Schein oder Sein? Inhalte und ihre Verpackung

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Mit dieser Leitfrage möchte ich das Resümee unserer letzten buchwissenschaftlichen Exkursion eröffnen, die wieder einmal nach Frankfurt führte. Interessant ist, dass sich dieses Thema v.a. durch die beiden sehr konträr erscheinenden Programmpunkte herauskristallisierte: Vormittags waren wir bei der Stiftung Buchkunst zu Gast, und nachmittags statteten wir dem Suhrkamp Verlag einen Besuch ab.
Die Stiftung Buchkunst war Balsam für viele geschundene Buchwissenschaftler-Seelen: Inmitten der Online-Bedrohung und des E-Book-Sturms, der gerade auch auf den zeitgleich stattfindenden Buchtagen wieder einmal besonders heftig tobte, fanden wir hier ein symbolisches ruhiges Plätzchen zur Erholung. Und waren gleich mittendrin in einem engagierten Vortrag zu einem buchwissenschaftlichen Kernthema, nämlich der Buchgestaltung. Mit Begeisterung, Fachkenntnis und vielen prämierten Beispielbüchern der letzten Jahre führte Uta Schneider ebenso in den Ablauf des Wettbewerbs wie in die Kriterien der Jury ein. Auch Fehler und Schwächen wurden thematisiert, weiterhin die Erkenntnis: Es gibt kein vollkommenes Buch.

Jedoch gibt es Bücher, die diesem Ideal relativ nahe kommen (die werden dann i.d.R. von der Stiftung Buchkunst prämiert). Interessant war an dieser Stelle, dass dies teils Bücher aus den Bestsellerlisten, teils aber auch völlig unbekannte Bücher sind, von denen man noch nie zuvor gehört hat. Und so stellte sich eine nicht ganz neue, aber auf einmal anschaulich gewordene Frage: Wie viel Einfluss hat (gute oder schlechte) Buchgestaltung auf den Erfolg eines Buches?

Weniger um Formalia ging es beim Suhrkamp Verlag: Sei es beim dynamischen Vortrag von Petra Hardt über Rechte und Lizenzen oder sei es bei der Einführung Peter Höflers in das Lektorat – im Mittelpunkt standen unentwegt der Inhalt des Buches wie sein jeweiliger Autor. Egal, ob es nun um neue Autorenentdeckungen, nicht immer einfache Kontakte zu Erbengemeinschaften oder die Verwertung der Werke im Ausland geht. Die Werke und deren Schöpfer sind die Anziehungspunkte, um die die Arbeit kreist.

Vom Design her, wird uns bestätigt, ist Suhrkamp eher an Traditionen bzw. an vorgegebenen Reihengestaltungen orientiert. Und trotzdem nicht minder erfolgreich.

Kann man nicht konstatieren, dass sich die meisten „Büchermacher“ auf eines der beiden Extreme konzentrieren? Dass sich die wenigsten überhaupt die Mühe machen, die Hülle auf ähnlichem Niveau wie den Inhalt zu gestalten? Oder umgekehrt mit einem effektvollen Design versuchen, mögliche Defizite auf textueller Ebene wieder wettzumachen?

Und wenn dies so wäre, dann frage ich mich: Ist es so schwer, beides gut  hinzubekommen? Aus reinem Idealismus, den bekanntermaßen große Teile der Buchbranche teilen, sollte es doch eine Selbstverständlichkeit sein, sich beiden Aspekten gleichermaßen hingebungsvoll zu verschreiben. Natürlich sind die erhöhten Kosten eine nicht zu unterschätzende Größe in der Kalkulation, aber könnte man hier nicht stärker darauf spekulieren, dass der Leser es später zu schätzen weiß? Ich denke nämlich, das Design ist ein Punkt, an dem der „gewöhnliche“ Leser oftmals unterschätzt wird. Man könnte hier durchaus mehr Experimente wagen – nicht nur im Bereich des Kunstbuchs, sondern auch in der Belletristik oder anderen Genres. Denn ist es nicht so – insbesondere im Vergleich mit anderen Branchen –, dass sich gerade bei Büchern Qualität immer noch durchsetzt?