BÖRSENBLATT-Café

Uwe Tellkamp im Gespräch

17. Oktober 2008
von Börsenblatt
Der Gewinner des Deutschen Buchpreises 2008, Uwe Tellkamp, und Suhrkamp-Geschäftsführer Thomas Sparr waren heute um 11 Uhr Gäste im BÖRSENBLATT-Café.
Moderiert wurde das Gespräch von BÖRSENBLATT-Redakteur Holger Heimann. Was überwiegt, die Freude über den Preis, die Müdigkeit? "Ich freue mich, ich bin müde und ich möchte am Liebsten an meinen Schreibtisch gehen und etwas Vernünftiges tun", sagte Tellkamp. Der Autor galt als klarer Favorit für den Buchpreis. Wie ist er damit umgegangen? "Die Favoritenrolle ist ja eine Zuschreibung von außen, außerdem hat eine Jury eine ganz eigene Meinung", so Tellkamp. "Meinem Sohn sind alle diese Dinge egal, Buchpreis hin oder her. Das erdet." Frage an Thomas Sparr: Ist es eine schwierige Situation für einen Verleger, zwei Autoren auf der Liste zu haben, der eine, der gewinnt, der andere, der es nicht schafft? "Wir haben uns mit den Autoren gefreut und mussten auch nicht trösten. Aber natürlich gibt es auch eine gewisse Enttäuschung. Aber ich finde, dass wurde ganz gut aufgefangen, nicht zuletzt durch das gute Verhältnis der Autoren untereinander. "Dietmar Dath war noch nicht reif für den Preis, aber seine Zeit wird kommen", so Tellkamp. Es gab im Vorfeld Kritik am Deutschen Buchpreis. Wie hat Tellkamp die Diskussion empfunden? "Ich könnte die Bedenken der Autoren verstehen, wenn es so wäre, dass die Aufmerksamkeit nur noch auf den Long- und Shortlist-Autoren ruht, dass wäre fatal. Aber dem ist nicht so." "Christian Kracht stand zum Beispiel auf keiner Liste und wurde trotzdem breit zitiert. Ich glaube, dass der Preis insgesamt der Literatur nutzt. Der Wettbewerb findet doch schon im Verlag statt, der sich für ein Buch, einen Autor entscheiden muss. Dann geht der Wettbewerb im Buchhandel weiter." Sparr: "Der deutsche Buchpreis ist ein gut gesetzter Preis, der breite Aufmerksamkeit findet. Einmal wird in der Tagesschau über Literatur berichtet. Das Argument der Verkäuflichkeit würde ich auch gelten lassen. Abgesehen davon hat sich "Der Turm" aber auch schon vor dem Preis sehr gut verkauft." Hat der Preis dem Buch zusätzlich Schubkraft gegeben? " "Der Turm" wurde vom Buchhandel einen Tag nach der Preisverleihung 62.000 mal vorbestellt. Das habe ich so noch nicht erlebt mit einem Buch", so Sparr Auf die Frage nach Verlagswechseln wollte Tellkamp nicht "öffentlich die Hosen runterlassen" darüber, dass Rowohlt Berlin sein Buch deutlich dünner haben wollte. "Ein Autor möchte gerne bei einem Verlag seine Heimat finden", so Tellkamp. Aber das sei nicht immer möglich. "Jetzt bin ich bei Suhrkamp und das ist toll. Ich habe über 250 Ablehnungen zu Hause, ich weiß auch, wie Misserfolg schmeckt, aber da muss man als Autor durch." Der Suhrkamp Verlag ist nicht wenig in der Kritik gewesen. Hilft dieser Preis dem Ansehen des Verlags? Tellkamp: "Immer wird darüber geredet, dass Autoren von Suhrkamp weggehen. Es kommen aber auch viele Leute da hin. Außerdem gehen auch bei anderen Verlagen Autoren weg." Tellkamp hat als Lyriker begonnen, auch wenn er wie er sagt immer ein Epiker war. "Es gibt eine äußerst spannende Gegenwartslyrik. Aber was ich getrieben habe, war wahrscheinlich eine Vorstufe zum Roman." " "Der Nautilus" beispielsweise hat über 100 Seiten Lyrik, ohne Absatz und Komma." Wie haben Sie die 1000 Seiten zu einem Roman zusammengefügt? Haben Sie einen großen Plan? "Ich beklebe die Wände im Flur und schreibe da die Motive und Handlungsstränge drauf. Ich mache mir vor jedem Kapitel eine Wolke von Notizen. Ich schreibe handschriftlich mit dem Füller auf Papier und gehe das immer wieder durch. Wie ein Goldwäscher. Das Buch sagt mir dann, wann es zu Ende ist. Da muss man als Autor auch zuhören können. Ein Baum wächst von der Wurzel bis zur Krone und so geht es bei meinem Schreiben auch. Die Notizen habe ich letztlich nicht gebraucht." Auf dem Umschlag wird mit dem Begriff Wenderoman geworben. Geht es nicht ein bißchen drunter? Sparr: "Dass es der große Wenderoman ist, zeigt die Rezeption des Buches. Man muss das Buch von Tellkamp lesen, um die Wende anders einzuschätzen." Sparr räumt ein, dass Werbesprache immer etwas bedenkliches habe. "Aber wir werben schließlich nur mit den Kritikerstimmen." Wie geht es einem als Autor damit? "Die Kompetenz des Autors endet am Buchumschlag. Das überlasse ich den Profis. Da muss ich mich nicht einmischen", antwortet Tellkamp. Sparr freut sich darüber, dass "sich der Eigensinn des Autors auf den Inhalt beschränkt". Kam die Bedrückung beim Schreiben zurück, als Sie zum Beispiel über die Armee geschrieben haben? "Ich hatte das verdrängt, aber es brach beim Schreiben wieder auf. Ich hatte eigentlich nichts vergessen. Es war alles da. Ich hatte Tagebuchaufzeichnungen, aber die taugten nichts fürs Buch, weil ich da versucht hatte, mit der Bedrückung fertig zu werden. Exakte Aufzeichnungen wären mir viel lieber gewesen, aber ich habe da Gedichte rein geschrieben, weil ich weg wollte aus dem Alltag. Einer der wirklich bedrückt ist, schreibt nicht noch darüber, der will weg."