Verlagsgruppe Lübbe

"Auf eine unternehmerische Offensive eingestellt"

30. Juli 2008
von Börsenblatt
Monatelang wurde über die Zukunft des größten deutschen Publikumsverlag in privater Hand spekuliert. In der vorigen Woche hat Stefan Lübbe dann einen Schlusspunkt unter die Suche nach einem Investor gesetzt und verkündet: Der Verlag bleibt in Familienhand. Im Interview mit Boersenblatt.net begründet der Verleger seine Entscheidung und erläutert, wie es mit dem Unternehmen weitergeht. Mehr zum Thema Lübbe lesen Sie in der nächsten Ausgabe des Börsenblatts, die am Donnerstag erscheint.
Lübbe bleibt Lübbe: Ist dies denn nun eigentlich eine gute Nachricht, nachdem Sie sich monatelang um eine andere Lösung bemüht haben? Lübbe: Für viele ist es offenbar eine gute Nachricht. Jedenfalls bekomme ich seit Tagen heftigen Zuspruch, E-Mails, Anrufe und Briefe von Autoren, von literarischen Agenten, von Handelspartnern. Ausnahmslos scheinen sie froh zu sein, dass Lübbe als private Insel in einem von Konzernen geprägten Meer erhalten bleibt. Noch im vorigen Herbst sahen Sie sich am Ende Ihrer Möglichkeiten. Was hat sich inzwischen geändert? Lübbe: Erfolg stimmt gelassen. Im letzten Herbst waren wir am Markt nicht sonderlich gut positioniert, und ich machte mir Sorgen um den Verlag als selbständiges Unternehmen. In-zwischen hat eine Reihe von Bestsellern – Ken Folletts "Tore der Welt“, "Generation doof“ und etliche andere Titel – die Geschicke des Hauses spürbar gewendet; seit Monaten gehören wir nach Listenplatzierungen zu den drei oder vier erfolgreichsten Publikumsverlagen. Schon diese Zuwächse ermöglichen weiteres Wachstum, obendrein haben wir unsere Minderheitsbeteiligung am Deutschen Rätselverlag veräußert, und damit haben wir wieder Spielraum, sind auf eine unternehmerische Offensive eingestellt. Planen Sie auch Zukäufe? Lübbe: Wir werden gewiss nichts überstürzen, aber wir halten die Augen offen, und wenn sich eine vielversprechende Gelegenheit bietet, werden wir zur Tat schreiten. Bis dahin haben wir aber genügend Möglichkeiten, organisch zu wachsen. Für 2009 werden wir zu gegebener Zeit neue Programmsegmente vorstellen, wir werden sehr bald Vertriebskooperationen mit anderen Verlagen bekannt geben, und wir arbeiten an weitergehenden Partnerschaften im publizistischen Bereich. Können Sie dies präzisieren? Lübbe: Ordentliche Kaufleute nennen keine Namen, solange noch verhandelt wird. Sobald Verträge unterschrieben sind, werden Sie es erfahren. Können Sie beim Poker um internationale Lizenzen als Privatverlag denn überhaupt noch mithalten? Lübbe: Selbstverständlich, aber das stand auch in schwierigeren Zeiten nie in Frage. Vor kurzem haben wir einen umfassenden Dreibuchvertrag mit Ken Follett abgeschlossen, der bindet den Autor, der von den lieben Mitbewerbern heftigst umworben wurde, auf sehr lange Sicht ans Haus. Auch mit den meisten anderen Spitzenautoren haben wir langfristige Mehrbuchverträge. Und wenn hierzulande oder international verheißungsvolle Rechte angeboten werden, gehört Lübbe gewiss zu den ersten Adressen. Der Lübbe Verlag will "das publizistische Spektrum erweitern“. Was bedeutet das? Lübbe: Neben unseren bewährten Stärken in der unterhaltenden Belletristik wollen wir in Buch und Hörbuch neue Kompetenzfelder besetzen, zusätzliche Zielgruppen bedienen. Im Audiobereich produzieren wir mit Wellenreiter schon ein Jugendprogramm, und in Berlin haben wir gerade ein Büro eröffnet (im Haus de Gruyter, zwei Etagen über dem Börsenverein), für das Lothar Menne verantwortlich ist – um das Ohr dichter am Hauptstadtgeschehen zu haben. Dort und anderswo werden wir uns um jüngere Autoren und Rechte für ein jüngeres Publikum kümmern. Außerdem werden publizistische Entwicklungen heute stark von techno-logischen Entwicklungen beeinflusst, und natürlich werden wir stets danach trachten, in sämtlichen Facetten der medialen und digitalen Verwertung unserer Rechte zur Spitzengruppe unter den Verlagen zu gehören. Dies alles und mehr fällt unter die Rubrik „Erweiterung des publizistischen Spektrums.“ 25 Mitarbeiter werden entlassen. Eine schwere Entscheidung für Sie? Lübbe: Natürlich tut ein solcher Einschnitt gerade in einem Familienunternehmen wirklich weh – vor allen den betroffenen Mitarbeitern, aber auch deren Kollegen, der Geschäftsfüh-rung und mir persönlich. Leider hatten wir keine Alternative, wir mussten in einigen Service-Abteilungen die Belegschaft reduzieren, um die Wettbewerbsfähigkeit und die Eigenständigkeit der Verlagsgruppe zu sichern. Nach vielen Wechseln in der Lübbe-Führungsetage bilden Sie mit Thomas Schierack die alleinige Spitze. Für wie lange? Lübbe: Ich habe gerade erst angefangen. Wenn der Markt und das Unternehmen es erfordern, ist es natürlich möglich, dass aus dem Duo ein Trio wird, wie in vielen anderen Verlagen auch. Aber bis dahin besteht die Geschäftsführung aus Thomas Schierack und mir. Die Umsatzkurve in den letzten beiden Jahren weist deutlich nach unten. Welche Erwartungen haben Sie an das laufende Geschäftsjahr? Lübbe: Es liegt im Wesen von Kurven, dass sie mal nach oben, mal nach unten weisen. Und in den Vorjahren waren wir durch Dan Browns Riesenerfolge arg verwöhnt, diese schwin-delnde Höhe war auf Dauer kaum durchzuhalten. Aber nach einem kurzen Abwärtstrend geht es jetzt mit einer beachtlichen Bestsellersträhne wieder dramatisch nach oben, so dass wir für die Zukunft blendend aufgestellt sind. Interview: Eckart Baier Zur Verlagsgruppe Lübbe gehören: * Bastei Verlag (gegründet 1949 und 1953 von Gustav Lübbe als Verleger übernommen) * Bastei Lübbe Taschenbücher (gegründet 1963) * Gustav Lübbe Verlag (gegründet 1963) * Ehrenwirth Verlag (gegründet 1945, gehört seit 1997 zur Verlagsgruppe Lübbe) * editionLübbe (gegründet 1998) * BLT (gegründet 1998) * Bastei Lübbe Stars (gegründet 2004) * Lübbe Audio (gegründet 1996) * Wellenreiter (gegründet 2007)