Börsenverein

Kulturflatrate: Pauschaler Kunstgenuss in der Diskussion

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Ist die Kulturflatrate das Gegengift? Im Kampf gegen Internetpiraterie stand gestern in der Berlin-Dependence des Börsenvereins die Pauschalabgabe für Internetnutzer zu Gunsten der Urheber zur Diskussion. Leicht schien es den Diskutanten aus Politik und Kultur, Gegenargumente ins Feld zu führen – wie eine Kulturflatrate konkret aussehen könnte, blieb im Dunkeln.

Dass etwas getan werden muss, stand in Berlin aber außer Frage. Denn paradiesisch, so der Schriftsteller Thomas Brussig, sei der derzeitige Zustand nur für die User des Internets, für die Urheber jedoch sei er unhaltbar.

Ein Beispiel für den Umgang mit dem riesigen Datenhunger der Internet-User ist Napster. Die ehemalige Musiktauschbörse zählt heute zu den größten Musikdiensten Deutschlands. Kunden können Songs für 9,95 Euro monatlich entweder herunterladen oder dank Flatrate-Tarif via Stream direkt online anhören. Nur wer den Dienst nutzt, zahlt hier auch; Lizenzverträge mit Plattenfirmen gewähren, dass die künstlerische Leistung der Urheber vergütet wird. Bei der Kulturflatrate dagegen würden auch Leute zur Kasse gebeten, die sich nicht illegal im Netz bedienten, so Hans-Joachim Otto, Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien (FDP). Otto vertritt parteikonform die strikte Linie der Nichteinmischung des Staates: Die Kulturflatrate legalisiere die unautorisierte Nutzung und sei insofern Kapitulation vor den illegalen Machenschaften im Internet. Außerdem ginge das Bewusstsein, dass es sich hier um bezahlungswürdige Leistungen handelte, bei der Flatrate verloren.

Die Idee Kulturflatrate steckt in den Kinderschuhen. Wohl auch wegen der ungeklärten Frage, wie bei weltweiter Internetnutzung die Pauschale rechtlich durchgesetzt werden kann, wollten die Diskussionsteilnehmer die Flatrate eher additiv zu anderen Modellen verstanden wissen: Monika Griefahn etwa, Sprecherin der SPD-Fraktion für Kultur und Medien, und Gisela Schmalz, Verfasserin des Buches „No economy". Die Medienökonomin plädiert für einen Strategien-Mix und appellierte an kreativ Schaffende, Verlage etc., gemeinsam Payment-Systeme zu entwickeln und branchenspezifische Flatrates zu schaffen. Die Kulturflatrate sei nur ein »Trostpflästerchen«. Eine Einkunftsquelle neben anderen könnte z.B. auch Werbung sein. Schmalz sieht in der Kulturflatrate durchaus Probleme: „Einmal wird bezahlt, dann sind die Schleusen offen für Raubkopien."

Sascha Lobo, Blogger und Co-Autor des Buches „Wir nennen es Arbeit", kritisierte das „Herumhacken auf dem Versuch einer Kulturflatrate, ohne zu wissen, wie es tatsächlich funktioniert" und schlug eine Bresche fürs große Unbekannte: „Gar nicht zu experimentieren ist gefährlicher als das Experiment zu wagen!" Und dies trotz aller Skepsis, auch gegenüber der Mechanik des kulturellen Umverteilungssystems: „Von den GEMA-Gebühren bekommt auch Michael Jackson den größeren Anteil, die kleine Kölner Band im Keller erhält kaum etwas", so Lobo.

Wie Kreative ihr Recht im Internet wirksam durchsetzen können – darüber werden wohl noch viele Diskussionen geführt und Ideen geboren werden müssen. Die eine oder andere Zielvorgabe lässt sich bislang eben erst als Wunsch formulieren. Immerhin. Was wünscht sich der Kreative Brussig: „Ich will ein Netz ohne Mautstation, wo man qualitativ hohe Inhalte bekommt. Kulturflatrate also quasi als Autobahnvignette."

Die Debatte, moderiert von Susanne Führer, wird am 6. September um 0.05 Uhr im Deutschlandradio Kultur übertragen.

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