Sortiment

"Zu viel des Guten"

6. Juni 2008
von Börsenblatt
Wie bereits gemeldet, hat Engelbert Gilg, Inhaber der Buchhandlung Justus Koch in Stuttgart, seit Montag seinen Laden geschlossen. boersenblatt.net sprach mit dem 68-Jährigen über die Schwierigkeiten kleiner und mittlerer Sortimente, über den Stuttgarter Buchmarkt und über Zukunftspläne.
Herr Gilg, am Samstag standen Sie den letzten Tag in Ihrer Buchhandlung. Warum haben Sie sich nach 38 Jahren dazu entschlossen ein Traditionshaus wie die Buchhandlung Justus Koch zu schließen? Gilg: Neben dem Buchhaus Wittwer konnten wir kleinen und mittleren Buchhändler hier in Stuttgart ganz gut leben. Dass im Oktober nun auch Hugendubel auf 4.100 Quadratmeter in den Phönixbau auf der Königsstraße zieht, ist eindeutig zu viel des Guten für eine Stadt mit 500.000 Einwohnern. Ich hätte noch ein, zwei Jahre weitermachen können. Aber seit zwei Jahren hat der Wettbewerb massiv zugenommen. In guten Zeiten hatten wir 20 Mitarbeiter, zuletzt nur noch vier. Es wird immer mehr Raubbau an der Buchhandelslandschaft betrieben. In den nächsten vier bis fünf Jahren wird es ein schnelles Sterben der kleinen Sortimente geben. Mit welchen Problemen hatten Sie am meisten zu kämpfen? Gilg: Als unabhängiger Buchhändler kann man sich heute kein großes Lager mehr leisten. Mit einer Gesamtfläche von 330 Quadratmetern und einer Verkaufsfläche von 180 Quadratmetern auf zwei Etagen hatten wir einen Lagerbestand von 40.000 bis 100.000 Euro. Selbst das war zu klein. Wir hatten zum Beispiel zehn bis 15 verschiedene Bücher zum Thema Pilze. Das ist heute eigentlich nicht mehr zu schaffen. Hugendubel schafft das nur mit Hilfe von Weltbild. Dabei sind Sie doch vor allem spezialisiert auf Recht, Wirtschaft, Steuern. Hätte eine Fachbuchhandlung nicht gegen die Filialisten bestehen können? Gilg: Gerade unser RWS-Segment mussten wir in den vergangenen Jahren am stärksten zurückfahren. Wer braucht zum Beispiel noch Fortsetzungen? Mittlerweile kann man sich doch jedes Urteil von Internetdatenbanken herunterladen. Oder Verlage bieten USB-Sticks mit allen deutschen Gesetzen an. Ich kenne keinen Fachbuchhändler, der nicht darüber klagt. Wenn Sie eine Prognose für die künftige Stuttgarter Buchhandelslandschaft abgeben müssten, wie würde die aussehen? Gilg: Es gibt im Umfeld von Stuttgart einige kleinere Buchhandlungen, die wohl nicht betroffen sein werden. Für viele unabhängige Buchhandlungen bedeutet die Zukunft irgendetwas zwischen Selbstausbeutung und nahe am Ruin arbeiten. Dabei tun die Kleinen hier in Stuttgart viel um ihre Kunden zu betreuen. Selbst Wittwer wird sich schwer tun. Die Großen werden sich gegenseitig bekämpfen. War es ein trauriger Abschied? Gilg: Traurig, aber auch rührend. Alle meine Kunden haben sich persönlich von mir verabschiedet. Darunter sind Kunden, die seit der ersten Stunde dabei sind. Was passiert mit Ihren Beständen? Gilg: Die Jugendbuchabteilung und die Landkartenbestände sind komplett verkauft. Bis auf einige Taschenbücher sind die Bestände zum größten Teil weg und wir sind gerade dabei auszuräumen. Büchereien und Großkunden habe ich an die Buchhandlung Lindemanns übergeben. Was haben Sie als nächstes vor? Gilg: Ich bin seit 1989 regelmäßig in Brasilien. Das ist so etwas wie meine zweite Heimat geworden. Jetzt will ich mich ganz dort niederlassen und eine Pension in Strandnähe aufmachen. Vielleicht bringe ich es in ein, zwei Jahren zu einem Segelboot, auf dem ich Touristen herum schippern kann.