Insolvenzen

Nichts geht mehr: Das Kaufhaus-Sterben beginnt

23. Juli 2015
von Börsenblatt
In den nächsten Monaten werden Hunderte von Warenhäusern verschwinden: Bei Hertie gehen komplett die Lichter aus, bei Woolworth stehen mehr als die Hälfte der gut 300 Häuser auf der Streichliste. Und bei Karstadt? Darüber wird wohl erst im September entschieden. Ein Überblick zum Stand der Dinge.

Seit Jahren befinden sie sich in einer wirtschaftlichen Schieflage, jetzt stürzen sie ab: Gleich drei Kaufhaus-Ketten sind insolvent, das Konzept "Alles unter einem Dach" scheint ausgedient zu haben. Auch die Buchbranche spürt die Auswirkungen; unmittelbar betroffen sind vor allem die Lieferanten: Buchpartner, KNV, MairDumont – und die DBH Warenhaus. Dass das Geschäft mit Büchern im Warenhaus an Bedeutung verliert, ist allerdings kein neuer Trend (siehe Grafik).

Was kommt, was bleibt – hier ein Überblick:

Hertie
Die Kaufhauskette, ehemals Teil von Arcandor ("Karstadt Kompakt"-Häuser) musste Ende Juli 2008 Insolvenz anmelden – offenbar aufgrund zu hoher Mietforderungen des Eigentümers, des britischen Finanz-Investors Dawney Day.

Zum Zeitpunkt der Insolvenzanmeldung zählte die Kette noch 73 Filialen, derzeit sind es 54 - und die sollen dem Vernehmen nach bis Ende Juli schließen; der Ausverkauf hat vielerorts bereits diese Woche begonnen (Eröffnung des Insolvenzverfahrens: März 2009).

Buchflächen gibt es in nahezu allen Häusern, beliefert wurden sie von KNV und MairDumont.

Alle Rettungsversuche blieben bislang ohne Erfolg. Nun will die Deutsche Bank in ihrer Funktion als Gläubigerbank noch einmal alle Beteiligten an einen Tisch bringen. Beim Hertie-Gipfel am morgigen Freitag sind vom Immobilien-Eigentümer bis zu den Bürgermeister alle dabei. Daran, dass der Name Hertie verschwindet, wird das aber wohl wenig ändern: Die Eigentümer, die miteinander verbundenen Firmen Dawnay Day und Mercatoria Acquisitions BV (MABV), haben Presseberichten zufolge bereits erklärt, dass sie Einzellösungen favorisierten.


Karstadt
Der Mischkonzern Arcandor rutschte Anfang Juni in die Insolvenz – und damit auch die Warenhaus-Kette Karstadt. Das Netz umfasst bundesweit 91 Standorte, von denen Metro-Chef Eckard Cordes nach wie vor gern 60 übernehmen und sie mit seinen Kaufhof-Filialen zu einer Deutschen Warenhaus AG vereinigen will. Doch Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick bleibt eisern: Bislang lehnte er alle Metro-Offerten ab.

Die Metro ist aber nicht der einzige Interessent: Mittlerweile liegen offenbar auch Angebote vor von der Deutschen Euroshop und Management für Immobilien (MFI) – beide sind als Betreiber von Shopping-Centern bekannt und wollen einen Teil der Standorte übernehmen. Wie das Tauziehen um Karstadt ausgeht, wird sich wohl erst im September zeigen – nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Bücher gehören seit Jahrzehnten zum Sortiments-Mix von Karstadt. Lange Zeit hat das Unternehmen die Bewirtschaftung selbst verantwortet - 2007 begann die Suche nach einem Partner für das Buchgeschäft. Die angekündigte Kooperation mit Thalia kam nicht zum Tragen, stattdessen trat die DBH Warenhaus an, Tochter der DBH Buch Handel (Weltbild/ Hugendubel) an – als Mieter mit einem Shop-in-Shop-Konzept. Gesagt, getan? Nein.

Im Oktober 2007 kündigte die DBH an, die Buchflächen in 52 Karstadt-Häusern zu übernehmen. Das Bundeskartellamt gab im März 2008 grünes Licht – für 44 Standorte; bis Juli reduzierte sich die Zahl auf 39. Nachdem etwa die Hälfte der DBH-Flächen umgebaut wurde, kam es Ende 2008 erneut zum Kurswechsel: Seitdem bewirtschaftet die DBH-Tochter DBH Warenhaus noch 26 Flächen (Hugendubel: drei; Weltbild plus: 23), zusätzlich beliefert die DBH Warenhaus rund 55 Kompaktflächen (Buchabteilungen: 50 Quadratmeter). Trotz Insolvenz soll sich daran zunächst nichts ändern, heißt es bei den DBH-Gesellschaftern Hugendubel und Weltbild. Doch das finanzielle Risiko bleibt hoch: Die Shops dürften sich bislang kaum amortisiert haben.

 
Woolworth
Die Unternehmensleitung musste Mitte April 2009 den Gang zum Amtsgericht antreten. Eröffnet werden soll das Insolvenzverfahren vermutlich Anfang Juli - bereits jetzt liegt eine Art Rettungsplan für Billig-Kette vor. Dieser sieht vor, zwischen 170 bis 190 Filialen zu schließen (insgesamt: 311 Filialen bundesweit). Als überlebensfähig gelten offenbar vor allem mittelgroße Filialen mit 30 bis 40 Mitarbeitern.
 
Für die Standorte, die Woolworth nicht mehr halten kann, ist jetzt ein Wettbewerb der Bieter entbrannt. Medienberichten zufolge würden sowohl für einzelne Läden als auch Filialpakete Offerten vorliegen -  allerdings will offenbar keiner der potenziellen Käufer das Warenhaus-Geschäft aufrechterhalten. Dem Vernehmen nach liegen derzeit Angebote vor von Tengelmann, der Drogeriemarktkette dm und der britischen Investorengruppe Gordon Brothers.

Inwiefern die Pleite die Buchpartner AG tangieren wird, ist momentan noch unklar. Der Darmstädter Rackjobber hatte die Buchflächen im vergangenen Jahr umfangreich modernisiert und sich hier auch finanziell an der Einrichtung beteiligt – insgesamt beliefert das Unternehmen rund 120 Filialen, ist also Hauptlieferant beim Thema Buch. Zu Zahlungsausfällen sei es nach der Insolvenz nicht gekommen, sagte Geschäftsführer Dieter Gellert unlängst dem Börsenblatt.