Preis der Kritik

"Ein großer Freund der Literatur und der Autoren"

17. Oktober 2008
von Börsenblatt
In Österreich galt er als Literaturpapst, hierzulande kannten ihn jedoch nur wenige: den Anfang September überraschend verstorbenen Wissenschaftler, Kritiker und Herausgeber Wendelin Schmidt-Dengler. Heute wurde er posthum mit dem Preis der Kritik des Verlags Hoffmann und Campe geehrt.
Es war eine Preisverleihung ohne Preisträger – aber alles andere als eine Trauerfeier. Ob Wegefährten, Bewunderer, Autoren oder Kollegen: Alle waren in die Alte Oper Frankfurt gekommen, um sich an Schmidt-Dengler in heiterer Stimmung zu erinnern und ihn noch einmal in großer Runde zu würdigen. In Empfang genommen hat den Preis Schmidt-Denglers Frau Maria. Wie kein anderer habe sich Schmidt-Dengler auf die zeitgenössische Literatur eingelassen, sagte Hoffmann und Campe-Verleger Günter Berg in seiner Laudatio. Berg lobte sein fundamentales Literaturverständnis, bezeichnete den Preisträger als einen „der besten Kenner der österreichischen Gegenwartsliteratur“. Er verneigte sich verbal tief vor Schmidt-Denglers Leistungen, dem „bodenständigen Mann“, dem „Belesenen, dem großen Freund der Literatur und der Autoren.“ Der Preis der Kritik ist dotiert mit der bei Hoffmann und Campe erschienenen Düsseldorfer Werkausgabe Heinrich Heines - und 99 Flaschen Wein, von denen sich eine bereits Peter Handke habe reservieren lassen, wie Schmidt-Denglers Frau in ihrer Dankesrede anmerkte. Hoffmann und Campe hat den Preis in diesem Jahr zum achten Mal vergeben, an „eine Persönlichkeit, die sich auf herausragende Weise literaturkritische und literaturvermittelnde Verdienste erworben hat“ – so wie Schmidt-Dengler. Preisträger in den Vorjahren waren unter anderen Joachim Kaiser, Michael Naumann und Martin Walser. Wendelin Schmidt-Dengler, 1942 in Zagreb geboren, studierte Klassische Philologie und Germanistik an der Universität Wien. 1965 promovierte er mit der Dissertation Stilistische Studien zu den 'Confessiones' des Aurelius Augustinus, 1974 folgte seine Habilitation "Genius. Zur Wirkungsgeschichte antiker Mythologeme in der Goethezeit". 1980 wurde er Professor am Institut für Germanistik der Universität Wien, 1996 übernahm er die Leitung des Österreichischen Literaturarchivs an der Österreichischen Nationalbibliothek. er starb am 7. September 2008.