Piraten und die Psychologie von DRM

23. Juli 2015
von Börsenblatt
In meinem letzten Blog-Beitrag (Piraten lieben DRM) habe ich dargestellt, warum eine ‚hartes’ Digital Rights Management (DRM) Raubkopieren eher fördert als verhindert. Welche Optionen haben nun Verleger? Den Content komplett ungeschützt ins Netz stellen und somit ein ziemlich gewagte Wette auf ihren Verlagsumsatz eingehen? Oder erst einmal abwarten und weiterhin nur P-(Print)-Books verkaufen?
Natürlich kann es keine Lösung sein, naiv auf das Gute im Menschen (es sei mir verziehen, dass ich das ‚Gute’ in diesem Zusammenhang auf die Zahlungsbereitschaft für Geistiges Eigentum einenge) zu vertrauen und E-Books ohne jeglichen Schutz ins Internet zu stellen. Genau aus diesem Grund hat libreka! schon immer für ein psychologisches DRM geworben und dies für das EPUB-Format sogar erst entwickelt.
 
Was heißt nun psychologischer Kopierschutz? Kurz zusammengefasst handelt es sich um eine Kennzeichnung des Dokuments (Watermarking), mit der sich der Käufer identifizieren lässt. Dieses Wasserzeichen wird für jedes E-Book individuell generiert und in verschiedenen Formen eingebaut: sichtbar und unsichtbar.
 
Das sichtbare Wasserzeichen stellt ganz explizit dar, dass dieses Buch registriert und der Käufer identifizierbar ist. Der sichtbare Eintrag ist das eigentlich Psychologische an dieser Form von DRM: es führt dem Nutzer klar vor Augen, dass er eine persönliche Kopie in den Händen (oder eher: im Lesegerät) hält.
 
Weil das sichtbare Wasserzeichen klar erkennbar ist, kann es mit einem gewissen Maß an Hacker-Energie und bestimmten Methoden auch entfernt werden. Bei dem neuen Branchenstandard EPUB ist dies sogar noch einfacher als beim PDF-Format, weil sich bei ersterem um eine reine Textdatei handelt, die wie jedes Word-Dokument bearbeitet werden kann. Aus diesem Grund wird das sichtbare durch ein unsichtbares Wasserzeichen ergänzt. Es ist offensichtlich, dass letzteres deutlich schwerer zu finden ist und damit das E-Book sehr viel sicherer macht.
 
Aber wie kann ein unsichtbares Wasserzeichen in eine EPUB-Datei integriert werden? Hier hat die MVB das weltweit erste Verfahren entwickelt, wie durch nicht sichtbare Textmanipulationen (der Leser sieht lediglich den Originaltext) ein Wasserzeichen im Dokument kodiert werden kann, so dass hier ein sogar noch höherer Sicherheitsstandard als beim PDF erreicht wird.
 
Verhindert ein psychologisches DRM das Kopieren? Technisch gesehen: nein, soll es aber auch nicht. Ein psychologisches DRM vermittelt lediglich das Gefühlt, ein persönliches E-Book zu besitzen – und erlaubt im Nachhinein den Verursacher von Raubkopien zu ermitteln.
 
Um es mit einer Analogie zu vermitteln: Das psychologische DRM funktioniert wie eine Diebstahlsicherung im Kaufhaus. Natürlich kann ein versierter Ladendieb den auf der Ware angebrachten Chip, der den Alarm am Ausgang auslöst, entfernen und so die Ware stehlen. Aber der Großteil der Ladendiebstähle, die aus Gelegenheit, Impuls oder anderen Beweggründen geschehen, werden auf diese Art wirksam unterbunden. Und wer mutet es heute dem Kunden noch zu, beim Verlassen des Ladens die Tasche durchsuchen zu lassen?
 
Zurück zum E-Book: Psychologisches DRM bietet keine 100 %-ige Sicherheit, ebenso wenig wie ein ‚hartes’ DRM. Es belohnt vielmehr den ehrlichen Kunden, indem er (immerhin ein Kunde, der für geistiges Eigentum zahlen möchte) ein vollfunktionales, einfach zu bedienendes E-Book erhält. Und es stellt für den Verlag die bestmögliche Balance zwischen Schutz vor Raubkopien und Kundenorientierung dar.
 
Ich freue mich auf eine angeregte Diskussion