Meinung

Und nie auf Buchhändler hören!

29. November 2007
von Börsenblatt
Verlagsgründung: Tipps für Leute, die partout selbst scheitern wollen. Von Vito von Eichborn.
Es gibt entschieden zu viele gute Bücher. Lassen wir gedanklich den Schrott mal weg (was auch immer das sein mag in den Augen des Betrachters) – niemand von uns kann auch nur einen Bruchteil der wirklich guten Novitäten wahrnehmen oder gar lesen. Wofür braucht diese Welt des Überangebots von tollen Büchern also einen neuen Verlag? Die Neugründung eines reinen Publikums- oder gar Literaturverlags geht überhaupt nicht. Wer etwas von einer Nische versteht oder von einer Zielgruppe, hat bessere Karten. Für die Programmarbeit gilt: Wenn man sich nach den Mehrheiten richtet, macht man sicherlich weniger Fehler. Aber der Durchschnitt, der es allen recht machen will, war noch nie innovativ. Nie auf Buchhändler oder Feuilletons hören! Ihre Erfahrungen sind von gestern. Die Backlist erwirtschaftet den laufenden Verlagsunterhalt. Ohne einträgliche Copyrights kann man’s lassen. Eine Neugründung ist, da immer ohne Backlist, also nicht lebensfähig. Doch wir wissen: Manchmal geht das Kamel durchs Nadelöhr. Wer nicht reich ist und einen gesunden Menschenverstand hat, lässt es bleiben. Wer Autoren und Mitarbeiter zu gut bezahlt und dazu noch wertvolle Materialien verwendet, ist nicht geizig – und hat keine Chance. Wer nicht der Meinung ist, dass jedes erfolgreiche Buch am Markt, das ins eigene Programm gepasst hätte, ein persönlicher Fehler ist, ist nicht gierig – und hat keine Chance. Je intelligenter ein Buch ist, desto weniger Leser gibt es dafür. Der Markt verlangt das Triviale. Das Kernproblem von Neugründern ist in aller Regel – und dies gilt besonders für die Literatur –, dass sie zu anspruchsvoll sind. Viele Lektoren aus traditionsreichen Häusern sind zu klug, zu gebildet, auch zu missionarisch, als dass sie »marktfähigen Kram« machen könnten, selbst wenn sie es wollten. Wer zu viele Liebhabereien verlegt, hat schon verloren. Verkaufsqualität und Inhaltsqualität haben nur eine kleine gemeinsame Schnittmenge. Und nur die macht Sinn, verlegt zu werden. Dummerweise gibt es solche Bücher so selten. Nur Erfolg bringt Erfolg, der Teufel scheißt auf den größten Haufen. Bücher im Lager, die sich nicht bewegen, sind wertlos. Also hemmungslos ramschen oder makulieren. Niemals als Neuling mit etablierten Verlagen konkurrieren. Die haben das länger gelernt. Die Liste der vom Kleinverlag entdeckten Autoren, die zum Konzern gewechselt sind, ist endlos – aus gutem Grund. Sollen sie, wenn jemand sie mit Marketingmacht und Scheckbuch abwerben will, aus Treue auf mehr Leser und Geld verzichten? So. Nun bitte dies noch einmal lesen. Nur die paar Stichworte notieren, die einleuchten. Dann den Rest vergessen. Und alles anders machen, als es hier oder sonstwo erzählt wird. Alles Neue entsteht an den Rändern. Was lohnt? Bemerkenswertes, Ungewöhnliches, Komisches, Geheimes, Ungeheuerliches und: Tabus. Diese Thesen sind dem Text »Auch Verlage sind nur Menschen« entnommen, erschienen in »Verlagsgründung« von Ralf Plenz (Input Verlag). Zu gebildet für marktfähigen Kram. Wie soll ein Verleger also noch Geld verdienen? Diskutieren Sie mit uns!