Presseschau

Maxim Biller, Kafka, Saul Friedländer

13. Oktober 2007
von Börsenblatt
Uwe Wittstock kommentiert in der "Welt" das gestrige Urteil im Fall Biller. Weitere Themen: Kafka-Ausgaben und Saul Friedländer .
"Was werden die Folgen für die Literatur hierzulande sein?", fragt Uwe Wittstock in der "Welt" nach dem gestrigen Urteil im Fall Biller. "Spätestens hier wird der Skandal dieses Prozesses, wird die einseitige Bevorzugung des Persönlichkeitsrechtes auf Kosten der Literaturfreiheit offenkundig. In allen Urteilen nämlich wurde aus der Übereinstimmung bestimmter biografischer Daten der Romanheldinnen mit denen der Klägerinnen auf die Identität zwischen fiktiven Figuren und realen Personen geschlossen. Die Richter gehen - soweit sie nicht Sondervoten formulierten - damit nicht nur entschlossen an den Erkenntnissen der Literaturwissenschaft vorbei, sondern sie löschen die Freiheit der Kunst aus. Denn sobald Ähnlichkeiten zwischen fiktiven Figuren und realen Personen zu entdecken sind, behandeln sie den Roman nicht als Kunstwerk, sondern als Tatsachenbericht. Wenn Literatur aber, sobald es zu einem Konflikt kommt, de facto als Tatsachenbericht behandelt wird, hat es keinen Sinn mehr, von spezifischer Literaturfreiheit zu reden.Was werden die Folgen für die Literatur hierzulande sein?" Stoemfeld-Verleger KD Wolff schreibt in der "Frankfurter Rundschau" über Kurt Wolff, den ersten Verleger Kafkas. "Statt Kurt Wolff als ersten Verleger Kafkas zu verehren oder gar zu lieben, bin ich immer eher - neidisch auf ihn gewesen. Und ich habe nie Bernhard Zeller geglaubt, der 1966 im Vorwort zu Kurt Wolffs "Briefwechsel eines Verlegers 1911 - 1963" (Scheffler-Verlag, 1966) gut behaupten kann: "Kurt Wolff hat von Anfang an mit einem sicheren Gefühl den Rang Kafkas erkannt und nie an ihm gezweifelt." Gerrit Bartels spricht im "Tagesspiegel" mit dem Historiker Saul Friedländer, der am Sonntag in Frankfurt mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt wird. "Wann wurde Ihnen klar, dass Sie die Geschichte des Holocaust erforschen müssten? War die Beschäftigung mit Ihrer Familiengeschichte in dem Buch „Wenn die Erinnerung spricht“ ein Auslöser? Da schreiben Sie über das Verschwinden und den Tod Ihrer Eltern, wahrscheinlich in Auschwitz. Sie prägten den Begriff, „von dem Grauen, dass es durch die Erinnerung zu bannen“ gilt, von der „Unruhe der Erinnerung“. Es stimmt, dass meine Autobiografie mich damals auf diesen Weg geführt hat. Entscheidender war der Historikerstreit hier in Deutschland, 1986, woraufhin ich auch meine Debatte mit dem Kollegen Martin Broszat um die Historisierung des Nationalsozialismus geführt habe. Broszat unterstellte unter anderem, dass Juden, weil ihre Erinnerung an den Holocaust eine mythische sei, keine rationale Geschichte über ihn schreiben könnten – so, als wären deutsche Historiker, die mindestens zur HJ-Generation gehörten, gänzlich unbefangen. Das ärgerte mich ."