanzten. Nun geht das böse Wort Konsolidierung um. Die großen Ketten werden immer dominanter und verändern das Geschäft mit dem Buch grundlegend. ... Betrachtet man nur den Sortimentshandel, also die Buchläden, so kommen Thalia und DBH Buchhandel bereits auf einen Marktanteil von mehr als 24 Prozent. Und in den Buchhandlungen wird auch heute noch immer der Großteil des Geschäfts gemacht: insgesamt fünf Milliarden Euro Umsatz. Das sind 55 Prozent des Gesamtmarktes. In Bedrängnis geraten jedoch nicht nur die kleinen Buchhändler. Die machtvolle Expansion der Ketten hat auch zu einer grundlegenden Kräfteverlagerung in der gesamten Branche geführt: nämlich weg von den Verlagen. ... Schon heute müssen sich die Verlage ungünstige Konditionen gefallen lassen. Experten zufolge verlangen die Großfilialisten durch zahlreiche Sondervereinbarungen Rabatte von mehr als 50 Prozent beim Einkauf. Das verstieße gegen das Gesetz zur Buchpreisbindung. Laut Paragrafenwerk dürfen die Rabatte für Einzelhändler – dazu zählen Thalia und Co. – nicht den Nachlass für Zwischenhändler übersteigen. Und der liegt bei 50 Prozent. Offiziell wird solches Gebaren nicht bestätigt. Zudem wächst die Zahl von Sondereditionen, die exklusiv für Großabnehmer produziert werden und preislich unter den allgemeinen Verlagsprogrammen liegen. Die Buchpreisbindung, gedacht zum Schutz des Kulturguts Buch, wird weiter ausgehöhlt. "Risse, Küsse, Bisse" - Hubert Spiegel hat sich für die "FAZ" die Belletristik der Herbstsaison angesehen, ganz besonders die neuen Kleist-Biografien: Wem auf Erden nicht zu helfen ist, der wird auch auf der Buchmesse nicht glücklich. Wenn wir uns Heinrich von Kleist nur für eine Sekunde in einer der Messehallen vorstellen, fällt uns sofort jener berühmte Satz ein, den Kleist an seinen Schwager schrieb: „Ich bitte Gott um den Tod und dich um Geld“. Kürzer und drastischer ist das Künstlerdrama der zwischen Erlösungssehnsucht und Verarmungsangst, zwischen Transzendenz und schnödem Diesseits hin und hergeworfenen Dichterseele nicht auf den Punkt zu bringen. Gleich drei Biographien versuchen in diesem Bücherherbst das Phänomen Kleist zu erhellen. Knapp und solide tut dies Herbert Kraft („Kleist“. Leben und Werk, Aschendorff Verlag), während Jens Bisky mit Leidenschaft und feuilletonistischem Schwung Kleist zum „größten politischen Dichter der Deutschen“ ausruft und nachzeichnet, welch heikle Konstellationen die Ideale der Aufklärung und der französischen Revolution in Kleists Leben und Werk eingingen („Kleist“. Rowohlt Berlin). Mehr dem Leben als dem Werk gilt das Interesse von Gerhard Schulz („Kleist“. Eine Biographie, C. H. Beck), der manches Rätsel auf dem Lebensweg des Dichters, etwa die nebulöse Würzburg-Reise, wie einen Luftballon behandelt: Leichthändig lässt er die Luft heraus. Bei aller kalten Logik im Lebensdetail wahrt Schulz aber den Respekt vor dem Rätselhaften der Gesamtexistenz. Wenn Kleist es überhaupt auf einer Buchmesse aushalten könnte, dann also auf dieser. Allerdings müsste er ertragen, dass es noch weitere Dichterbiographien gibt: Helmuth Kiesel („Ernst Jünger. Die Biographie“, Siedler-Verlag) hat sich ebenso wie Heimo Schwilk („Ernst Jünger“, Piper) einer Jahrhundertfigur gewidmet, Holger Hof schildert Gottfried Benns „Leben in Bildern und Texten“ (Klett-Cotta), und Thomas Karlaufs vielbeachtete Biographie eines charismatischen Charakters („Stefan George“, Blessing) setzt in der George-Forschung neue Maßstäbe. Die wichtigste Neuausgabe eines Klassikers gilt Stendhal: Elisabeth Edl hat „Die Kartause von Parma“ (Hanser) glanzvoll neu übersetzt.