Meinung

Jetzt oder nie: ein Zeitfenster für Antiquare

19. April 2009
von Börsenblatt
In der Krise wird der Streit um die richtigen Strategien im Antiquariatsbuchhandel schärfer. Dennoch muss er jetzt ausgetragen werden. Ein Kommentar von Björn Biester.

Im Antiquariatsbuchhandel hat sich ein Zeitfenster geöffnet, und es sind ausgerechnet die Krisenbewegungen und die Unruhe im Markt, die kreativen Antiquarinnen und Antiquaren potenzielle Freiräume schaffen. Dass das Geschäft mancher Online-Verkaufsportale stagniert und gleichzeitig Amazon mit seiner neuen Tochter Abebooks noch nicht zum Sprung in den klassischen Antiquariatsbereich angesetzt hat, ist eine Chance. Nun besteht Gelegenheit, Fehler der 1990er Jahre zu vermeiden; man ließ seinerzeit sich weitgehend von den Plattformbetreibern vereinnahmen, ohne an die fatalen Konsequenzen dieser fremdbestimmten Verlagerung von Vertriebswegen zu denken. Wie anders sähe die Lage heute aus, wäre es damals (noch vor der Jahrtausendwende!) gelungen, das Internet als Verbund unabhängiger Anbieter zu erobern!

Um einem vielleicht auf den ersten Blick naheliegenden Einwand zu begegnen, sei dies gesagt: Mit dem angesprochenen Verbund unabhängiger Anbieter kann wohl realistisch nicht die genossenschaftlich betriebene Plattform Prolibri gemeint sein, die erst seit Frühjahr 2005 im Netz steht; die Zahl der Anbieter ist dort zu klein, die Überschneidungen des Angebots mit anderen Plattformen sind zu groß, um den Kunden besondere Vorzüge von Prolibri plausibel zu machen, der Auftritt wirkt mittlerweile leicht unmodern und altbacken. Vom geringen Bekanntheitsgrad beim buchinteressierten Publikum ganz zu schweigen.

Ob der Prolibri-Anspruch überhaupt noch eingelöst werden kann, scheint deshalb mehr als vier Jahre nach dem Start zweifelhaft. Das Argument, mit Prolibri für den Fall der Fälle wenigstens einen 'Plan B' zu haben, klingt angesichts der rauen Plattformkonkurrenz ziemlich defensiv. Wären die Antiquare nicht besser beraten, sich hier und heute politisch zu organisieren, um gegenüber den bestehenden großen Plattformen wirkungsvoll eigene Interessen durchzusetzen? Genau dieser Weg ist der Genossenschaft der Internet-Antiquare – ein 'historisch' bedingter Fehler mit weitreichenden Folgen – aus wettbewerbsrechtlichen Gründen versagt. Die Gründung eines neuen Vereins namens Antiquarischer Buchhandel Online (ABOEV) hat nicht für eine Heilung dieses Fehlers gesorgt, sondern führte nur zu weiterer Selbstmarginalisierung der Beteiligten.

Im Fokus der Antiquare sollte daher, so ist häufiger zu hören, ein produktives, kreatives Nachdenken über neue Vertriebs- und Marketingformen stehen. Wie lässt sich frisches Interesse für die Beschäftigung mit antiquarischen Büchern erzeugen? Gibt es unentdeckte Kooperationsmöglichkeiten von Antiquaren und Neubuchhändlern? Lassen sich Antiquariats-Homepages – natürlich mit Hilfe der Suchmaschinen – zu festen Anlaufpunkten im Netz ausbauen und zwar jenseits der von einem nivellierten Angebot verstopften und strukturell eindimensionalen Plattformen? Es spricht einiges dafür, dass sich das Web 2.0 für kleine buchhändlerische Unternehmungen, in denen meist mehr Zeit und Ideen als Kapital vorhanden sind, sinnvoll und kostengünstig einsetzen lässt. Das Festhalten an einer aus einer anderen Zeit stammenden Strategie behindert dagegen notwendiges Nachdenken über Innovation dies- und jenseits des Netzes.