Antiquariat

Im Porträt: Wolfgang Sämann, Antiquar in Frankfurt-Höchst

6. Juni 2008
von Börsenblatt
Im Frankfurter Stadtteil Höchst leben über 13.000 Menschen, davon knapp 40 Prozent nichtdeutscher Herkunft. Die Bücherversorgung leisten eine Sortimentsbuchhandlung und das Antiquariat Sämann. Wir haben Wolfgang Sämann (geb. 1949) in Höchst besucht.
Wann wurde das Antiquariat gegründet? Seit wann sind Sie Inhaber? Sämann: Das Antiquariat wurde 1952 von Dietrich Samland, der aus Dessau stammte, als Ladengeschäft in der Emmerich-Josef-Straße in Frankfurt-Höchst begründet, 1966 erfolgte der Umzug an den heutigen Standort in der Bolongarostraße. Mein Lebensentwurf war zunächst ein anderer: Ich bin gelernter Bankkaufmann, habe anschließend bis 1974 Betriebswirtschaft studiert und war danach bei den unterschiedlichsten Unternehmen im Finanzbereich aktiv. Antiquariatsbuchhandel war aber schon immer mein Interesse. Geboren wurde ich in Höchst, aufgewachsen bin ich dann im benachbarten Stadtteil Nied, daher kannte ich die Höchster Innenstadt und auch das Antiquariat Samland sehr gut. Eines Tages habe ich in der Zeitung gelesen, dass Dietrich Samland sein Geschäft verkaufen wollte und habe spontan zugegriffen. Das war 1993, vor 15 Jahren. Wo liegen die Schwerpunkte Ihres Angebots? Woher beziehen Sie Ihre Ware? Im Laden habe ich alle Gebiete vorrätig und die Bücher nach Sachgebieten geordnet. Besonderen Wert lege ich auf neue Belletristik, Krimis, spannende und historische Romane. Das zieht Kunden ins Geschäft, die nach relativ aktuellen Titeln suchen. Daneben habe ich mich auf Frankfurt, Frankfurter Geschichte, Mundart und Mundartdichtung spezialisiert. Oben in den Regalen stehen belletristische Titel aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, die ich in einem Katalog verzeichnet habe. Dieser kann im Laden eingesehen werden, separate Listen oder Kataloge verschicke ich nicht. Meine Ankäufe übernehme ich von Stammkunden, die zum Teil seit 35 Jahren dem Antiquariat treu sind, oder von Viellesern aus der Laufkundschaft. Ältere Kunden, die in eine kleinere Wohnung oder in ein Altersheim ziehen und deshalb ihre Bibliothek auflösen, bieten mir ebenfalls ihre Bücher an. Auf den ersten Blick scheint die Lage für ein Antiquariat in Frankfurt-Höchst nicht ideal? Haben Sie ein Erfolgsrezept? Die Situation für ein Ladenantiquariat in Höchst hat sich in der Tat in den letzten Jahren verschlechtert, was mit der strukturellen Entwicklung des Stadtteils zusammenhängt. Seit hier die Zentralverwaltung der Hoechst AG aufgelöst wurde, fehlt eine finanzkräftige Käuferschicht. Das Niveau ist deutlich gesunken. Zwar arbeiten im Industriepark Höchst noch rund 20.000 Menschen, aber sie kommen nicht mehr wie zu Hoechst AG-Zeiten in der Mittagspause in die Innenstadt, um etwa Bücher zu kaufen. Bis 2000 hat meine Frau im Laden mitgearbeitet, danach hat es sich nicht mehr gerechnet. Positiv wirkt sich jedoch der seit Jahrzehnten gleiche Standort meines Antiquariats aus, er ist bei den Kunden aus Höchst, den umliegenden und den Taunusgemeinden eine feste Größe. Bieten Sie auch Bücher auf Online-Plattformen an? Wie ist das Verhältnis zum Umsatz im Laden? Ich biete ausschließlich bei Abebooks an, bin dort schon seit Justbooks-Zeiten dabei und dem Anbieter teils aus Bequemlichkeit, aber auch wegen der weltweiten Verbreitung treu geblieben. Bestellungen aus Japan oder Süd-Korea sind schon vorgekommen. Bei Abebooks stelle ich nur neue oder seltenere Stücke ein, die nicht im Laden aufgestellt sind. Der Anteil liegt unter 10 Prozent meines gesamten Buchbestands, ähnlich verhält es sich mit dem Umsatz. Nehmen Sie an Antiquariatsmessen teil? Nein, für eine Antiquariatsmesse fehlt mir das entsprechende Buchangebot. Sind Sie Mitglied in einem Antiquariatsverband? Nein, von einer Mitgliedschaft in einem Verband verspreche ich mir nicht viel, das hängt vermutlich mit meiner Zeit in anderen Unternehmen zusammen. Dort sah ich wenig Effizienz in solchen Organisationen. Bei uns Antiquaren habe ich eher das Gefühl, dass wir lieber Einzelkämpfer sind. Einen konkreten Traum für ein Gemeinschaftsprojekt in Frankfurt hatte ich allerdings: in der Höchster Fußgängerzone wird das alte Hertie-Kaufhaus abgerissen. Wäre es nicht schön gewesen, wenn sich die Frankfurter Antiquare zusammengetan hätten, um dort ein Großantiquariat einzurichten? Wie schätzen Sie die zukünftige Entwicklung Ihres Antiquariats ein? Die Zukunft meines Geschäfts schätze ich eher bescheiden ein, die Umsatzzahlen seit 2000 sprechen eine klare Sprache. Das Angebot an Büchern ist mengenmäßig zwar gleich, aber die Qualität hat nachgelassen. Der hundertste Pearl S. Buck-Roman nutzt mir wenig. Höchst wird als Standort uninteressanter, weil sich der ganze Mix der Geschäfte negativ entwickelt. Die Bevölkerungsstruktur in Höchst ist ein weiteres Handicap. Aber trotz alledem ist Höchst aus den umliegenden Gemeinden gut zu erreichen und der Einzelhandel ist bemüht, eine neue Vielfalt zu begründen. Was würden Sie Existenzgründern empfehlen, die ein Ladenantiquariat eröffnen möchten? Sie sollten nach Möglichkeit ein bestehendes Antiquariat übernehmen oder sich in der Nähe einer Sortimentsbuchhandlung ansiedeln, um die Synergieeffekte zu nutzen. Das Interview führte Matthias Glatthor Antiquariat Sämann Wolfgang Sämann Bolongarostr. 136 65929 Frankfurt-Höchst Tel./Fax 069/312144 buechersaemann@aol.com Öffnungszeiten: Di bis Sa 10-13 Uhr, Di/Do/Fr 15-18 Uhr