"Ich bestimme, was passiert"

28. November 2008
von Börsenblatt
Der Ärger über ihren früheren Arbeitgeber ist bei Elke Heidenreich noch nicht ganz verraucht. „Der Rausschmiss war idiotisch, da bereits klar, dass ich Ende des Jahres aufhören werde. Mit der Medienhäme im Anschluss konnte ich leben, die war ja irgendwann auch vorbei, und über Marcel Reich-Ranicki gibt es kein Wort mehr zu verlieren“, blickt Heidenreich bei einer Pressekonferenz noch einmal zurück, bevor sie über ihre Zukunft berichtet.
Für diese hat sie das Medium gewechselt – ihre Sendung „Lesen!“ wird künftig auf dem neuen Literaturportal litColony ausgestrahlt. Dieses wird von den Machern des Kölner Literaturfestivals litCologne getragen. Zwölf Sendungen pro Jahr sollen es werden und damit doppelt so viele wie beim ZDF. Die erste Folge ist bereits mit dem Punkrocksänger Campino online abrufbar. Anfang Januar folgt dann Stefan Aust, als Gast in der Kölner Südstadtkneipe „Backes“, in der anstatt der Kölner Oper nun die Literatursendung aufgezeichnet wird. Beide Gäste waren ursprünglich für die noch offenen Fernsehsendungen eingeplant. „Ich bin sehr froh, dass sich beide sofort für mich und nicht für das ZDF entschieden haben“, erklärt Heidenreich. Positiv findet sie an ihrem neuen Medium, dass sie sich keinen Zwängen mehr aussetzen muss. „Ich bestimme, was in der Sendung passiert, kann machen, was ich will, und wie lange sie geht. Da gibt es keinen Druck mehr vom großen Apparat eines Senders. Froh bin ich auch, dass ich nun keine nachfolgenden Kochsendungen mehr ansagen muss.“ Dass sie mit dem Internet auch frühere Zuschauer verlieren wird, dessen ist sich Heidenreich bewusst. Sie rechnet aber trotzdem, dass ihre Literaturempfehlungen Einfluss haben werden. „Es wird vielleicht nicht sofort wieder Büchertische in den Buchhandlungen geben, aber das ist nur eine Frage der Zeit. Nachdem in Fachmagazinen nach dem Ende meiner Sendung von den Verlagen Todesanzeigen für die Literatur geschaltet wurden, sind jetzt Geburtsanzeigen fällig“, bekundet Rheinländerin selbstbewusst und bekräftigt, dass es ihr sehr am Herzen liegt, den lokalen Buchhandel nach Kräften zu unterstützen. Eine Zweitauswertung der Sendung im Fernsehen schließt Heidenreich, die auch Angebote vom Schweizer Fernsehen bekommen hat, derzeit aus. Probleme mit den Rechten an der alten ZDF-Sendung wird es nicht geben. „Die liegen alle bei mir. Deshalb wird die Sendung auch durchgezählt und die aktuelle Ausgabe bekommt die Nummer 38.“ Das Medium Internet nutzt sie bereits schon länger, auch wenn sie bei den ersten Gesprächen noch etwas skeptisch war. „Ich dachte das sind Leute, die mit Handys in der Küche stehen, und mich erst mal abfüllen wollen. Auch bei der Qualität konnte ich mir nicht mehr als einen Super-8-Film vorstellen.“ Mittlerweile sei sie von der Qualität voll überzeugt, die sich als besser als im Fernsehen erwiesen habe. Neben der eigenen Sendung, die immer in der ersten Woche des Monats online gehen soll, wird Heidenreich für litColony auch regelmäßig eine Kolumne schreiben.