Second Life

»Der Hype ist nicht vorbei«

15. November 2007
von Börsenblatt
Im BÖRSENBLATT-Thema der Woche geht es heute um die dreidimensionale Computerwelt Second Life und die Frage, wie Medienunternehmen und Verlage die virtuelle Welt für sich nutzen können und sollten. »Der Hype ist nicht vorbei. Die richtige Nutzung fängt jetzt erst an«, sagt Christoph Lattemann im Interview mit boersenblatt.net.
Warum ist für viele die virtuelle Welt nicht mehr so interessant? Ist der Hype schon wieder vorbei? Lattemann: Es mag sein, dass der erste MEDIEN-Hype von Second Life vorbei ist, weil die Medien sich auf neue Themen konzentrieren, jedoch sind meiner Meinung nach „virtuelle Welten“ ein nachhaltiges Thema. Die Anzahl von Neuanmeldungen zeigt, dass Second Life immer noch äußerst viele Nutzer anzieht. In den letzten 6 Monaten haben sich auf Second Life jeden Monat etwa 1 Millionen neue Nutzer angemeldet. Heute gibt es insgesamt mehr als 10 Millionen Nutzer auf Second Life. Andere virtuelle Welten, und vergleichbare Spieleplattformen zeigen parallele Entwicklungen auf, so hat World of Warcraft sogar weit über 10 Millionen zahlende Nutzer. Der Hype ist also nicht vorbei. Meiner Meinung fängt die richtige Nutzung erst jetzt an. Was müssen Unternehmen beachten, wenn Sie in Second Life erfolgreich sein wollen? Lattemann: Unternehmen dürfen zunächst nicht mit übersteigerten Return on Investment (ROI) Erwartungen auf virtuellen Welten, bzw. Second Life einsteigen. Reine Marketing-Effekte sind nur noch bei innovativen Umsetzungskonzepten zu erwarten, die über das bloße Transferieren klassischer Methoden und Ansätze hinausgehen und die potenziale virtueller Welten umfänglich nutzen. Ansatzpunkte hierfür bieten zum Beispiel Bereiche der effizienten Kundenintegration, bzw. Mass Customization an. Welche Konzepte auch immer realisiert werden, sie müssen wohl überlegt und mit bestehenden Marketing- und Produktionskonzepten in der realen Welt abgestimmt und gekoppelt werden. Was im Internet zählt, zählt auch in virtuellen Welten: ein schlechter Auftritt in virtuellen Welten kann sich nachteilig auf Aktivitäten in der realen Welt auswirken. Weiterhin bieten virtuelle Welten ein erhebliches Potenzial, um positiv auf die Interaktion und Kollaboration zwischen Unternehmen und Kunden einzuwirken. Potenzielle Produktentwicklungsphasen, die durch Kundenbeiträge in Second Life unterstützt werden könnten, müssen zunächst zusammen mit den zu vermarktenden Produkten identifizieren werden. Eine Integration z.B. in die Content Management Systeme der Unternehmen und in das Kundenmanagement muss erfolgen. Erst so kann zum Beispiel ein schlüssiges Kundenintegrationskonzept entwickelt werden. Kann man mit Second Life auch Geld verdienen? Lattemann: Primäres Ziel von Unternehmen sollte es heute nicht sein, mit Second Life oder in einer anderen virtuellen Welt Geld zu verdienen. Vielmehr sollten Unternehmen schon heute diese Plattformen nutzen, um sich mit den Potenzialen von drei-dimensionalen, Avatar-unterstützen Welten in den Bereichen Kommunikation, Kooperation und Kollaboration auseinander zusetzen. Ausgereifte und belastbare Geschäftskonzepte und Möglichkeiten zur Implementierung dieser Plattformen, zur inter- und intra-organisationalen Zusammenarbeit müssen noch entwickelt werden. Unternehmen, die sich hier frühzeitig positionieren, können durchaus Geld verdienen und mit guter PR rechnen. Ist die Zeit noch nicht reif, für solche Spielereien? Lattemann: Vielleicht begreifen viele Leute virtuelle Welten als Spielerei. Jedoch sind virtuelle Welten wie Second Life keine Spiele. Es gibt keine Levels, es gibt kein „Game over“, es gibt noch nicht mal Ziele, die erreicht werden müssen. Ich denke, virtuelle Welten stehen heute vor einer Entwicklung, wie das Internet 1994. Auch der Nutzer muss erst lernen, mit den neuen Möglichkeiten umzugehen. Drei-dimensionale, animierte Welten werden in Zukunft das Internet deutlich beeinflussen und prägen. Ob sich dabei Second Life durchsetzen wird, ist fraglich, andere Plattformen werden womöglich folgen. Christoph Lattemann ist Juniorprofessur für Corporate Governance und E-Commerce an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam.