Marketingauftritt

De Gruyter: Hoffest ohne Weh

18. September 2009
von Börsenblatt
Der Berliner Wissenschaftsverlag De Gruyter krempelt seinen Markenauftritt um, im Grunde passiert aber noch weitaus mehr. Rund 100 Gäste bekamen gestern Abend Gelegenheit, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Das Unternehmen hatte zum »Hoffest ohne Weh« eingeladen – ein Fest ohne was?

Gründer und Namensgeber Walter de Gruyter, Schöngeist und Kaufmann in einem, würde es vermutlich genauso pragmatisch sehen wie die heutigen Gesellschafter des Verlags: dass der „Walter“ Vorname im Zuge der Internationalisierung des Geschäfts wegfällt. Die Festivität, zu der Geschäftsführer Sven Fund am 17. September in Berlin eingeladen hatte, hieß jedenfalls „Hoffest ohne Weh“ und war konzipiert als eine Art „sneak preview“ des neuen Corporate Design – bei Speisen unter Zelten und Lounge-Klängen der Musikerformation Café du Jazz.

An die hundert Gäste waren zugegen, um einige Eindrücke zu erhalten und – last not least – an der klassischen Archivführung des Verlags durch Constanze Schumann teilzunehmen. Darunter: Gesellschafter, die, wie die Familien Cramm und Seils teils noch der Familie de Gruyter angehören; Kunden des Verlags wie Claudia Lux, Generaldirektorin der Stiftung der Zentral- und Landesbibliothek und derzeitige IFLA-Präsidentin, oder Barbara Schneider-Kempff, Generaldirektorin der Staatsbibliothek Berlin.

Richtig heraus wollte man mit dem neuen Corporate Design gestern Abend aber nur häppchenweise, etwa bei der Vorstellung einiger Cover und des neuen Logos durch Marketing-Fachfrau Dorothee Kern. Erst auf der Frankfurter Buchmesse werde mehr zu sehen sein, hieß es. Immerhin: Eine Pressemeldung fasste heute morgen einige der Vorhaben zusammen (siehe: hier).

 
Was bereits beschlossene Sache ist:

  • Die Marke „de Gruyter Recht“ wegfallen, der 2006 gekaufte Verlag Max Niemeyer in de Gruyter aufgehen. Grund: Da sich die Editionsbereiche beider Verlage überschnitten, gibt es laut Fund keinen Differenzierungswert.
  • Allerdings soll eine Stiftung für ausländische Nachwuchsgermanisten den Namen Max Niemeyer tragen und einige Reihen wie „Frühe Neuzeit“ oder „Studien zur deutschen Literatur“ im Rahmen einer Edition Niemeyer erscheinen.
  • De Gruyter Saur und de Gruyter Mouton bleiben als Submarken erhalten, Produktmarken wie Pschyrembel oder Staudinger unverändert. Die Neuerungen führen jedoch dazu, dass aus dreien eine ISBN wird.

 

Fest steht: Das Branding ist mehr als bloßer Neuanstrich. Denn De Gruyter sieht sich als Wissenschaftsverlag anderen Zukunfts-Herausforderungen gegenüber als etwa ein belletristischer Publikumsverlag. Besonders deutlich wird dies am Beispiel open access, zu dem man sich bei de Gruyter intensiv Gedanken macht – Sabine Vogt führte beim Hoffest in die Thematik ein.

Während in der Publikationswelt allgemeineren Interesses derjenige, der veröffentlicht, für seine Arbeit Geld verlangt, zahlen Wissenschaftler einen Druckkostenzuschuss dafür, dass ihre geistigen Produkte herausgebracht werden – es geht ihnen ums Renommée in der Fachwelt, und Wissen muss wegen seiner schnellen Veralterung sowie forschender Konkurrenz schnell publiziert werden. Das Internet nun birgt für beispielsweise belletristische Autoren die Gefahr, dass bislang bezahlte Inhalte per Raubkopie für lau die Runde machen und ihr Erzeuger leer ausgeht; für Wissenschaftler könnte es endlich freie Bahn beim kostenfreien Publizieren bedeuten.

 

Wo sehen sich Wissenschaftsverlage da? Zum einen versuchen sie, sich als Plattformen von inhaltlicher Relevanz (und mit globalem Namen wie Reference Global) zu installieren und Inhalte dauerhaft bereitzustellen – da ist ein branding im internationalen Kontext dienlich. Zum anderen knüpfen sie, auch argumentativ, an die bestehenden Publikationsformen an: Wer weiß schon, wie lange elektronische Daten haltbar sind? Beschreibbare Stoffe dagegen schaffen rund 2.000 Jahre. Also bietet man Hybridmodelle aus papiernem und digitalem Veröffentlichen – zeitgleich.

De Gruyter startet seinen Testfall in der für 2010 avisierten Reihe „Topoi. Berlin Studies of the Ancient World“ mit dem Band „Babylon – Wissenskultur in Orient und Okzident“. Da der Inhalt einem weiteren Publikum als interessant gilt, wird eine gedruckte Buchausgabe erscheinen; zeitgleich jedoch wird dessen Inhalt im Internet frei zugänglich gemacht. Von Topoi erhält der Verlag im Voraus eine Summe, quasi Druckkostenzuschuss, die aber rückzahlbar ist: Geht der Verkauf der gebundenen Ausgabe über ein kalkuliertes Maß hinaus, erstattet der Verlag Topoi die gezahlte Summe anteilig zurück.

Ein ähnlich gelagertes Übergangsmodell versucht De Gruyter schon im Bereich wissenschaftlicher Zeitschriften: Wo bislang die öffentliche Hand bzw. der Wissenschaftler doppelt zahlt, nämlich bei der Publikation eines Fachartikels und beim teuren Abonnement der Fachzeitschrift, die diese Artikel veröffentlicht, will de Gruyter mit jedem veröffentlichten und bezahlten Artikel die Subskription der Zeitschrift kostengünstiger gestalten. – Es sind Entwürfe in Zeiten des Übergangs.