Encyclopaedia Britannica

„Wikipedia sehen wir nicht als Konkurrenz“

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Es tut sich was beim Lexikon-Klassiker: Online lädt Britannica Leser zum Mitschreiben ein. Offline sollen die 32 Print-Bände Umsatz einfahren - in Afrika. Ein Interview mit Ian Grant, Großbritannien-Chef bei Britannica.
241 Jahre lang schrieben ausschließlich Experten für die Encyclopaedia Britannica. Jetzt können Internet-Surfer Artikel verändern und eigene Einträge schreiben. Wird Britannica das neue Wikipedia? Grant: Nein, das sind zwei komplett unterschiedliche Konzepte – „Search“ bei Wikipedia und „Research“ bei uns. Im Gegensatz zur Informationssammlung bei Wikipedia bieten wir von erfahrenen Redakteuren geprüfte Beiträge. Das gilt auch für die Nutzerbeiträge, die jetzt hinzukommen. Jeder Laienbeitrag durchläuft den gleichen Prüfprozess wie ein redaktioneller Artikel. Wie sieht das in der Praxis aus? Grant: Ab nächster Woche können Nutzer, die sich vorher bei uns registriert haben, jeden Teil eines Artikel auf britannica.com editieren und den Vorschlag über einen Button an die Redaktion schicken. Aber nur, wenn die Änderung von der Redaktion für gut befunden wird, fließt sie in den Artikel ein. In einem Extra-Abschnitt nennen wir alle Autoren und machen die Änderungshistorie sichtbar. Auch in der Print-Ausgabe werden wir künftig Nutzerbeiträge integrieren, aber das erst, nachdem wir das Online-Modell ausgiebig getestet haben. Online-Enzyklopädien tun sich schwer, sich über Anzeigen zu finanzieren. Wie sieht das bei Britannica aus? Grant: Seit drei Jahren machen wir mit unserem Online-Angebot mehr Umsatz als mit der Print-Version. Onlinewerbung macht davon aber nur einen geringen Teil aus. Wir erwarten angesichts der wirtschaftlichen Situation auch nicht viel Anzeigenwachstum. Viel wichtiger sind für uns die Einnahmen aus Abonnements, die wir mit Schulen, Universitäten, Bibliotheken und anderen Bildungseinrichtungen schließen. Wir haben ein breites Angebot für junge Zielgruppen. Kinder auf Britannica, Erwachsene bei Wikipedia? Grant: Für Erwachsene mag die Informationssuche über Wikipedia oder Google ein guter Startpunkt sein. Anders bei Kindern und Jugendlichen: Sie haben oft noch keinen kritischen Blick für Fehlerhaftes und können schlecht einschätzen, wie Informationen zustande gekommen sind. Dass Britannica in dieser Hinsicht die bessere Grundlage für eine Recherche ist, sehen auch viele Schulen und andere Einrichtungen. Deshalb birgt der Bildungsbereich für uns die größten Wachstumschancen. Wikipedia sehen wir nicht als Konkurrenz, wir machen unterschiedliche Sachen. Britannica publiziert immer noch die fast 800 Euro teure Printausgabe in 32 Bänden. Wie ist die Nachfrage? Grant: Verkaufspotential für Print sehen wir besonders dort, wo Breitband-Anschlüsse noch nicht verbreitet sind, wie in vielen Ländern Afrikas südlich der Sahara. In Nigeria oder Ghana beispielsweise ist unsere Print-Ausgabe sehr gefragt. Britannica hat das Glück, auf ein weltweites Netzwerk zurückgreifen zu können. Das unterscheidet uns auch von anderen Anbietern, wie zum Beispiel Brockhaus. Außerdem ist die Sprache von Vorteil: Englisch hat einen hohen Verbreitungsgrad. Gibt man bei Google einen Suchbegriff ein, erscheint in den meisten Fällen eine Wikipedia-Seite an erster Stelle. Wie wichtig ist Suchmaschinenoptimierung für Sie? Grant: Sehr wichtig. Wir arbeiten mit Nachdruck daran, unsere Texte und Metaangaben ständig zu verbessern. Wir nutzen Google, um neue Abonnementen anzusprechen. Britannica plant einen Relauch. Was wird neu? Grant: Mehr Bilder, eine bessere Anordung des Inhalts. Der Relauch von britannica.com ist für Mitte Februar geplant. Die Encyclopaedia Britannica erscheint mit als Print-Ausgabe seit 1768, das Online-Angebot seit 1994. Hauptsitz des Unternehmens ist Chicago. An der aktuellen Print-Ausgabe arbeiteten mehr als 4 000 Autoren mit.