Interview

"Kultur gibt es bald nur noch im Netz"

28. November 2008
von Börsenblatt
Seit heute ist litColony im Netz. Zum Start des Literatur-Portals, bei dem auch Elke Heidenreich künftig für das Lesen trommeln wird, sprach boersenblatt.net mit litColony-Macher Werner Köhler.
Sie sind Erfolg gewöhnt. Zur litCologne kamen zuletzt 65.000 Besucher. Warum jetzt litColony? Köhler: Neun Tage im Frühjahr für die Literatur zu trommeln, war uns zu wenig. Unser Bedürfnis, Bücher ins rechte Licht zu rücken, wollte mehr, nämlich 365 Tage. Glauben Sie, das Konzept der litCologne lässt sich aufs Internet übertragen? Köhler: Wir haben bewiesen: Das Interesse für Literatur ist riesengroß. Nur scheint niemand daraus etwas ableiten zu wollen, wie nicht zuletzt die Absetzung der ZDF-Sendung »Lesen!« gezeigt hat. Ihr Portal will die Literaturvermittlung im Bewegtbild retten? Köhler: litColony will zeigen, wie lebendig, wie intensiv und auch konfrontativ die Literatur ist, und das in allen Formen. Das Fernsehen ist ein Auslaufmodell. Ich bin überzeugt, dass Kulturvermittlung schon bald ausschließlich im Internet stattfindet. Und das wird kein Nischenprodukt sein. Machen Elke Heidenreich & Co. bei Ihnen mit? Köhler: Roger Willemsen ist dabei, Christine Westermann und viele andere. Wir besitzen ein ergiebiges Adressbuch. Und natürlich wird sich auch unsere Freundin Elke Heidenreich bei uns einbringen. Eine Kooperation mit dem WDR erlaubt uns außerdem, ARD-Filme, die sich mit Literatur beschäftigen, ins Netz zu stellen. Kölner Klüngel also … Köhler: Von wegen. Das sind Kontakte, die wir über acht Jahre aufgebaut haben. United Writers heißt ab sofort die Devise. Sie werden staunen, wie viele namhafte Autoren wir gewinnen konnten, auch aus dem Ausland. Und wer zahlt? Köhler: Unsere Haupteinnahmequelle ist Werbung, die als solche in jedem Fall sauber gekennzeichnet ist. Wie haben die Verlage reagiert? Köhler: Begeistert. Einige Verlage müssen ihren Vertrauensvorschuss allerdings noch in solidarische Aktion ummünzen … Der Buchverkauf spielt als Einnahmequelle keine Rolle? Köhler: Das werden wir sehen, zunächst erfüllt er eine reine Servicefunktion. Wir sind mit einem individuell gestalteten Shop an Libri.de angeschlossen. 19 Jahre lang waren Sie bei der Mayerschen Buchhandlung. Jetzt machen Sie mit litColony dem Sortiment Konkurrenz. Köhler: Nein. Wir sehen uns nicht in erster Linie als Verkaufsplattform. Das Internet ist frei zugänglich. Von unseren Inhalten kann auch der Handel profitieren, er muss es nur wollen. Sie schreiben selber. Bleibt dafür noch Zeit? Köhler: Zu wenig, aber immerhin: Im Sommer erscheint mein dritter »Crinelli«-Krimi bei Kiepenheuer & Witsch.