Kommentar

Der Kunde will einfache Prozesse

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Hat die zweite E-Book-Offensive Erfolg? Können die Geschäftsmodelle überzeugen? Umständliche Downloadprozeduren könnten jedenfalls die Kunden abschrecken. Ein Kommentar von Börsenblatt-Redakteur Michael Roesler-Graichen.

Technische Innovationen sind in der Anfangsphase oft mit Fehlschlägen verbunden. Die bemannte Raumfahrt gibt ein gutes Beispiel ab: Bis die ersten Träger­raketen tatsächlich den Orbit erreichten und die Erde umkreisten, mussten zahlreiche Prototypen explodieren oder vorzeitig verglühen.

Wie schnell die neuen E-Book-Reader die elektronischen Bücher in Umlauf bringen werden, wird man nun gespannt erwarten. Jahre, nachdem eine erste Offensive gescheitert war, sind die Aussichten für den zweiten Markteintritt realistisch. Trotz aller Unzulänglichkeiten im Detail, trotz eines aufwendigen Rechtemanagements und trotz eines teilweise immer noch schütteren Titelangebots werden die E-Book-Reader im Verbund mit den digitalen Büchern dieses Mal ihren Weg machen. Dafür spricht nicht nur der Erfolg der Kindle-Reader von Amazon mit rund einer viertel Million Titel im Rücken, sondern auch die Resonanz, die der Sony Reader kurz nach seiner Markteinführung und andere Lesegeräte in unterschiedlichem Maße bereits seit Längerem erfahren.

Kopfzerbrechen werden in den nächsten Monaten das Rechtemanagement und die Titeldistribution machen: Beide Prozesse verhindern wegen ihrer Umständlichkeit, dass das Geschäft mit E-Books im großen Maßstab in Gang kommen kann. Jeff Bezos’ Vision, alle lieferbaren Bücher innerhalb von 60 Sekunden direkt auf den Reader laden zu können, sollte den Ehrgeiz der Konkurrenz anstacheln. Ein iTunes für Texte oder eine offene Lösung mit »weichem« Kopierschutz à la digitales Wasserzeichen könnten gangbare Wege sein. Bleibt es bei den angebotenen Geschäftsmodellen, wird die Versuchung, sich illegal zu bedienen, übermächtig werden.