Festival

"Musik hat den größten Einfluss auf Literatur"

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Das LAN-Festival in Berlin für junge Literatur und Musik versuchte sich zum zweiten Mal an der Vernetzung verschiedener Kunstformen. Das gewachsene Interesse des Publikums gibt der Idee recht.

Wenn der Beat-Boxer Dalibor Markovic auf die Bühne tritt, glatt rasierter Schädel, schlaff hängende Jeans, das Mikrophon eine Verlängerung lässiger Handbewegung, und in Wilhelm-Busch-Manier schildert und vorführt, wie er einen Marienkäfer verschluckt, wenn Markovic dieses Ereignis dann überraschend in den Rahmen einer nachbarlichen Auseinandersetzung stellt und in den ganz anderen Szenejargon von heute wechselt – dann ist vielleicht das am klarsten verwirklicht, was sich das LAN-Festival für junge Literatur und Musik vorgenommen hat: die Vernetzung verschiedener Kunstformen.

LAN, analog zum Computer-Fachbegriff „local area network“, entwickelte sich aus Künstlernetzwerken um das Text-Ton-Label Kook (http://www.kook-label.de/) und das Internetmagazin http://www.goldmag.de/. Die Organisatoren stellten beim diesjährigen zweiten Festival an drei Abenden vom 29. bis 31. Mai achtzehn Autorinnen und Autoren, drei Singer-Songwriter und sechs Bands auf der Bühne des Berliner Theaters Hebbel am Ufer 2 vor. Jeder Lesende hat nur eine Viertelstunde: „Die Konzentration bleibt scharf, und es ist für jeden an einem Abend etwas dabei,“ so Elena Philipp von goldmag.

Das Stimmspektrum reicht von bereits arrivierten Autoren (z.B. Jenny Erpenbeck, Kathrin Röggla, Jan Wagner) bis zu Newcomern, etwa Thomas Klupp, dessen Debütroman „Paradiso“ soeben von der Presse hoch gelobt wurde. „Klupp bezieht seine Komik aus dem Pop-Bereich, wie übrigens auch Thomas von Steinaecker“, meint Jan Böttcher vom Label Kook: „Musik hat derzeit den größten Einfluss auf die Literatur.“
Die Singer-Songwriter tragen zwischen den Textblöcken vor. Bruno Franceschini („Fön“) lehnt sich mit dem Song „Solche und solche“ eng an Heinrich Heine an, während Julia Noack und Nöël Rademacher ihre Botschaften in englischer Sprache bringen.

Doch auch der Relation zwischen Text und Bild sowie weiteren Künsten und Formen wird Raum gegeben: Judith Schalansky und Lucy Fricke ergänzen ihre Texte durch Fotografien; Martina Hefter nähert sich ihren Poemen tänzerisch. Die 1992 geborene Helene Hegemann arbeitet mit Sprachversatzstücken aus dem Hörspielbereich; intertextuell meisterhaftes Spiel bietet Jochen Schmidt, der als heutiger Chronist mit lakonischer Komik die Stillage von Prousts verlorener Zeit gegen die Banalität des Lebens im 21. Jahrhundert abwägt.

Es geht also quer durch alle Genres, zuweilen sind die Texte ganz frisch. Im Kontrast allerdings etwa zu der Hildesheimer Veranstaltung „Prosanova“ verzichtet LAN gänzlich auf dezidierte Gespräche zur Werkstatt des Schreibens.

Das Konzept hat Erfolg: Rund hundert Besucher mehr als beim ersten Mal zählte das vom Hauptstadtkulturfonds geförderte Festival dieses Jahr. Und wie soll er weitergehen?
„Der Vorzug der Überschaubarkeit soll gewahrt werden,“ so Elena Philipp, und Jan Böttcher möchte den Kreis der Autoren und Liedermacher mehr ins Internationale weiten.