Internet

Bücher in virtuellen Welten

28. November 2007
von Börsenblatt
»Virtuellen Welten im Internet« war der Münchner Kreis auf der Spur, als er vergangene Woche zu einer Fachkonferenz einlud. Ein besonderer Clou war, dass die gesamte Konferenz in Second Life übertragen wurde. boersenblatt.net sprach mit Christian Damke von Random House über die Chancen des Buchgeschäfts und Buchmarketings in virtuellen Welten.
Welche Möglichkeiten bieten sich Buchverlagen in virtuellen Umgebungen? Damke: Wir beobachten virtuelle Welten und haben eine Präsenz in Second Life errichten lassen, um drei Fragen zu prüfen: Können wir virtuelle Welten nutzen, um die Bekanntheit unserer Bücher und Autoren zu steigern? Wollen sich unsere Leser auch in virtuellen Welten mit unseren Büchern beschäftigen, Titel entdecken und zur Probe lesen sowie mit anderen Lesern über die Themen unserer Bücher diskutieren? Benötigen unsere Handelspartner andere Werbemittel beim Marketing in virtuellen Welten? Wie gehen Sie mit potentiellen Kunden in Second Life um? Damke: Wir verkaufen ja keine Bücher in Second Life, sondern präsentieren diese nur, stellen dem Besucher Bücher zum »Blättern« zur Verfügung. Und wir arrangieren für unsere Autoren, wenn von diesen gewünscht, einen Auftritt in virtuellen Welten. Eine wichtige strategische Zielgruppe für die Verlage und den Buchhandel sind eben die genannten »modernen Performer«. Als anspruchsvolle Käufergruppe prägen sie schon heute die Anforderungen an den Buchhandel und an virtuelle Angebote rund um das Buch. Können Sie das näher erläutern? Damke:Moderne Performer fühlen sich in neuen Medien gut aufgehoben und agieren dort nach dem Kosten-Nutzen-Prinzip. Das heißt, sie »surfen« im Netz auf der Suche nach Informationen und Unterhaltung, haben keine Hemmungen, online oder offline zu kaufen, sind technisch fortgeschritten, treffen eigenständige Kaufentscheidung in der Gruppe und lesen Empfehlungen und Bewertungen genau. Wir haben allerdings festgestellt, dass Kundenkommunikation in virtuellen Welten wie Second Life zur Zeit nur mit hohem Aufwand möglich ist, da echtes Direktmarketing wegen der Anonymität der Avatare schwierig und auch von Kundenseite nicht immer gewünscht ist. Könnte man sagen, dass die nahe Zukunft im Buchmarketing darin liegt, gängige Werbekampagnen mit Kampagnen im Second-Life-Bereich zu koordinieren? Damke: Bücher werden seit langem auch online verkauft. Virtuelle Welten bieten dafür weitergehende Produktpräsentationsmöglichkeiten als das »normale« Internet. Ich möchte hier ganz bewusst nicht nur Second Life nennen, sondern auch auf die anderen bereits bestehenden virtuellen Umgebungen wie etwa MTV Virtual Worlds verweisen. Von unseren Handelspartnern hat zum Beispiel Weltbild eine große virtuelle Repräsentanz in Second Life errichtet und benötigt dort möglicherweise andere Werbemittel als in den physischen Filialen. Wir können durch die »World of Books« testen, was umsetzbar ist und bei Kunden ankommt. Wie kann man Autoren im Second-Life-Bereich präsentieren? Ist eine virtuelle Lesung dasselbe wie eine real erlebte? Damke: Nein, eine echte Lesung ist natürlich immer noch etwas ganz Besonderes und soll auch nicht ersetzt werden. Ein Vorteil virtueller Welten ist sicherlich, dass auch Menschen daran teilnehmen können, die sonst nicht in der Lage wären, wegen einer Lesung in eine andere Stadt zu fahren. Gibt es bereits Autoren, die eine multmediale Werbebegleitung für ihr neues Buch erwarten? Damke: Wir begleiten Lesungen und Gewinnspiele unserer Autoren in Second Life. Christian Stöcker hat mit seinem »Second Life«- Buch bei Goldmann auf der Politik.de-Insel virtuos diskutiert. Viele Autoren erwarten von Ihren Verlagen die multimediale Begleitung einer Neuerscheinung, insbesondere dann, wenn sie sich inhaltlich mit entsprechenden Themen beschäftigen oder auch eine online-affine Zielgruppe bedienen. Angeblich geht die Begeisterung für Second Life wieder zurück. Die Möglichkeiten der Interaktion sind noch begrenzt, ebenso die Leistung der Systeme. Aber das wird sich wahrscheinlich schnell ändern. Welche Entwicklungsmöglichkeiten bietet Ihrer Meinung nach das 3D-Internet für den Buchmarkt? Damke: Man kann sagen, dass die Besucherzahl auf der »World of Books« aus zwei Gründen überschaubar ist: Zum einen ist die Anzahl deutschsprachiger Nutzer gering, zum anderen haben wir keinerlei Werbung für die Präsenz betrieben. Unsere Autorenveranstaltung in Second Life war aber ausgebucht und das Interesse am vorgestellten Buch hoch. Direkte Kundenkommunikation ist und bleibt weiterhin sehr schwierig in einer anonymen virtuellen Welt. Daher lautet das Fazit: Es war spannend und lehrreich, in Second Life die Grenzen des heute technisch Machbaren auszuloten, ein besseres Verständnis für das Marketing in solchen Welten zu entwickeln und als Verlag seine Autoren, Leser und Handelspartner auf der Suche nach dem richtigen Geschäftsmodell zu begleiten. Interview: Andreas Trojan Zur Person Christian Damke wurde 1975 in München geboren. Nach dem Abitur studierte er an der Brunel University in England Volkswirtschaft. Es folgten mehrere Jahre Projektarbeit für Beratungsunternehmen so wie ein zweijähriges MBA-Studium an der IESE Business School in Barcelona. Seit 2005 war Damke im Rahmen des Bertelsmann Entrepreneurs Program für verschiedene Unternehmen von Bertelsmann tätig. Damkes Schwerpunkt liegt im Aufbau und der Weiterentwicklung von neuen Geschäftsmodellen. Seit Oktober 2006 ist er Projektmanager in der Unternehmensentwicklung der Verlagsgruppe Random House in München.