Interview

„Wir müssen laut sein“

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Vor drei Monaten hat Werner Köhler, Mitinitiator der Litcologne, die Literatur-Site "litcolony.de" eröffnet. Im Mai soll nun die Community starten, gleichzeitig sucht man nach einem Investor. Ein Interview.

Wie ist Ihr Resumee nach drei Monaten litcolony?
Köhler: Wir sind zufrieden, haben aber auch vieles dazugelernt. Unterschätzt haben wir, dass die Verweildauer im Internet deutlich geringer ist als in der normalen Welt. Texte und Bilder müssen in den ersten Sekunden die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ein Autor hat eine differenzierte Meinung zu einem Buch? Schön und gut, aber auf der Startseite zählt der pointierte Teaser. Wir müssen laut sein. Wir haben uns bei Kollegen bei Spiegel, Stern und Zeit umgeschaut. Dort poltert der Internetauftritt auch mehr als die Printausgabe.

Buchcommunities gibt es viele. Was unterscheidet litcolony von anderen?
Köhler: Der Unterschied ist, dass wir die Community redaktionell befeuern. Wir bieten Inhalt. Zudem haben wir bekannte Namen an Bord. Autoren wie Roger Willemsen haben bei uns ihre Heimat gefunden.
 
Welche Inhalte funktionieren, welche nicht?
Köhler: Wir haben gesehen, dass lange Buchbesprechungen nicht die Gewinner sind. Weniger Tiefe ist gefragt, die Artikel müssen kürzer sein. Keiner erwartet von uns, literaturwissenschaftlich die Struktur eines Textes auseinander zu pflücken. Was zieht, sind bekannte Inhalte oder bekannte Namen. Ein Beispiel: Der FAZ-Gastro-Kritiker Jürgen Dollase bespricht auf litcolony Kochbücher. Obwohl er der Experte schlechthin ist, kennt niemand sein Gesicht. So locken wir jetzt auf der Startseite mit einer bekannten Fernsehköchin auf das Thema, auf der zweiten Ebene kommt dann Dollase.
 
Wie läuft das Anzeigengeschäft?
Köhler: Mit einigen Verlagen haben wir sehr gute Beziehungen, andere sind aufgeschlossen, aber es kommt nicht viel rum. Eine dritte Gruppe will erst mal warten. Gute Geschäfte entwickeln sich aus dem Gespräch, Standard-Werbung und der bloße Austausch von Mediadaten hatte nie eine Zukunft und wird auch nie eine haben. Ich glaube, dass Mischformen Zukunft haben. Wir haben schöne Gewinnspiele laufen. Wir machen Filme über Bücher und Autoren, die dann auch auf der Website des Verlags laufen können.
 
Sie haben in die Site einen Buchverkauf über libri integriert. Sind Sie mit der Zusammenarbeit zufrieden?
Köhler: Es geht. Wenn wir unsere Community ausweiten wollen, brauchen wir Top-Funktionalitäten, die libri momentan nicht bietet. Zum Beispiel müssen Coverbilder sofort auftauchen, wenn  jemand ein Buch für sein virtuelles Buchregal ausgewählt hat. Wir haben uns aber bewusst gegen Amazon entschieden. Aber wer weiß, vielleicht geht es nur mit Amazon.
 
Wie sind die Pläne für die Community?
Köhler: Unser ursprünglicher Plan war es, zuerst die Community fertig zu programmieren und dann online zu gehen. Aber dann kam die Chance, eine Sendung mit Elke Heidenreich auf die Site zu nehmen. Heidenreich ist eine langjährige Freundin von mir, wir haben uns entschieden, die Sache zusammen zu machen. Dann musste es ganz schnell gehen. Somit ziehen wir die Community jetzt nach. Schon jetzt können sich User registrieren. Zur Litcologe werden wir mit einigen Features anfangen, der wirkliche Start der Community ist für Mai geplant.
 
Wie finanzieren Sie die Plattform?
Köhler: Die halbe Million, die wir für den Start angesetzt hatten, ist noch nicht ganz ausgegeben. Wir sehen aber auch, dass wir langfristig einen Partner brauchen. Wir reden derzeit mit Investoren, Firmen, die sich mit dem E-Book-Geschäft auskennen.

Zahlen zu Litcolony:

Besucher: 411.000
Page Impressions: 2,4 Millionen

Abrufe der Heidenreich-Sendungen, Stand 25. Februar:
1. Sendung: 191.000
2. Sendung:  92.000
3. Sendung: 128.000
4. Sendung (erst 2 Wochen online): 74.000

(Die Zahlen beziehen sich auf den Zeitraum seit Start der Plattform Ende November, Angaben: litcolony.de)

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