Online-Marketing

Twitter für Buchhändler und Verlage

23. Juli 2015
von Börsenblatt
"Die Zahl unserer Nutzer hat sich in den vergangenen zwölf Monaten verzehnfacht", berichtet Twitter auf Anfrage von boersenblatt.net. Verlage und Buchhandlungen können Twitter für Recherche und Marketing einsetzen. Ein Interview mit Twitter-Experte Benedikt Köhler.
Seit einigen Monaten twittern auch Verlage - darunter Randomhouse, O`Reilly und Weltbild. Woher der Hype? Köhler: Viele Medien erkennen, dass sie neue Wege der Zielgruppenansprache finden müssen. Das ist notwendig, um mit Menschen in Kontakt zu bleiben, die immer mehr Zeit im Internet verbringen. Twitter ermöglicht zudem eine völlig neue Art des Dialogs mit anderen Menschen: direkt, in Echtzeit, mobil und aufgrund des Zeichenlimits oft sehr zugespitzt und prägnant. Wie kann Twitter den Marketing-Mix ergänzen? Köhler: Twitter kann den Marketing-Mix an mindestens zwei Stellen sinnvoll ergänzen: Erstens lassen sich über Twitter viele Multiplikatoren erreichen, was ein guter Ausgangspunkt für Word-of-Mouth-Kampagnen ist. Zweitens ist dieser Kanal dazu geeignet, einen echten Dialog mit den Kunden zu führen. Hier werden nicht einseitig Marketingbotschaften ausgesendet, sondern man kann direkt auf Fragen antworten, Empfehlungen kommentieren oder Informationen anbieten. Wie kann ich Twitter als Informationsquelle nutzen? Köhler: Dadurch, dass viele Tweets direkt aus dem Alltag gesendet werden, besitzt Twitter einen besonderen Wert für die Marktforschung. Durchsucht man einmal die Twitter-Suche nach Autoren oder Büchern, merkt man schnell, wie intensiv sich die Leser über ihre Lektüre austauschen. Zu manchen Autoren oder Bücher erscheinen Twitter-Meldungen im Minutentakt. Mit Twitter können Verlage ihren Lesern über die Schulter sehen. Außerhalb der Verlagswelt sieht man immer mehr spannende Beispiele dafür, wie über dieses Medium Kundenbeschwerden schnell und unkompliziert bearbeitet werden können. Aufgrund des schnellen Tempos von Twitter erkennt man außerdem mit Monitoringinstrumenten in Echtzeit, wenn z.B. eine Kampagne in die falsche Richtung läuft oder sich eine Protestbewegung gegen ein Unternehmen oder eine Marke formiert. Twittern kostet nichts – außer Zeit, die Einträge zu aktualisieren. Wie aufwändig ist das? Köhler: Wie so oft hängt der tatsächliche Preis davon ab, wie engagiert man seinen Twitter-Account aktualisiert und wie viel Aufwand man hineinsteckt. Wenn ein Verlag erst einmal mehrere Tausend Follower auf Twitter hat, wird es allmählich schwierig, auf alle Anfragen direkt zu reagieren. Was ist richtige Twitter-Strategie: Launige Unternehmensinterna wie bei Welt Kompakt oder News wie bei Focus und Spiegel? Köhler: Die Mischung macht‘s. Spiegel und Focus benutzen Twitter als zusätzlichen Kanal, um ihre Schlagzeilen (im RSS-Format) automatisiert auszusenden. Gleichzeitig nutzen zahlreiche Mitarbeiter bis hin zu den Chefredakteuren Twitter, um mit Kollegen, aber auch der allgemeinen Twitter-Öffentlichkeit in den Dialog zu treten. Andere Medien, wie zum Beispiel Welt Kompakt, HAZ oder Der Westen vermischen beides in einem Account. Wie kann ich mir einen Überblick verschaffen, wer von meinem Konkurrenten twittert? Köhler: Es gibt mittlerweile einige Verzeichnisse von twitternden Unternehmen, leider aber noch keine wirklich umfassende durchsuchbare Datenbank. Für was ist Twitter nicht geeignet? Köhler: Für kurzfristige Kampagnen. Es kann zum Teil lange Zeit dauern, bis sich ein neuer Twitterstream soweit herumgesprochen hat, dass er wirklich als Kanal für den Kundendialog interessant wird. Wer einen kurzen Atem hat, sollte sich nach anderen Kommunikationsinstrumenten umsehen. Auch für das ausschließliche Posten von Werbebotschaften ist Twitter nicht geeignet. Eine „Dauerwerbesendung“ auf Twitter wird ins Leere senden. Wird Twitter das selbe Schicksal erleiden wie Second Life: erst gehypt und dann begraben? Köhler: Ich denke nicht, dass Twitter dasselbe Schicksal erleiden wird wie Second Life. Es erfüllt ein tatsächliches kommunikatives Bedürfnis der Menschen, die sich dort austauschen. Die Bedeutung merkt man daran, dass Twitter beginnt, andere Kommunikationsinstrumente wie Email, IRC, Weblogs oder IM zu ersetzen. Zudem ist es in der Kombination von Reichweite und persönlicher Ansprache ein genuin neues Kommunikationsmittel. Was sind die ersten Schritte, wenn ich aktiv werden will? Köhler: Der allererste Schritt ist es, einen Twitter-Account anzulegen. Dafür benötigt man nur eine funktionierende Emailadresse. Danach am besten einige interessante Twitter-Streams abonnieren („followen“), um einen Eindruck davon zu bekommen, wie das Twittern funktioniert. Anfangs wird man viele unvollständige Gesprächsfetzen mitbekommen.  Mit dem @-Zeichen kann man sich dann an diesen Gesprächen beteiligen, und allmählich werden dann auch andere Nutzer auf den eigenen Kontakt aufmerksam. Benedikt Köhler ist Director Digital Strategy & Research bei der Werbeagentur Agentur Ethority, die sich auf Empfehlungmarketing spezialisiert hat.