Meinung

Erfahrungen mit Twitter. Ein Zwischenbericht

10. Januar 2009
von Börsenblatt
Zeitverschwendung? Modespielzeug? Oder ist Micro-Blogging eine neue Form der Kommunikation, die auch Antiquare und Buchhändler sinnvoll nutzen können? Was man als Twitter-Neuling so alles erlebt.
Twitter bewegt die Gemüter. Scharfe Ablehnung oder Enthusiasmus, dazwischen gibt es nicht viel, sieht man sich die Urteile über die 2006 gestartete kalifornische Micro-Blogging-Seite Twitter an. Maximal 140 Zeichen zur Mitteilung von Informationen und seien sie noch so marginal (heute schon rasiert, Straßenbahn überfüllt, vegetarisch zu Mittag gegessen, draußen zu kalt). Was soll das? Wer braucht das? Skepsis ist da eine naheliegende Reaktion. Als ich im Sommer 2008 durch einen Hinweis in Michael Liebermans "Book Patrol" (siehe den Link unten) Twitter registriert habe, ist mir der Sinn der Seite nicht aufgegangen. Zum Jahresende war aber nicht mehr zu übersehen, dass sich Twitter hierzulande zum Massenphänomen entwickelt – in Nordamerika oder Japan ist es das schon. Also rasch angemeldet (Formalitäten gibt es praktisch nicht, auch keine Kosten), losgezwitschert, die ersten "Followers" gewonnen und selbst "Follower" geworden. Der spielerisch erzielte Lernerfolg innerhalb weniger Stunden ist nicht zu verachten: es gibt bei Twitter sympathische private Teilnehmer mit Liebeskummer, Verulkungen von Fernsehmoderatoren und hessischen SPD-Politikern, scharfzüngige Politkommentatoren und halb-professionelle Zyniker, Weinverkäufer, Kontaktbörsen sowie nützliche Infos etwa von faz.net, Spiegel online und der New York Times (die NYT-Nachrufe kann man separat abonnieren! Fund: "W. D. Zantzinger, Subject of Dylan Song, Dies at 69"). Auch ein paar amerikanische Antiquare, die die Seite mehr oder weniger rege nutzen, konnte ich ausmachen (siehe unten den Hinweis auf die Meldung vom 2. Januar). Aktive deutsche Antiquare gibt es dagegen momentan, wie es scheint, nur wenige. Kein Zweifel besteht aber, dass viele Literatur- und allgemein Buchinteressierte bei Twitter unterwegs sind. Liegt hier vielleicht ein Ansatz für eine buchhändlerische Twitter-Nutzung? Viele Antiquariate (und Buchhandlungen) verfügen über eine Website, aber die Umsätze hierüber dürften oft kaum der Rede wert sein im Vergleich zu den großen Plattformen. Twitter-Updates lassen sich leicht in die eigene Website integrieren (siehe unten den Link zur Twitter-Download-Seite), und auf diese Weise gibt man einer Homepage ein Kommunikations- und Netzwerkelement bei, das für höhere Besucherzahlen sorgt – und indirekt die Wahrnehmung des Angebots verbessert. Der Aufwand dürfte bei etwas Disziplin bescheiden sein – und man sollte sich in Erinnerung rufen, welche Summen deutsche Medienkonzerne in diverse Community-Angebote stecken. Twitter kommt kleinen Unternehmen entgegen; gefragt ist fantasievolle Gestaltung, nicht die große Investition. Und sind nicht gerade Bücher Produkte, über die sich etwas erzählen lässt; vorausgesetzt, dass man sich mit dem Handelsgegenstand grundsätzlich identifiziert? Vielleicht erreichen Antiquare mit Twitter sogar eine neue Zielgruppe, die sonst nicht mit dem Thema in Berührung kommt? Das ist Spekulation, aber wohl keine ganz aus der Luft gegriffene. Die Risiken, die dagegen stehen, sind überschaubar – Twitter erfordert dieselbe Vorsicht und Rücksicht, die man dem Internet insgesamt entgegenbringen sollte (fast alle populären Netzanwendungen locken Leute an, die das Vertrauen der Nutzer missbrauchen wollen). Was folgt aus alledem? Aus meiner Sicht bescheidene Erkenntnisse: Twitter macht Spaß, setzt keine besonderen Kenntnisse voraus und kann von jedem zu fast jedem Zweck eingesetzt werden, ob am heimischen Rechner, von unterwegs oder per Mobiltelefon. Vielleicht auch zur Live-Berichterstattung von Antiquariatsmessen? Wir werden Twitter weiter auf die Probe stellen. Björn Biester